Vor zweieinhalb Jahren habe ich hier mal die Frage aufgeworfen, was an der Gentechnik eigentlich so schlecht ist. Meine Antwort, damals wie heute: ihr Image. Und damals wie heute kann ich den Vertretern der Pro-Gentechnik-Fraktion die Mitverantwortung an diesem Mangel nicht absprechen. Ich will nicht jedes Argument meines ersten Beitrags wiederholen – aber sie gingen mir alle wieder durch den Kopf, als ich diesen Beitrag von Brynja Adam-Radamanic in ihrer Wissensküche las. Ehe ich aufschreibe, was mich an diesem Beitrag “bewegt” hat, nehmt Euch bitte erst mal die Zeit, den Artikel zu lesen:
Als Blogger schenke ich ihr hier natürlich meine vollen Sympathien; Blogs leben davon, dass sich jemand engagiert – auch und gerade emotional engagiert – und Positionen deutlich und plakativ vertritt. Und wer der Autorin dafür Lob aussprechen will, sollte nicht zögern, dies dort auch in einem Kommentar zum Ausdruck zu bringen.
Aber ich gestehe gerne, dass es nicht der Beifall war, der mich zu meinem eigenen Posting hier animiert hat. Ich teile die Meinung der Autorin nicht; ich halte Kritik an der “grünen” Gentechnik nicht nur für zulässig, sondern für notwendig. Und nur weil sie von vielen geteilt wird, ist sie nicht automatisch populistisch. Kritik an der Gentechnik mit Ausländerhass und Rassismus gleichzusetzen, ist eine Trivialisierung von Xenophopie und Rassismus, das spricht für – genauer gesagt: gegen – sich selbst. Und das Argument, dass man durch Gegnerschaft zur Gentechnik ja die Arbeitsplätze und damit die Existenz schlechthin der vielen unschuldigen Mitarbeiter der einschlägigen Unternehmungen in Frage stelle – wie bitte? Mit dem gleichen Argument lässt sich alle Kritik, auch an Rüstungsbetrieben und Waffenproduzenten, Tabakherstellern und RTL2, niederbürsten.
Aber ich will hier keine Widerrede, Punkt für Punkt, entwickeln. Sondern nur mal ein paar der roten Tücher aufspannen, die in der Diskussion um grüne Gentechnik gerne gewedelt werden.
Da ist beispielsweise das Mem, dass die Gegner der grünen Gentechnik zu ungebildet seien um zu erkennen, dass auch die traditionelle Artenzucht eine Form der Genmanipulation ist und wer also gegen Gentechnik ist, folglich auch gegen die traditionellen Anbaufrüchte sein müsste. Der Haken ist dabei, dass genau dies ja einer der Ausgangspunkte der ökologischen Bewegung (deren Entstehen ich aus vergleichsweise großer Nähe mit verfolgen konnte) war: Gentechnik war in den 70-er Jahren noch gar kein weit verbreiteter Begriff, und doch gab es schon Kritik an der Agroindustrie, mit ihren Monokulturen und ihrem chemisch-technischen Produktionsaufwand. Und setze noch einen drauf: Die Kritik an der grünen Gentechnik ist eine Folge der Erfahrungen, die mit der tradiionellen Sortenzucht gemacht wurden.
Denn die hat, in der praktischen Anwendung, nicht zu mehr, sondern zu weniger Artenvielfalt geführt. Diese Grafik aus National Geographic veranschaulicht das Problem ziemlich deutlich:
Und die Arten, die es “geschafft” haben, sind nicht etwa die mit dem besseren Geschmack oder dem besseren Nährwert – sondern die, mit denen sich am meisten Geld verdienen lässt, weil sie beispielsweise am leichtesten zu ernten oder am längsten zu lagern sind. Kurz: Weil sie den Interessen der Anbieter am besten dienen. Wer wissen will, was ich meine, ist hiermit eingeladen, ein paar Erdbeeren, Tomaten, Äpfel oder auch eine Gurke aus dem nächsten Supermarkt zu probieren. Ich wäre nicht überrascht, wenn Verbraucher in einem Blindtest keinen Unterschied zwischen diesen Esswaren erkennen würden …
Aber, so das daraus abgeleitete Argument, ohne diese landwirtschaftlich-genetischen Errungenschaften (die hier wiederum die traditionelle wie die gentechnische Sortenzucht umfassen soll) würde die Welt halt verhungern. Wer gegen Gentechnik ist, will also, dass die Ärmsten in der dritten Welt Hunger leiden …
Davon abgesehen, dass die meisten dieser Sorten nicht für den Konsum in der Dritten Welt gezüchtet wurden: Hunger ist nicht etwa ein Problem der mangelnden Produktion, sondern ein Problem der Distribution. Auch hier wieder ein Beispiel aus National Geographic, das in seiner August-Ausgabe einen längeren Beitrag dem Problem der “Nahrungsunsicherheit” in den USA gewidmet hat. Der Anbau von Mais und Soja wird in den USA jährlich mit rund 11 Milliarden Dollar subventioniert (Obst und Gemüse, obwohl als wichtiger Bestandteil einer ausgewogenen Ernährung anerkannt, übrigens nur mit etwa 1,6 Milliarden Dollar jährlich) – und doch gibt es in Amerika Menschen, die Probleme haben, Essen auf den Tisch zu bringen. Dass die so genannten GMO, um die der Streit ja geht, irgend einen Beitrag zur Nahrungssicherung der Bevölkerung erbracht haben, ist bisher nicht erwiesen.
Und das dritte rote Tuch ist, dass mit der Opposition zur “grünen” Gentechnik auch die Akzeptanz der so genannten “rote” Gentechnik – die vor allem für die medizinisch-therapeutische Forschung und Entwicklung relevant – untergraben und gefährdet werde. Und da kann ich nur sagen: Stimmt! Genau das gilt es zu verhindern. Und genau darum setze ich mich dafür ein, dass die Wissenschaft sich an dieser Diskussion beteiligt – um klarzumachen, dass der Wert und Nutzen der Gentechnik viel zu groß ist, um sie für die Herstellung von Produkten zu verschleudern, die von Verbrauchern abgelehnt und auch ansonsten nicht wirklich gebraucht werden. Für die Zukunftssicherung unserer Nahrungsversorgung wird die Bewahrung von Artenvielfalt, wie sie durch den Svalbard Global Seed Vault gesichert werden soll, sicher entscheidender als eine unkrautvernichterressistente, fortpflanzungsunfähige, aber dafür patentierbare Maissorte.
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