“In the last two decades, the theory of Ramanujan graphs has gained prominence primarily for two reasons. First, from a practical viewpoint, these graphs resolve an extremal problem in communication network theory. Second, from a more aesthetic viewpoint, they fuse diverse branches of pure mathematics, namely, number theory, representation theory and algebraic geometry.” (M.R.Murty)

Vor 2 Wochen hatten wir über Expander-Graphen geschrieben, “stabile Telefon-Netze”, d.h. Graphen, die sich nicht durch Entfernen weniger Kanten in (annähernd gleich große) Komponenten zerlegen lassen.

Letzte Woche hatten wir geschrieben, daß der (zweite) Eigenwert λ des Laplace-Operators ein gutes Maß für die Expansion eines Graphen ist.

Insbesondere hatten wir Selbergs Konstruktion erwähnt, der mittels hyperbolischer Geometrie Expander-Graphen mit λ≥ 3/16 konstruiert.

Heute soll es um eine bessere (sogar die bestmögliche) Methode zur Konstruktion von Expander-Graphen gehen, nämlich die Konstruktion von sogenannten Ramanujan-Graphen.

Ramanujan-Graphen sind, per Definition d-reguläre Graphen (d.h. von jeder Ecke geht die gleiche Zahl d von Kanten aus), für deren zweiten Eigenwert die Ungleichung
λ≥ d – 2(d-1)1/2
gilt.
(off topic: kennt eigentlich irgendjemand das HTML-Symbol für die Quadratwurzel ???)

Zum Beispiel der Petersen-Graph ist ein Ramanujan-Graph mit d=3 und λ=0,172… :
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Warum gerade Ramanujan-Graphen?

Wenn man irgendeine Folge Xn von d-regulären Graphen hat, deren Ecken-Anzahl n gegen unendlich geht, dann ist der Grenzwert von λ(Xn) höchstens d – 2(d-1)1/2.

Folgen von Ramanujan-Graphen sind also die bestmöglichen Expander-Folgen, es kann keine besseren geben.

(Interessanterweise sind in einem statistischen Sinn fast alle Graphen Ramanujan-Graphen. Trotzdem brauchen Konstruktionen expliziter Beispiele anspruchsvolle Mathematik.)

Woher kommt der Name Ramanujan-Graph?

Ramanujan war ein indischer Zahlentheoretiker, der unter anderem viele zahlentheoretische Erkenntnisse aus der Untersuchung von Modulfunktionen gewonnen hat. (Dazu nächste Woche.)
Die sogenannte Ramanujan-Vermutung aus der Theorie der Modulformen ist eine Ungleichung für die Koeffizienten einer bestimmten Modulform, nämlich der Dedekind’schen η-Funktion (siehe TvF 100): es geht um die Koeffizienten τ(n) der Reihenentwicklung
qΠm(1-qm)24=Σnτ(n)qn
Die Ramanujan-Vermutung besagt, daß für Primzahlen p die Ungleichung
Iτ(p)I≤2p11/2
gelten muß.

Die Ramanujan-Vermutung wurde 1974 von Deligne bewiesen, als Konsequenz der Weil-Vermutung. Es erschließt sich sicher nicht auf den ersten Blick (und vermutlich auch nicht auf den zweiten oder dritten – ich habe nicht versucht, den Beweis zu lesen), was diese Ungleichung mit der Konstruktion von Expander-Graphen zu tun hat.

Konstruktion von Lubotzky-Philipps-Sarnak

Die Arbeit von Lubotzky-Philipps-Sarnak verwendet die p-adischen Zahlen Qp, Zp und den “p-adischen symmetrischen Raum” PGL2(Qp)/PGL2(Zp). Dieser “p-adische symmetrische Raum” ist aber eigentlich kein symmetrischer Raum, sondern ein Baum, also ein Graph ohne Kreise.
Die Ramanujan-Graphen erhält man als “Quotienten” dieses p-adischen symmetrischen Raums, in Analogie zur Bildung hyperbolischer Flächen:

Im Fall der hyperbolischen Ebene (TvF 64) konnte man ja durch “Herausteilen” passender Gruppen hyperbolische Flächen als Quotienten bekommen.

(Oder ein einfacheres Beispiel: den flachen Torus bekommt man als Quotient der Ebene, man teilt die Gruppe Z2 heraus, siehe TvF 63)

i-574bc944262ac91dfe5e48e746f8f3ae-univeroc.gif
====>
i-4b7e49d376cf27bd97af2f0016ae3455-UniversalCoverDoubleTorus_700.gif

Quelle: Mathworld

Ähnlich geht es hier im Fall der p-adischen symmetrischen Räume: durch “Herausteilen” passender Gruppen erhält man (p+1)-reguläre Graphen als Quotienten:

i-062be174ba7047e4d7c0e341f2545480-Tree_graph_example.gif
===>
i-ba81a6c6f3cf39f021565058819ef471-HarborthGraph_700.gif

Lubotzky-Philipps-Sarnak beweisen, daß man mit dieser Konstruktion, für bestimmte Gruppen, auf der rechten Seite Ramanujan-Graphen bekommt.
Der Beweis benutzt neben Modulfunktionen auch tiefliegende Sätze aus der Darstellungstheorie. (Sie beweisen, daß man genau dann einen Ramanujan-Graphen bekommt, wenn es für die Gruppe keine sogenannten nichttrivialen Komplementärreihendarstellungen gibt.) Jedenfalls wird im Beweis auch irgendwo die Ramanujan-Vermutung für Modulformen verwendet, daher wohl der Name “Ramanujan-Graph”.

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Kommentare (4)

  1. #2 Thilo Kuessner
    12. Februar 2010

    Ah, die Seite kannte ich sogar schon, aber die Wurzel hatte ich übersehen.
    Test: d – 2 √(d-1)

  2. #3 Thilo Kuessner
    12. Februar 2010

    Na ja, bei Tageslicht betrachtet sieht das Wurzelzeichen jetzt nicht soo toll aus. Ich glaub, ich bleibe lieber bei “hoch 1/2”.

  3. #4 rolak
    12. Februar 2010

    Das Zusammenstoppeln derartiger Gleichungen mittels HTML-Sonderzeichen sieht wirklich sehr arm aus, die Rohform wie oben bei (d-1)<sup>1/2</sup> ist nur in engen Grenzen übersichtlich. Erfreulicherweise haben schon Andere ihren Ärger über die Unzulänglichkeiten produktiv kompensiert: Mir persönlich ist so etwas wie =»dieses JavaApplet zur direkten LaTeX-Übernahme [sorry, Mr.Knuth, mir ist als niederem Kommentator ein tiefgestelltes e versagt] am liebsten, erspart die Einarbeitung in MathML oder ähnlichem. Von =»hier aus kann man weiter suchen…