Euler-Preis für gehäkelte hyperbolische Ebenen.

Heute mal außer der Reihe, aber zum Thema der Serie passend, etwas aktuelles: ein Buch über hyperbolische Ebenen, “Crocheting Adventures with Hyperbolic Planes” von Daina Taimina, wurde letzten Freitag als Gewinner des Euler-Preises bekanntgegeben.

Die MAA vergibt seit 5 Jahren den Euler Book Prize (gestiftet von Paul Halmos) für Bücher über Mathematik. Letztes Jahr ging er an den Princeton Companion of Mathematics und vor 2 Jahren an “Euler’s Gem: The Polyhedron Formula and the Birth of Topology” von David Richeson. Dieses Jahr also “Crocheting Adventures with Hyperbolic Planes”.

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Das Buch hatte bereits 2009 den Diagram-Preis (Diagram Prize for Oddest Title of the Year) gewonnen.

Einen ersten Eindruck, worum es inhaltlich geht, kann man aus einem 10 Jahre alten Artikel der Autorin mit David Henderson im Mathematical Intelligencer bekommen, der hier online ist. Der erste Absatz der Einleitung:

In June of 1997, Daina was in a workshop watching the leader of the workshop, David, helping the participants study ideas of hyperbolic geometry using a paper and tape surface in much the same way that one can study ideas of spherical geometry by using the surface of a physical ball. David’s hyperbolic plane was then so tattered and fragile that he was afraid to handle it much. Daina immediately began to think: “There must be some way to make a durable model.” David made his first paper hyperbolic plane in the summer of 1978 while on canoe trip on the lakes of Maine using the scissors on his Swiss Army knife. He had just learned how to do the construction from William Thurston at a workshop at Bates College. This crude paper surface was used in the David’s geometry classes and workshops (becoming more and more tattered) until 1986 when some high school teachers in a summer program that David was leading collaborated on a new larger paper and tape hyperbolic surface. This second paper and tape hyperbolic surface (used in classes and workshops for the next 11 years) was the one that Daina witnessed in use. Daina experimented with knitting (but the result was not rigid enough) and then settled on crocheting. She perfected her technique during the workshop and crocheted her first small hyperbolic plane and then while camping in the forests of Pennsylvania, she crocheted more and we started exploring its uses. In this paper we will share how to crochet a hyperbolic plane (and make related paper versions). We will share how we have used it to increase our own understanding of hyperbolic geometry. (Where does the formula pr2 fit in hyperbolic geometry?) We will finish by proving that, in fact, it is an isometric model of the hyperbolic plane.

Worum geht es mathematisch?
Häufiges Thema hier in der Reihe war ja die hyperbolische Ebene, also die einfach zusammenhängende Fläche mit einer vollständigen Metrik, deren Schnittkrümmung konstant -1 ist.
Nach einem Satz von Cartan gibt es nur eine solche Fläche. (Es gibt zwar unterschiedliche Modelle der hyperbolischen Ebene, aber die sind alle zueinander isometrisch.)

Hier in der Reihe kam die hyperbolische Ebene meist vor als universelle Überlagerung der (geschlossenen) Flächen mit mindestens 2 Henkeln. Um diesen Aspekt geht es aber in der Häkel-Geschichte erstmal nicht, sondern dort geht es darum, die hyperbolische Ebene konkret in unserem 3-dimensionalen euklidischen Raum zu realisieren. (Und zwar als ‘isometrische Einbettung’ , d.h. so, daß Abstände erhalten bleiben. Das Bild oben ist keine isometrische Einbettung in den euklidischen Raum, denn die hyperbolischen Abstände sind in der Nähe des Randes viel größer als die euklidischen Abstände zwischen den Punkten.)

Nun besagt ein bekannter Satz von Hilbert eigentlich, daß es keine isometrischen Einbettungen der hyperbolischen Ebene in den euklidischen Raum geben kann. Allerdings geht es bei diesem Satz um glatte Einbettungen, wenn man sich Hilberts Beweis anschaut, sieht man daß 4.Ableitungen vorkommen, der Beweis also nur für 4-mal differenzierbare Abbildungen funktioniert. Klotz-Milnor hatte 1972 bewiesen, daß es auch keine 2-mal differenzierbaren isometrischen Einbettungen geben kann.
Es gibt aber 1-mal differenzierbare isometrische Einbettungen. Tatsächlich hat Kuiper 1955 bewiesen: wenn eine offene n-Mannigfaltigkeit in den RN 1-mal differenzierbar eingebettet werden kann, dann hat sie sogar eine isometrische 1-mal differenzierbare Einbettung in den RN+1. Mit n=N=2 bekommt man damit die isometrische 1-mal differenzierbare Einbettung von H2 in R3. (Kuiper verbesserte damit einen Satz von Nash. Einen Überblick über den Beweis des Nash-Kuiper-Theorems findet man hier.)
Die beim Häkeln benutzten Einbettungen sind nicht differenzierbar, aber immerhin noch stetig. Die Konstruktion wird im Artikel von Henderson und Tamina beschrieben.

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Historisch wäre noch anzumerken, daß die erste Konstruktion der hyperbolischen Ebene 1868 durch Beltrami (TvF 54) ebenfalls eine in den euklidischen Raum eingebettete Fläche benutzte, nämlich die oben abgebildete Pseudosphäre. (Lobatschewski und Bolyai hatten, anders als oft dargestellt, kein explizites Modell der hyperbolischen Ebene, sondern nur aus den Axiomen der hyperbolischen Geometrie eine umfangreiche und widerspruchsfreie Theorie hergeleitet.) Diese Pseudosphäre ist aber nicht vollständig. (Geodäten gehen in endlicher Zeit gegen Unendlich.) Wenn man die Metrik vollständig machen will, ergeben sich die Korallenriffbilder:




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Kommentare (1)

  1. #1 halbtagsfliege
    19. Dezember 2011

    Wenn das nicht Mathematik ist !
    Calvin und Hobbes:
    https://cdn.svcs.c2.uclick.com/c2/d51cf170e26a012e2fb000163e41dd5b