Periodische Orbiten Hamiltonscher Flüsse
Fixpunkte einer Abbildung f:M–>M sind Punkte x mit f(x)=x. Das Bild unten zeigt drei Fixpunkte einer Abbildung f:R–>R.
Wenn man einen Fluß hat, z.B. die Zeit-Entwicklung eines Hamilton-Systems (wie letzte Woche), dann sind die Fixpunkte der Zeit-1-Abbildung natürlich gerade die 1-periodischen Orbiten des Flußes. Abschätzungen für die Anzahl der Fixpunkte geben einem also Abschätzungen für die Anzahl periodischer Orbits des Hamilton-Systems.
Ein einfaches Beispiel eines topologisch bewiesenen Existenzsatzes für Fixpunkte: Der in TvF 32ff. besprochene Brouwersche Fixpunktsatz sagt, dass jede Abbildung f:D2–>D2 mindestens einen Fixpunkt hat.
Vor 2 Wochen hatten wir gesehen, dass die (mit Multiplizität gezählte) Anzahl der Fixpunkt einer Abbildung f:M–>M mindestens die Lefschetz-Zahl L(f) von f sein muss. Insbesondere wenn eine Abbildung homotop zur Identität ist, also durch eine stetige Deformation (z.B. den Fluß eines Vektorfeldes) aus der Identitätsabbildung f(x)=x entsteht, dann muß die (mit Multiplizität gezählte) Anzahl der Fixpunkte mindestens die Euler-Charakteristik von M sein.
Andererseits ist die Euler-Charakteristik von Torus und Kreisring (Bilder oben) gleich Null, trotzdem hat man “Poincarés letzten Satz” (erster vollständiger Beweis 1925 von Birkhoff), welcher besagt: jede flächenerhaltende Abbildung des Kreisrings, welche seine Ränder in unterschiedliche Richtungen dreht, muss mindestens 2 Fixpunkte haben.
Oder umformuliert: wenn man den Torus aus 2 Kreisringen zusammensetzt, dann muß die entsprechende flächenerhaltende Selbstabbildung des Torus (welche die beiden Rand-Kreise des ursprünglichen Kreisrings in entgegengesetzte Richtung dreht) mindestens 4 Fixpunkte haben.
Nun ist 4 gerade die Summe der Betti-Zahlen (d.h. der Dimensionen der Homologiegruppen) des Torus und es stellt sich heraus, dass dies kein Zufall ist. Die obige Selbstabbildung des Torus ist nämlich ein Hamiltonscher Symplektomorphismus, entsteht also durch einen Hamiltonsche Fluß aus der Identitätsabbildung (Hamiltonsche Flüsse hatten wir letzte Woche besprochen) und die Arnold-Vermutung besagt, daß für solche Hamiltonschen Symplektomorphismen die Anzahl der Fixpunkte immer mindestens die Summe der Betti-Zahlen sein soll. (Die topologische Lefschetz-Theorie liefert ja als Mindest-Anzahl an Fixpunkten nur die Euler-Charakteristik, also die Wechselsumme der Betti-Zahlen mit alternierenden positiven und negativen Vorzeichen, und das ist natürlich kleiner als die Summe. Deshalb ist die mit der Arnold-Vermutung berechnete Abschätzumg klar besser.)
In TvF 217 hatten wir gesehen, wie man die Anzahl der kritischen Punkte einer Morsefunktion f:M—>R abschätzen kann. Man kann einen von den kritischen Punkten erzeugten Kettenkomplex bauen, dessen Homologie (die sogenannte Morse-Homologie) isomorph zur Homologie von M ist. Damit muss die Anzahl der kritischen Punkte (die Gesamt-Dimension des Kettenkomplexes) mindestens so gross sein wie die Gesamt-Dimension der Homologie, also wie Σbi(M).
Nun hat das Problem hier a priori erstmal nichs mit kritischen Punkten zu tun (allerdings kann man die periodischen Orbits eines Hamilton-Flußes als kritische Punkte des sogenannten symplektischen Wirkungsfunktionals bekommen), aber jedenfalls will man ja auch hier eine Ungleichung gegen die Summe der Betti-Zahlen beweisen und da ist es dann (jedenfalls im Nachhinein) ein naheliegender Ansatz einen Kettenkomplex zu bauen, der formal von den Fixpunkten von f erzeugt wird, dessen Homologie aber gerade die Homologie von M ist. (Weil die Dimension der Homologiegruppen offensichtlich kleiner als die Dimension des Kettenkomplexes ist, folgt daraus dann automatisch, dass es mindestens soviele Fixpunkte wie die Dimension der Homologiegruppen gibt.)
Diesen Ansatz verfolgt die sogenannte Floer-Homologie, von der es inzwischen viele (auch auf andee Probleme angepaßte) Variationen gibt. Die ursprüngliche Definition in Floers Arbeit betrachtete nicht die Fixpunkte des Hamiltonschen Symplektomorphismus f:M–>M sondern (was auf recht offensichtliche Weise dasselbe ist) die Schnittpunkte des Graphen von f mit dem Graphen der Identitätsabbildung. Diese beiden Graphen sind Untermannigfaltigkeiten von MxM. Wenn man MxM mit der symplektischen Form (ω,-ω) versieht, dann sind diese beiden Graphen sogenannte Lagrangesche Untermannifaltigkeiten, d.h. die Einschränkung der symplektischen Form auf den Tangentialraum der Graphen ist 0.
Floers Ansatz zur Abschätzung der Anzahl der Schnittpunkte zwischen zwei Lagrangeschen Untermannigfaltigkeiten ist nun wie folgt: Er betrachtet den von den Schnittpunkten erzeugten Kettenkomplex und definiert den Randoperator δ so, dass der Koeffizient von y in δx gerade die Anzahl der pseudoholomorphen Kurven S1xR—>MxM ist, die gegen x bzw. y konvergieren wenn die zweite Koordinate gegen + bzw. – unendlich geht.
Man muss dann natürlich beweisen, dass das alles wohldefiniert ist (also endliche Summen mit endlichen Koeffizienten ergibt, solange y einen um 1 geringeren Maslov-Index als x hat, und dass δ2=0 erfüllt ist) und vor allem, dass die mit diesem Komplex berechnete Homologie tatsächlich die übliche Homologie von M berechnet.
Das hatte Floer damals unter einigen einschränkenden Voraussetzungen bewiesen (und galt damit seinerzeit wohl als ein sicherer Anwärter auf die Fields-Medaille, was sein vorzeitiger Tod verhinderte). Mit enormem technischen Aufwand wurde dieses Resultat in den nächsten 10 Jahren immer weiter verbessert (d.h. die Voraussetzungen abgeschwächt), so dass man letztlich eine (letztlich von Fukaya-Ono, Liu-Tian, Hofer-Salamon bewiesene) schwache Version der Arnold-Vermutung hat.
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