Wir hatten im letzten Jahr häufig über den Elsevier-Boykott berichtet, bei dem es vor allem gegen die viel zu hohen Preise von Fachzeitschriften in kommerziellen Verlagen ging. (Zuletzt hier.) Inzwischen gibt es im mathematischen Publikationswesen neue Entwicklungen, über die man sicher geteilter Meinung sein kann: unter dem Namen “Forum of Mathematics” will sich eine mathematische “Open Access”-Zeitschrift mit renommierten Herausgebern etablieren. Es geht dabei nicht um Green Golden Access – der ja in der Mathematik durch das ArXiv schon weitgehend umgesetzt ist – sondern um “Gold Open Access”, also “Autor zahlt”. Statt preiswertere Alternativen für traditionelle Zeitschriften zu suchen (wie beim “Journal of Topology”, welches bedauerlicherweise von vielen Bibliotheken noch nicht zur Kenntnis genommen wird), will man jetzt also ganz auf die Finanzkraft der Autoren setzen: nach einer 3-jährigen Übergangszeit (in der der Verlag die Kosten übernimmt) sollen die Autoren in Zukunft 500 $ pro Artikel zahlen. Im Falle des “Forum of Mathematics” versprechen die Herausgeber, dass Autoren nur dann zahlen müssen, wenn ihre Institution oder eine drittmittelgebende Organisation die Kosten dafür übernimmt, andernfalls werde die Veröffentlichung für den Autor kostenlos sein. Hoffen wir, dass es dabei bleibt und dass andere Zeitschriften auch in diesem Punkt dem Beispiel folgen.
In experimentellen Naturwissenschaften, etwa der Medizin, wird jemand, der über keine nennenswerten Drittmittel verfügt, keine ernstzunehmende Forschung betreiben können. Insofern macht es dort keinen wirklichen Unterschied, ob man nun auch noch die Veröffentlichung an das Voehandensein entsprechender Mittel für die Publikationen bindet. Anders ist das in der Mathematik, wo bisher Forschung nicht notwendig an das Vorhandensein finanzieller Mittel gebunden war.
In der kommenden Ausgabe der Notices of the AMs findet der scheidende AMS-Präsident Eric Friedlander in einem Interview recht deutliche Worte für diese Problematik (meine Übersetzung):
Ein weiteres Thema, das während Ihrer Präsidentschaft aufkam, ist “Gold Open Access”. Können Sie beschreiben, was “Gold Open Access” ist und wie es die mathematische Community und die AMS betreffen könnte?
Das ist wirklich eine wichtige Sache, die die AMS erheblich betrifft. “Gold Open Access” bedeutet, dass der Autor die Kosten der Veröffentlichung übernimmt. “Open Access” bedeutet, dass die Arbeit nach der Veröffentlichung frei verfügbar ist, in der Regel über das Internet. Im gegenwärtigen Modell zahlen Bibliotheken hohe Beträge für Zeitschriftenabonnements und das ist es, wie Zeitschriften getragen werden. “Gold Open Access” stellt dies auf den Kopf und läßt den Autor die Kosten übernehmen.
Diese Bewegung hängt zusammen mit der Vorgabe des National Health Institute, dass aus Stipendien finanzierte Arbeiten kurz nach Veröffentlichung frei zugänglich gemacht werden sollen – nach 6 Monaten oder so. Obwohl die Einzelheiten unklar sind, scheinen Großbritannien und Deutschland beide darauf hinauszuwollen, dass man in “Gold Open Access”-Zeitschriften veröffentlichen sollte, wenn man Gelder aus öffentlichen Mitteln bekommen hat. Das ist wirklich dramatisch.
Damit zusammen hängt auch der Elsevier-Boykott, an dem viele angesehene Mathematiker beteiligt waren, darunter Timothy Gowers und Terence Tao. Die Unterstützer meinten, dass Elsevier zu viel Geld mache und sich schlecht verhalte, weshalb wir die Zusammenarbeit mit Elsevier vermeiden und andere Formen des Publizierens suchen sollten. Eine aktuelle Entwicklung ist die Gründung zweier neuer Zeitschriften bei Cambridge University Press, Sigma und Pi. Sie werden nur in elektronischer Form existieren und “Open Access” sein, und für die ersten 3 Jahre übernimmt CUP alle Kosten. Danach werden die Zeitschriften nach dem “Autor zahlt”-Modell arbeiten.
Dieses Modell ist extrem fragwürdig für die mathematische Community. Eine Hoffnung ist, dass Mathematiker Stipendien für die Kosten der Autoren, welche in der Größenordnung von 2000 $ pro Artikel liegen könnten, bekommen werden. Momentan haben fast alle Stipendien keine solche Kosten vorgesehen. Eine andere Hoffnung ist, dass Universitäten sagen werden: “Wir haben jetzt niedrigere Abonnementgebühren für Zeitschriften, also werden wir die eingesparten Gelder den einzelnen Fakultäten überlassen, die das Geld für die Bezahlung von Publikationskosten nutzen können.” Einige von uns, die beobachtet haben, wie Universitätsfinanzen funktionieren, bezweifeln, dass das passieren wird. Eine dritte Möglichkeit ist, dass Leute einfach aus der eigenen Tasche bezahlen werden. Wenn du einen Job willst, wenn du eine Festanstellung willst, wenn du befördert werden willst, wenn du Anerkennung willt, dann brauchst du Veröffentlichungen und du wirst dafür bezahlen. Es wäre extrem unglücklich, wenn man in der Lage sein müßte, seine Karriere zu finanzieren. Ich bekomme eine oder zwei Anzeigen pro Woche, die mich bitten, in einer “Open Access”-Zeitschrift zu veröffentlichen – die sprießen überall aus dem Boden und sie machen strikt Geld. Viele “vanity presses” versuchen den Publikationszwang der Wissenschaftler auszubeuten. Es gibt also reale Probleme mit dem “Autor zahlt”-Modell.
Die Mathematik ist in einer sehr misslichen Lage, weil wir eine kleine Wissenschaft sind. Viele von uns arbeiten alleine oder vielleicht mit ein oder zwei Leuten. Viele von uns arbeiten ohne Drittmittel. In Fächern wie Biologie oder Medizin sind die Stipendien umfangreich und haben Mittel für Publikationen. Das Traurige ist, dass Regierungen ihre Entscheidungen auf Grundlage der dominierenden Rolle der biologischen oder medizinischen Wissenschaften fällen. Dort ist das meiste Geld und die großen Zahlen. Die Mathematik wird wahrscheinlich mit den Entscheidungen der Regierungen über “Gold Open Access” mitzugehen haben, obwohl das, was das Beste für die Biologie ist, nicht notwendigerweise das Beste für die Mathematik ist. Es ist wirklich ein Dilemma für uns. Im Moment krabbeln wir, um uns so zu positionieren, dass wir befolgen können, was immer die Regierung beschließt. Die AMS hat starke Aussagen gemacht, dass wir die Entscheidung über die Annahme einer Arbeit nicht von der Fähigkeit des Autors zu zahlen abhängig machen würden.
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