Haben Physiker und Mathematiker die Lehrerbildung vernachlässigt?
Die Nachrichten aus der Chemie gehören nicht zu den Zeitschriften, die ich regelmäßig lese und so bin ich erst jetzt auf den Artikel von Metin Tolan aufmerksam geworden: “Das Lehren der Anderen” – mit ungewohnt deutlichen Aussagen, vordergründig zum umstrittenen “Karlsruher Physikkurs”, in Wirklichkeit aber eher um die Frage, ob sich Physiker und Mathematiker in den letzten 10 Jahren nicht zu wenig um die Lehrerbildung gekümmert hätten:
Letztlich ist dieser Streit [um den KPK] nur das Ergebnis eines Prozesses, bei dem auch wir Fachphysiker ein gehöriges Maß an Mitschuld haben, denn wir haben uns nicht gekümmert. Der Bereich Schule wurde zu den Didaktikern ,,abgeschoben”, und man hat sich auf seine vermeintlich viel spannendere Forschung konzentriert.
In der Physik findet nun nach dem KPK-Desaster ein großes Umdenken statt mit dem Ziel, die Didaktik wieder stärker an das Fach zu binden und sie auf ihre eigentliche Aufgabe auszurichten. Denn die Didaktik ist weder ein eigenständiges Fach noch eine eigenständige Wissenschaft, sondern gehört voll integriert in das Fach und in die Fachwissenschaft.
Und die anderen MINT-Fächer? In der Mathematik sehe ich ähnliche, gravierende Fehlentwicklungen. Dies wurde gerade jüngst in Nordrhein-Westfalen deutlich bei der Diskussion um den graphikfähigen Taschenrechner mit Computeralgebrasystem (CAS), der in der Schule eingeführt werden soll. Da eine Fertigkeit wie Integrale zu lösen ja nicht so wichtig sei, könne man dies auch durch einen Taschenrechner ersetzen, wurde mir selbst aus dem Bereich der Mathematikdidaktik gesagt. Naturwissenschaftler, Ingenieure und Fachmathematiker, also die eigentlichen Fachleute, sind aber sehr wohl der Meinung, dass das Integrale lösen essenziell ist. Sie wurden aber bei der bereits beschlossenen Einführung der Taschenrechner nicht einmal gefragt, sondern die Didaktiker haben dies eigenständig empfohlen. Dies ist nur ein Beispiel, an dem man sehen kann, dass auch die Mathematik auf keinem guten Weg ist.
Das ist natürlich starker Tobak, die Diskussion ist damit eröffnet!
PS: siehe auch Neue Runde im NRW-Edelrechnerstreit und DPG kritisiert Karlsruher Physikkurs. Um auch die Gegenseite noch zu Wort kommen zu lassen: in den “Regensburger Dialogen” ist ein 12-seitiger Artikel von Prof. Rincke erschienen, der allerdings auf die inhaltliche Kritik kaum eingeht, stattdessen sich im Allgemeinen verliert und in larmoyantem Tonfall die Kritiker persönlich angreift.
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