Im neuen SPIEGEL findet sich ein Interview mit Ursula von der Leyen: “Der Populismus ist unsere Chance”. Kurz vor Schluß kommt auch die Mathematik vor:

SPIEGEL: Al­les, was Sie bis­her ge­sagt ha­ben, ist ex­trem ra­tio­nal. Sie adres­sie­ren al­lein den Ver­stand. Die Po­pu­lis­ten set­zen wo­an­ders an: Ihre Me­tho­de ist emo­tio­nal. Wie wol­len Sie die Men­schen er­rei­chen, wenn Sie ihre Ge­füh­le nicht an­spre­chen?

Von der Ley­en: Bei mir ist nichts rein ra­tio­nal bei die­sem Ge­spräch. Da un­ter­stellt man dem Ar­gu­ment, es wäre nur Kopf und nicht Herz. Das ist doch kei­ne Ma­the­ma­tik, die ich hier hin­le­ge, son­dern mei­ne sub­jek­ti­ve Über­zeu­gung. Mich treibt die Fra­ge um, ob wir den Ar­ti­kel 1 des Grund­ge­set­zes wirk­lich le­ben wol­len. Denn das heißt, dass wir die Wür­de des Men­schen ach­ten, egal wie er liebt, wie er glaubt, wie er lebt und wo er her­kommt.

(Hervorhebung von mir.)

Ich finde manches im Interview durchaus lesens- und bedenkenswert, aber dieser Satz wirkt doch unfreiwillig komisch: Das ist doch keine Mathematik gefolgt von der Nummer eines Grundgesetzartikels (dessen Aussage dann immerhin noch nachgeschoben wird).

Kommentare (13)

  1. #1 Joseph Kuhn
    27. November 2016

    Die Spiegel-Frage ist allerdings auch bemerkenswert. Da wird unterstellt, dass “extrem rational” eigentlich unvernünftig ist, weil es nur den “Verstand adressiert” und, so verstehe ich das, die Gefühle erfahren nichts davon. Anderer Briefkasten. Weiter geht es dann damit, dass die Methode der Populisten “emotional” sei und wie von der Leyen die Leute erreichen wolle, ohne die “Gefühle anzusprechen”. Ob man die Gefühle wohl über die Zehennägel anspricht? Hätte sie mal lieber gesagt: Das ist doch keine Psychologie!

  2. #2 Robert
    27. November 2016

    Worüber sprechen wir hier?

  3. #3 rolak
    27. November 2016

    weil es nur den “Verstand adressiert”

    Das ist ja schon die Unterstellung, Joseph – als ob Irrationales nur irrational adressiert werden könnte. Da müßten sich ja gesammelte Berufsstände (Bsp) spontan in den garantiert untätigen Ruhestand begeben…
    Und generell ist das sowieso Blödsinn, Emotionen sind generell eher kurzfristige Affekte, also nach außen gerichtet. Was allerdings adressiert werden kann und durchwegs mit diesen typischen einfachen Lösungen von Populist*en auch wird, ist die Phantasie, die Möglichkeit zum Ausleben niederer Triebe in Aussicht stellend. Neid, Rachsucht, Selbstsucht, Habgier, Hochmut, .. ist ja keine besonders neue Listung, auf dem Gebiet forschen andere schon seit Jahrtausenden.

    Mathematik gefolgt von der Nummer

    War es nicht so, daß das Erfassen kleiner Zahlen im Hirn festverdrahtet ist (selbst die ScheibenweltTrolle beherrschen ‘eins, zwei, viele, mehr’), mithin keiner gelernten Mathematik bedarf?

  4. #4 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/11/26/konferenzherbst/
    28. November 2016

    @rolak:
    Eins, zwei, viele, mehr – festverdrahtet oder nicht – ist aber mathematisch. Man kann die Elemente vergleichen, in eine Reihenfolge bringen, eine Relation zwischen ihnen bilden.

  5. #5 schlappohr
    28. November 2016

    Wir leben in einer Zeit, wo Gänsehaut und groooohsse Emotionen ganz unheimlich wichtig sind. Sogar manche Autos sind ‘driven by instinct’, dass kann man täglich auf der Straße erleben. Da wird es nicht so gerne gesehen, wenn jemand daher kommt, zudem noch eine Frau, und sagt, man möge doch gefälligst mal seinen Schädelinhalt benutzen. Und das, obwohl dies die einzig sinnvolle Weise ist, der angesprochenen Zielgruppe zu begegnen. Ich fürchte jedenfalls, es ist nicht zielführend, mit emotional vollgeweinten Wattebällchen zurückzuwerfen. Die prallen am Kruppstahl ab und platschen auf den Boden.
    Interessanterweise hat ja mal ein großer Denker festgestellt (Kant?), dass sogar Liebe eine rein rationale Angelegeheit sein muss, denn wenn sie es nicht ist, wird sie eigensüchtig und verliert damit ihren eigentlich Sinn.

  6. #6 Dr. Webbaer
    28. November 2016

    Der Schreiber dieser Zeilen findet das von Ursula von der Leyen ‘bisher Gesagte’, auf das Spiegel-Interview bezogen, nicht rational (vs. ‘extrem rational’ – was bedeutet ‘extrem rational’?).

    Insofern folgt die Dame womöglich schlicht ihrer Gefühligkeit, wenn sie diesen Teilsatz – ‘Das ist doch keine Mathematik’ – beibringt.
    KA, was das soll, die Bestimmung des Anstrebenswerten ist eine sittliche-politische Aufgabe und hat nichts mit den Formalwissenschaften zu tun.

    MFG
    Dr. Webbaer (der diese Sache mit der Menschenwürde (vs. Menschenrechte) als bundesdeutsches Spezifikum zu betrachten hat – anderswo werden derartige Konzepte, wenn überhaupt, am Rande gepflegt, stets angezweifelt bleibend)

  7. #7 rolak
    28. November 2016

    ist aber mathematisch

    Mit Lesen hast Du es nicht so, uu, ne?

  8. #8 user unknown
    https://demystifikation.wordpress.com/2016/11/21/bildungsauftrag/
    29. November 2016

    @rolak
    Weil Du “gelernter Mathematik” geschrieben hast?

    Ja, das habe ich wohl übersprungen. Dafür will ich dann die Vermutung der festen Verdrahtung erschüttern. Womit soll da was fest verdrahtet sein? Das Hirn muss das Atmen nicht groß lernen. Aber m.W. muss schon Sehen gelernt werden, also doch auch die Unterscheidung von einem Apfel und mehreren Äpfeln. Oder das Hören eines Tons und dreier Töne. Oder eine Berührung vs. 2 Berührungen. Was da fest verdrahtet sein soll erschließt sich mir nicht.

  9. #9 Dr. Webbaer
    29. November 2016

    @ Herr Kuhn :

    […] Das ist doch keine Psychologie!

    Vely schlau angemerkt!

    Am Rande angefragt:
    Was soll dieser Einschub – ‘Bei mir ist nichts rein ra­tio­nal bei die­sem Ge­spräch.’ – bedeuten?
    Dass ihre ‘subjektive Überzeugung’ irrational / unvernünftig sei?

    MFG
    Dr. Webbaer

    PS:
    Und dann auch noch diese Idee Artikel des Grundgesetzes ‘wirklich leben zu wollen’, gaaa!

  10. #10 Chris
    30. November 2016

    Mir ist dan diesem Artikel nur aufgefallen, dass sie sagt, man hätte Fehler gemacht.
    Damit wars das auch bei mir.

    Was ist eigendlich in Korea los? Wieso wollen sie die Präsidentin weghaben? Liegt das wirklich nur an einem Skandal? Oder steckt da noch mehr dahinter? Denn immerhin muß sich schon ganz schön Erregung anstauen, wenn die Bevölkerung sich so sehr dagegen aufbegehrt!
    Kann das auch was mit dem Geschlecht zu tun haben? Ist auch in Korea die Frau im Ansehen gefallen?

  11. #11 Thilo
    30. November 2016

    Nein, in Korea geht es um massive Korruption. Die Spitze des Eisberges war jetzt, dass eine Freundin der Präsidentin zwei Stiftungen gegründet hatte und mehrere Großunternehmen in diese Stiftungen jeweils hohe Millionenbeträge einzahlen mußten. Die Stiftungen waren als Kultur- und Sportstiftungen deklariert, dienten aber offensichtlich dem Zweck, den Lebensunterhalt nach dem Ende der Zeit als Präsidentin zu finanzieren. Und die Unternehmen, die dort Millionen einzahlten, wußten das natürlich, fürchteten aber offensichtlich massive Nachteile, wenn sie nicht zahlen. Also so eine Art Schutzgelderpressung. Und das ist, wie gesagt, nur die Spitze des Eisbergs, es gibt viele andere Vorwürfe von Korruption vor allem im Sport- und Kulturbereich gegen das unmittelbare Umfeld der Präsidentin.

  12. #12 Joseph Kuhn
    30. November 2016

    @ Webbär:

    Auch nur am Rande: Frau v.d.Leyen fragt, ob wir Art. 1 GG leben wollen. Nicht, dass ich dagegen wäre, aber Art. 1 GG bestimmt, was “Verpflichtung aller staatlichen Gewalt” ist, er ist keine Vorschrift zur persönlichen Lebensführung.

  13. #13 Dr. Webbaer
    30. November 2016

    Tja, Herr Dr. Kuhn,
    Gesetze leben, Kriege gegen den Terror führen & ‘sub­jek­ti­ve Über­zeu­gung’ in einen Gegensatz zur Rationalität setzen zu wollen bleiben Kategorienfehler.
    Ihnen weiterhin viel Erfolg und falls sich nicht mehr getroffen wird schon einmal: einen guten Rutsch und so!
    MFG
    Dr. Webbaer