Kann man Polygone gleichen Flächeninhalts oder Polyeder gleichen Volumens durch Schneiden und Kleben ineinander überführen? Für 2-dimensionale Polygone ist das elementar genug, dass man es vielleicht sogar mit Schülern machen kann (und wird im Video unten vorgeführt) und das war schon früh im 19. Jahrhundert bekannt (Satz von Bolyai-Gerwien).
Carl Friedrich Gauß hatte seinerzeit bedauert, dass manche Sätze der Körpergeometrie (wie die Volumenformel für Pyramiden) von der Exhaustionsmethode abhängen, also in moderner Sprache von der Axiomatisierung der Stetigkeit. Der elementare Beweis der Scherenkongruenz flächengleicher Polygone warf die Frage auf, ob vielleicht auch ein elementarer Beweis für den Satz von Euklid – dass sich die Volumina von Pyramiden gleicher Höhe wie die Flächeninhalte ihrer Basisflächen verhalten – möglich ist. David Hilbert, der sich damals mit den Grundlagen der euklidischen Geometrie beschäftigte, glaubte das nicht und und so stellte er als eines seiner berühmten 23 Probleme auf dem Weltkongreß in Paris die Aufgabe, einen rigorosen Beweis für seine Unmöglichkeit (oder das Gegenteil) zu erbringen.
Das Problem wurde wenig später von Max Dehn gelöst, der bewies, dass man einen regelmäßigen Tetraeder nicht durch Schneiden und Kleben in einen Würfel gleichen Volumens verwandeln kann. Den Unterschied zwischen Dimension 2 und 3 machen die diedrischen Innenwinkel an den Kanten aus. Dehn definierte eine Invariante, die dann zusammen mit dem Volumen tatsächlich entscheidet, ob zwei Polyeder scherenkongruent sind. In heutiger Sprache schreibt man Dehns Invariante als , wobei l die Länge und alpha der diedrische Innenwinkel der Kante ist. (In Aigner-Ziegler: “Das Buch der Beweise” findet man eine elementare Definition, die das Tensorprodukt vermeidet, die ich persönlich aber eher komplizierter finde.) Diese Invariante ist 0 für den Würfel, aber ungleich 0 für den regelmäßigen Tetraeder.
Das alles wird anschaulich erklärt von Daniel Litt im neuen Numberphile-Video:
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