Die Funktionalanalysis entstand ursprünglich aus der Beschäftigung mit Integralgleichungen. Die dabei vorkommenden Integraloperatoren sind stetig, denn für lineare Operatoren sind Stetigkeit und Beschränktheit äquivalent. Die Theorie beschränkter Operatoren ist in vieler Hinsicht eine Verallgemeinerung der klassischen Matrizenrechnung (bzw. der linearen Algebra, die allerdings erst mit der Entwicklung der Funktionalanalysis ihre zentrale Stellung innerhalb der Mathematik erlangte.)
Viele mathematische Probleme, insbesondere auch Differentialgleichungen, lassen sich auf Integralgleichungen zurückführen. Trotzdem werden aber in der Analysis neben Integraloperatoren natürlich auch Differentialoperatoren benötigt, etwa für die funktionalanalytische Behandlung von Randwertproblemen gewöhnlicher oder elliptischer partieller Differentialgleichungen.
Auf Differentialoperatoren ließ sich die für Integraloperatoren auf L2 konzipierte Theorie beschränkter Operatoren auf dem Hilbertraum aber aus zwei Gründen nicht anwenden. Zum einen sind Differentialoperatoren in der Regel nur auf einem Teilraum von L2 überhaupt definiert: nicht jede Fourier-Reihe ist differenzierbar. Und zum anderen sind sie auch auf diesem Teilraum nicht stetig, sondern unbeschränkt.
Das einfachste Beispiel: der Ableitungsoperator d/dx ist nicht auf L2[0,1] definiert. Er ist definiert auf verschiedenen dichten Unterräumen, zum Beispiel auf dem dichten Unterraum C1[0,1], den er auf C0[0,1] abbildet. Weiter ist dieser Operator auf C1[0,1] unbeschränkt für die L2-Norm: die Fourierreihe wird auf
abgebildet, insbesondere wird die L2-Norm von einx mit n multipliziert. Dieser Operator ist nicht nur unstetig, er hat nicht einmal einen abgeschlossenen Graphen.
In den 20er Jahren hatte sich die Quantenmechanik schnell entwickelt. Physiker probierten nacheinander unendliche Matrizen (ohne Konvergenzbetrachtungen), Differentialoperatoren, Jordan-Algebren. Schließlich erkannten sie, dass Observablen analoge Eigenschaften wie symmetrische Operatoren im L2 haben und dass - eine kuriose Koinzidenz der Begriffe - das Spektrum symmetrischer Operatoren das richtige Konzept zur Erklärung des Spektrums von Atomen ist. Beispielsweise wird der Impuls durch ein Vielfaches des Differentialoperatoren i.d/dx beschrieben.
Johann Neumann von Margitta (wie der als Janós geborene spätere John von Neumann damals hieß) erkannte als erster die Notwendigkeit, zwischen symmetrischen und selbstadjungierten Operatoren zu unterscheiden. Viele Differentialoperatoren sind symmetrisch, aber nicht selbstadjungierten. Andererseits stellt sich heraus, dass der Spektralsatz nur für selbstadjungierte (und "infolge einer willkürlichen Einengung des Definitionsbereichs" nicht für beliebige symmetrische) Operatoren gilt. (Neumann nannte die selbstadjungierten Operatoren hypermaximal, der Name "selbstadjungiert" stammt von Marschall Stone, der die Theorie unabhängig und fast gleichzeitig entwickelte.) Beispielsweise ist i.d/dx zwar symmetrisch, wie man mit partieller Integration beweist, aber zunächst nicht selbstadjungiert: man muß den Definitionsbereich geschickt wählen, um einen selbstadjungierten Operator zu bekommen.
Der Unterschied zwischen symmetrischen und selbstadjungierten Operatoren ist eine Frage der Definitionsbereiche.
Für einen Operator T mit Definitionsbereich dom(T) definiert man durch die Gleichung den adjungierten Operator T* mit Definitionsbereich
. Ein solcher adjungierter Operator existiert immer, wenn T dicht definiert ist.
Ein dicht definierter Operator heißt selbstadjungiert, wenn T=T* ist, insbesondere muß T* dann denselben Definitionsbereich wie T haben. (Der Operator T* kann zwar auch wieder unbeschränkt sein, hat aber jedenfalls einen abgeschlossenen Graphen wenn T dicht definiert ist.)
Für einen symmetrischen Operator muß hingegen nur für alle x,y aus dom(T) gelten, hier wird also keine Aussage über den Definitionsbereich von T* gemacht. Man schreibt dann auch
. (Wenn T auf dem gesamten Hilbertraum stetig ist, folgt allerdings Stetigkeit und insbesondere impliziert Symmetrie dann Selbstadjungiertheit - das ist der Satz von Hellinger-Toeplitz. Diese Bedingung ist für die in der Quantenmechanik vorkommenden Operatoren aber in der Regel nicht erfüllt.)
Für beschränkte Operatoren sind die Begriffe symmetrischer Operator und selbstadjungierter Operator äquivalent. Bei unbeschränkten Operatoren impliziert zwar die Selbstadjungiertheit die Symmetrie, aber die Umkehrung gilt nicht. Ein Beispiel: auf mit den Dirichlet-Randbedingungen
wirkt der Differentialoperator
Dieser Operator ist symmetrisch, wie man mit partieller Integration beweist. Er ist aber nicht selbstadjungiert - der Definitionsbereich wurde zu stark eingeschränkt. Dagegen ist die Erweiterung auf diejenigen Funktionen, bei denen man nur „Periodizität“
fordert, auch selbstadjungiert.
Der eingeschränkte Operator besitzt ''gar keine'' Eigenfunktionen mehr, weil diese alle von der Form
sind, also die geforderte Bedingung
verletzen würden. Man benötigt also tatsächlich die Erweiterung des Operators und deren Selbstadjungiertheit, um eine Spektralzerlegung bekommen zu können. (In anderen Beispielen kommt es auch vor, dass symmetrische, nicht selbstadjungierte Operatoren nicht-reelle Eigenwerte haben.)
Neumann von Margitta ersetzte also die bisherigen Ansätze zur Quantenmechanik durch die Theorie von nicht auf ganz L2 definierten selbstadjungierten Operatoren. Er entwickelte dafür eine allgemeine Theorie von Hilberträumen und bewies insbesondere, dass der Raum l2 unter den abstrakten Hilberträumen durch die Separabilitätsbedingung (es gibt eine abzählbare, dicht liegende Menge) eindeutig bis auf Isomorphie charakterisiert ist.
Der Spektralsatz für unbeschränkte Operatoren verwendet Spektralmaße, die die als Spektralscharen bezeichneten Integrale aus Hilberts Spektralsatz für beschränkte Operatoren ersetzten. In Hilberts Theorie hatte man zu einem beschränkten Operator T eine Familie von Projektionsoperatoren, und der Spektralsatz gibt
. (Falls das Spektrum diskret ist, ist Eλ die Projektion auf die direkte Summe der Eigenräume zu Eigenwerten ≤ λ. Für beispielsweise den Multiplikationsoperator mit x hat man kontinuierliches Spektrum, weil die Dirac-Distributionen δ(x-x0) keine zulässigen Funktionen sind und demzufolge x0 kein Eigenwert ist. Trotzdem hat man in diesem Fall eine Spektralschar, wo Eλ Multiplikation mit der charakteristischen Funktion des Intervalls (-∞,λ] ist.) Neumann von Margitta ersetzte den Begriff der Spektralschar durch den Begriff des Spektralmaßes, einem Maß E auf R mit Werten in den Projektionsoperatoren. Im Fall beschränkter Operatoren erhält man die Spektralschar durch Eλ=E((-∞,λ]). Der allgemeine Spektralsatz für unbeschränkte Operatoren behauptet dann
für selbstadjungierte, dicht definierte Operatoren T.
Mit Hilfe der Transformation T--->UT:=(T-i1)(T+i1)-1 führte Neumann den Spektralsatz für (unbeschränkte) selbstadjungierte Operatoren auf den für beschränkte unitäre Operatoren zurück. (Diese Transformation geht auf Cayley zurück, man kann mit ihr die obere Halbebene auf den Einheitskreis abbilden. In der Matrizenrechnung bildet sie symmetrische Matrizen auf orthogonale Matrizen ab. Falls Eλ die Spektralschar für -UT ist, erhält man die Spektralschar für T als E2arctan(λ).)
Damit konnte er dann (in der 1928 eingereichten, 1930 in den Mathematische Annalen veröffentlichten Arbeit „Allgemeine Eigenwerttheorie Hermitescher Funktionaloperatoren“) den Spektralsatz für selbstadjungierte Operatoren beweisen, in zwei weiteren Arbeiten erweiterte er seine Resultate später noch auf normale Operatoren.
In den folgenden Jahren etablierte sich die Funktionalanalysis als selbstständige mathematische Disziplin, vor allem durch von Neumanns Buch "Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik" und Banachs "Theorie des opérations linéaires". Mit Matrizen arbeitete in der Quantenmechanik dann niemand mehr. Zwar kann man symmetrische Operatoren als unendliche Matrizen darstellen, doch Erweiterungen haben dieselbe Matrix und mit den dadurch entstehenden Pathologien mochte sich niemand herumschlagen.
Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:JohnvonNeumann-LosAlamos.gif
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