Die Maxwell-Gleichungen beschreiben die Phänomene des Elektromagnetismus, man formuliert sie elegant mit Hilfe der Operatoren div, grad, rot aus der Vektoranalyis. Beispielsweise beschreibt die Quellen des elektrischen Feldes und
die Wirbel des Magnetfeldes.
Die drei Operatoren der Vektoranalyis lassen sich mittels des folgenden kommutativen Diagramms alle als Spezialfälle des äußeren Differentials auf Differentialformen interpretieren, wobei # der mittels einer Riemannschen Metrik definierte Isomorphismus zwischen Vektoren und Kovektoren sowie * der Hodge-*-Operator ist:
Die Beziehung, dass ein divergenzfreies Vektorfeld eine Rotation und ein rotationsfreies Vektorfeld ein Gradient ist, ergibt sich dann unmittelbar aus dem Poincaré-Lemma im R3.
Differentialformen waren in der Mathematik seit dem Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder mal benutzt worden, etwa für die Beantwortung der Frage, wann ein Hyperebenfeld H einer n-dimensionalen Mannigfaltigkeit durch eine Blätterung integrierbar ist. Diese Frage hatte eine elegante Antwort, wenn man das Hyperebenenfeld in lokalen Koordinaten als Kern H=ker(α) einer 1-Form α beschreibt: H ist genau dann integrierbar, wenn α∧dα=0. (Dieser Satz wird Frobenius zugeschrieben, der aber meinte, er sei schon Jahrzehnte zuvor bekannt gewesen.) Das Hyperebenenfeld unten wird durch α=dz-xdy beschrieben und ist wegen α∧dα=dxdydz nicht integrierbar.
Élie Cartan hatte Differentialformen in seinem Buch über Integralinvarianten verwendet, ebenfalls nur in lokalen Koordinaten oder global für Lie-Gruppen. (Er hatte auch schon 1899 beobachtet, dass sich die klassischen Sätze von Green, Gauß und Stokes in Differentialformen formulieren lassen. Erst 1917 hatte Goursat erkannt, dass sie alle Spezialfälle der allgemeinen, 1889 von Volterra gefundenen, Version des Satzes von Stokes sind.) Zuvor hatte Poincaré schon beobachtet gehabt, dass Integration von “geschlossenen” Differentialformen ω (in späterer Notation denen mit dω=0) auf Homologiegruppen definiert werden kann, denn das Integral von ω über einen Rand ∂W ist das Integral von dω über das Innere W (das folgt in seiner heutigen Formulierung aus dem Satz von Stokes) und damit Null. Poincaré und zuvor schon Volterra hatten für sternförmige Gebiete bewiesen, dass geschlossene Differentialformen (dω=0) stets „exakt“ sind (von der Form ω=dα für eine Differentialform α). Beide hatten festgestellt, dass das auf der Sphäre nicht mehr zutrifft. Das war aber kein verbreitetes Wissen, es dauerte eine Weile, bis Mathematiker verstanden, dass lokale Integrierbarkeit von Differentialformen nicht die globale Integrierbarkeit gibt.
In einer Veröffentlichung in den Comptes Rendus hatte Cartan Vermutungen aufgestellt, die letztlich darauf hinausliefen, dass eine mittels Differentialformen definierte Kohomologietheorie dual zur Homologie mit reellen Koeffizienten sein sollte. Er hatte nämlich vermutet, dass eine geschlossene p-Form, deren Integral über alle p-Zykel verschwindet, exakt sein muß, und weiterhin dass für n unabhängige p-Zykel Zi und n reelle Zahlen ri eine geschlossene p-Form gibt, deren Integral über alle Zi jeweils gleich ri ist. Das bewies dann Georges deRham, damals Lehrer an einer Schule in Lausanne, in der in seiner Freizeit verfaßten (und an der Sorbonne 1931 bei Lebesgue und Cartan eingereichten) Dissertation “Sur l’analysis situs des variétés à n dimensions”.
Die komplexen algebraischen Geometer hatten Differentialformen als Integrale über Zykel betrachtet. Entsprechend bezeichneten sie 1-Formen als einfache Integrale und 2-Formen als Doppelintegrale. Die Werte der Integrale über die verschiedenen Homologieklassen von Zykeln Zi bezeichneten sie als die Perioden des Integrals. (Aus dem Satz von Stokes folgt wie gehabt, dass für eine geschlossene Form ω diese Werte
tatsächlich nur von den Homologieklassen der Zykel Zi abhängen.) Francesco Severi hatte vermutet, dass für eine von 0 verschiedene holomorphe n-Form auf einer komplex n-dimensionalen algebraischen Varietät ihre Perioden nicht alle 0 sein können. Mit dem Satz von deRham ist das äquivalent dazu, dass eine holomorphe n-Form nicht exakt sein soll.
Lefschetz hatte 1927 eine Arbeit geschrieben, in der er die Riemannschen Periodenrelationen und Integralungleichungen mit rein topologischen Methoden bewies. Für eine komplexe Kurve X vom Geschlecht g betrachtete er eine Basis ω1,…,ωg der holomorphen 1-Formen. Aus ωi∧ωj=0 folgen unmittelbar die klassischen Riemannschen Periodenrelationen. Und aus der Negativität von folgt eine klassische von Riemann bewiesene Ungleichung. In heutiger Sprache folgt aus
aber auch, dass die Kohomologieklasse [ω] nicht Null ist und also nicht alle Perioden 0 sein können – Severis Behauptung im Fall n=1. Das selbe Argument funktioniert auch für holomorphe 2-Formen auf algebraischen Flächen, und so bewies Hodge 1930 Severis Vermutung. Freilich konnte er das noch nicht in dieser einfachen kohomologischen Sprache formulieren. Lefschetz lehnte die Veröffentlichung von Hodges unverständlicher Arbeit zunächst ab und bekundete öffentlich, dass er sie für falsch halte. Immerhin lud er Hodge zu einem einjährigen Aufenthalt in Princeton ein, wo der ihn letztlich von der Richtigkeit überzeugen konnte. Nach den weiteren Entwicklungen der Topologie (insbesondere der de Rham-Kohomologie) gab Hodge dann selbst die viel einfachere kohomologische Formulierung des Beweises.
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