Die beiden grundlegenden Sätze der klassischen Funktionentheorie, der Produktsatz von Weierstraß und der Partialbruchsatz von Mittag-Leffler, lassen sich beide verstehen als eine Globalisierung von lokal leicht durchzuführenden Konstruktionen.
Beim Partialbruchsatz geht es um das Problem, eine meromorphe Funktion mit vorgegebenen Polstellen zu finden. Gibt es beispielsweise eine Funktion f, die in jeder natürlichen Zahl n eine Polstelle mit Residuum 1 hat, sich also in einer Umgebung von n als mit fn holomorph schreiben läßt? In diesem Beispiel kann man die Lösung konkret angeben durch die normal konvergente Reihe
. Allgemein besagt der Satz von Mittag-Leffler, dass man sich in einer diskreten, abgeschlossenen Teilmenge D von C die Hauptteile einer meromorphen Funktion vorgeben kann und dann eine auf der ganzen Ebene meromorphe Funktion findet, die außerhalb D holomorph ist und in D genau die vorgegebenen Hauptteile hat. Anders gesagt: wenn man eine offene Überdeckung und meromorphe Funktionen fi:Ui—->C hat, so dass auf den Durchschnittsmengen die Differenzen fi-fj jeweils holomorph sind, dann gibt es eine auf der ganzen Ebene definierte meromorphe Funktion f, so dass f-fi jeweils auf den Mengen Ui holomorph sind.
Ähnlich besagt der Weierstraßsche Produktsatz, dass man meromorphe Funktionen mit vorgegebenen Nullstellen finden kann, also zu einer Überdeckung und vorgegebenen Funktionen mit fi/fj jeweils holomorph auf Ui∩Uj findet man eine Funktion f, so dass jeweils f/fi auf Ui holomorph ist.
Die Frage, inwieweit diese beiden Lokal-Global-Prinzipien nicht nur auf der komplexen Ebene, sondern auch auf Riemannschen Flächen komplizierterer Topologie funktionieren, heißt (additives oder multiplikatives) Cousin-Problem. Poincarés Student Pierre Cousin hatte sie 1895 für Zylindergebiete gelöst. In den 1940er Jahren hatten Oka und Stein einige Spezialfälle bearbeitet, aber die allgemeine Frage blieb noch offen.
Bei einer Reihe von Differentialgleichungen, etwa den Maxwell-Gleichungen der Elektrodynamik, kann die Theorie der Differentialformen erklären, warum es lokale, aber in Abhängigkeit von der Topologie nicht immer globale Lösungen gibt. Poincaré und zuvor bereits Volterra hatten für sternförmige Gebiete bewiesen, dass geschlossene Differentialformen stets exakt sind. Beide hatten festgestellt, dass dieser Satz auf Sphären nicht mehr zutrifft. Beispielsweise hat man auf der S2 die Differentialform , die trotz der Bezeichnung dθ keine exakte Form sein kann: man berechnet
, andererseits wäre das Integral einer exakten Form über eine geschlossene Mannigfaltigkeit aber Null sein nach dem Satz von Stokes:
wegen
. Das war aber kein verbreitetes Wissen, es dauerte eine Weile, bis Mathematiker verstanden, dass lokale Integrierbarkeit von Differentialformen nicht die globale Integrierbarkeit gibt. 1931 bewies Georges de Rham dann eine Vermutung Élie Cartans, dass die Hindernisse für Integrierbarkeit topologischer Natur sind: der Quotientenraum Kern(d)/Bild(d) berechnet das Dual der Homologie mit reellen Koeffizienten – in heutiger Sprache die Kohomologie – der Mannigfaltigkeit.
Arbeiten mit Differentialformen ist in vieler Hinsicht einfacher als andere Ansätze zur Homologietheorie. Allerdings hat man diesen Ansatz nur für Mannigfaltigkeiten zur Verfügung.
Jean Leray hatte 1935 Élie Cartans Notizen über Differentialformen auf Lie-Gruppen redigiert und wiederholt geäußert, dass er die Kraft dieser Methoden gerne auf allgemeine topologische Räume übertragen würde. Darüber arbeitete er dann, als er im zweiten Weltkrieg fünf Jahre in einem Lager für gefangene Offiziere in der Nähe von Salzburg verbrachte. (Er wurde dort Rektor der Lageruniversität und hielt Vorlesungen über algebraische Topologie.)
So wie er mit Schauder den Abbildungsgrad axiomatisiert und damit verallgemeinert hatte, wollte Leray jetzt die Differentialformen axiomatisieren und dadurch verallgemeinern. In zwei 1946 in den Comptes Rendus veröffentlichten Artikeln führte er zunächst Garben und ihre Kohomologie und dann die nach ihm benannte Spektralsequenz ein.
Seine Definitionen zur Garbenkohomologie waren dabei noch nicht in ihrer späteren, endgültigen Form. Er ging von einem Kokettenkomplex über einem Ring A (in der Regel Z, Z/nZ oder Q) aus. Die Elemente des Kokettenkomplexes sollen einen Träger in einem festen topologischen Raum X haben. (Im Beispiel des Čech-Komplexes ist das der Durchschnitt der offenen Mengen, die einem Simplex im Nerv der Überdeckung entsprechen.) Zu einer abgeschlossenen Teilmenge F von X betrachtet er den Untermodul derjenigen Elemente, deren Träger F nicht schneidet. Der Quotient des Kokettenkomplexes nach diesem Untermodul ist per Definition der zu F assoziierte Kokettenkomplex C*(F). Damit bekommt man zu jeder abgeschlossenen Menge Kohomologiegruppen H*(F). Der Inklusion abgeschlossener Mengen entspricht eine Einschränkungsabbildung. Die lokale Integrierbarkeit von Integralformen (das Poincaré-Lemma) axiomatisiert er durch die Bedingung H*({p})=A. Die Kohomologie H*(X,A) soll dann der direkte Limes der Kohomologien dieser Kokettenkomplexe sein. (Es genügt, zur Berechnung nur eine unter Schnitten stabile Familie von Kettenkomplexen mit beliebig kleinen Trägern zu verwenden.)
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