Auf Martin Eichler geht das Bonmot zurück, Modulformen seien die fünfte Grundrechenart nach Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division.
Schon im 19. Jahrhundert wußte man um die Anwendungen von Modulformen in der Zahlentheorie. So sind die Anzahlen der ganzzahligen Lösungen einer quadratischen Gleichung Koeffizienten einer Modulform, der Beweis von Jacobis Vierquadratesatz folgt aus der Identität zweier Modulformen.
In den 1930er Jahren arbeitete Carl Ludwig Siegel an einer quantitativen Verschärfung der qualitativen Aussage im Lokal-Global-Prinzip, also einer Aussage über Lösungsanzahl statt nur Lösungsexistenz quadratischer Gleichungen, und betonte dabei den Zusammenhang zwischen quadratischen Formen und Modulfunktionen – dieser transzendente Weg entspräche der inneren Natur quadratischer Formen. (Andere Zahlentheoretiker schrieben seine analytischen Argumente mit algebraischen Methoden um.) Er entwickelte eine Theorie symplektischer Modulformen und konnte beispielsweise die Identität einer Eisensteinreihe mit einer gewichteten Summe von Thetafunktionen für den Beweis qualitativer Aussagen zu quadratischen Formen benutzen. Das zeigte auch die Nützlichkeit automorpher Formen zu anderen Gruppen als Untergruppen von SL(2,R), hier für Untergruppen von Sp(2n,R).
Gleichzeitig entwickelte Hecke die Theorie der später nach ihm benannten Hecke-Operatoren. Das sind miteinander kommutierende Operatoren Tm (auf Funktionen der oberen Halbebene), deren gemeinsame Eigenfunktionen gerade die Spitzenformen sind. Zu einer Spitzenform f definierte er ihre L-Reihe , wobei am der Eigenwert zu Tm ist. Die L-Funktionen der Modulformen haben zahlentheoretische Bedeutung, zum Beispiel entstehen die L-Reihen imaginärquadratischer Zahlkörper auf diese Weise. Mit Heckes Arbeit wurde die Theorie der Modulformen von der Funktionentheorie in die Zahlentheorie verschoben. Es dauerte aber noch, bis sie dort Anwendungen fand.
In den 40er Jahren arbeiteten Siegel und Maaß mit unterschiedlichen Methoden an der Konstruktion von Eigenfunktionen des Laplace-Operators auf der Modulkurve. Maaß‘ Konstruktion von Wellenformen lieferte eine Theorie „nicht-holomorpher Modulformen“.
1952 löste Kurt Heegner das Gaußsche Klassenzahlproblem mit Hilfe von Modulformen. Seine Arbeit fand aber zunächst keine Anerkennung, die Experten hielten sie für falsch.
In den 1950er Jahren arbeitete außerhalb Japans nur noch Eichler über Modulformen. Er bewies eine von Ramanujan vermutete Abschätzung der Koeffizienten im Spezialfall der Modulformen vom Gewicht 2 und auch einige andere Vermutungen. Für die die Hecke-Operatoren definierende Korrespondenz berechnete er die Schnittmultiplizität mit der Diagonalen auf zweierlei Weise und bekam damit insbesondere eine Spurformel, mit der man die Spur der Hecke-Operatoren auf dem Raum der Spitzenformen aus endlichen geometrischen Informationen ausrechnen konnte. Auf einer Tagung in Bombay, wo er darüber vorgetragen hatte, hatte Selberg einen analytischen Beweis derselben Spurformel vorgetragen. Selbergs Beweis war analytischer Natur und benutzte eine Spektralzerlegung. Dagegen war Eichlers Beweis mit den Fixpunktformeln der algebraischen Geometrie verwandt und das Resultat hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Lefschetzs Fixpunktsatz. Selbergs analytischer Ansatz hatte aber den Vorteil, sich auf andere Gruppen als SL(2,R) verallgemeinern zu lassen.
Während anderswo die analytische Zahlentheorie etwas aus der Mode gekommen waren, hatten sich in Japan Taniyama und andere jüngere Mathematiker mit dem Gebiet der Modulformen beschäftigt. Für eine über den ganzen Zahlen definierte elliptische Kurve E kann man die Anzahl an der Lösungen modulo n betrachten. Eichler hatte sich mit der elliptischen Kurve y2+y=x3-x2 beschäftigt und die erstaunliche Entdeckung gemacht, dass für Primzahlen p die Anzahl ap gerade der Koeffizient von qp in der Reihenentwicklung des unendlichen Produkts ist. Dieses Produkt ist eine Modulform. Taniyama fand einige weitere Modulformen, deren Koeffizienten zu einer elliptischen Kurve gehören. Auf einem Symposium in Tokio schlug er eine allgemeine Vermutung vor, die aber nicht korrekt war. Shimura gab eine korrigierte Formulierung und propagierte im weiteren die Vermutung über die Entsprechung zwischen elliptischen Kurven und Modulformen. Die meisten Mathematiker außerhalb Japans waren skeptisch. André Weil meinte, für die Vermutung spreche nicht viel mehr als dass elliptische Kurven und Modulformen jeweils abzählbare Mengen bildeten und so gesehen nichts gegen eine Bijektion zwischen beiden spreche.
Die Vermutung besagt, dass für die L-Reihe einer elliptischen Kurve – welche eine damals bereits etablierte Art ist, die ap in einer einzigen Funktion zu kodieren – mit der Heckeschen L-Reihe einer geeigneten Modulform übereinstimmt. (Genauer: einer geeigneten Spitzenform vom Gewicht 2 mit ganzzahligen Fourier-Koeffizienten.) Man kann sie auch komplex-analytisch formulieren: für jede elliptische Kurve E mit Führer N gibt es eine nichtkonstante holomorphe Abbildung X0(N)—>E. Dabei ist X0(N) die Kompaktifizierung (durch Hinzufügen der Spitzen) von Y0(N)=Γ0(N)\H2, dem Quotienten der hyperbolischen Ebene nach der Hecke-Kongruenzgruppe Γ0(N) (der Untergruppe von SL(2,Z) bestehend aus Matrizen mit durch N teilbarem Eintrag unten links).
Die umgekehrte Richtung, also jeder Spitzenform vom Gewicht 2 mit ganzzahligen Fourier-Koeffizienten eine elliptische Kurve zuzuordnen, war von Eichler und allgemein von Shimura gelöst worden. Man betrachtet die Kurve Y0(N)=Γ0(N)\H2, deren holomorphe 1-Formen über die Entsprechung f(z)dz <—> f gerade den Spitzenformen vom Gewicht 2 entsprechen. Die Jacobi-Varietät von Y0(N) ist definiert als der Quotient des Raums der holomorphen 1-Formen modulo dem Periodengitter, ihr Tangentialraum kann also mit dem Raum der holomorphen 1-Formen oder eben dem Raum der Spitzenformen vom Gewicht 2 identifiziert werden. Die Wirkung der Hecke-Operatoren auf den Spitzenformen läßt sich zu einer Wirkung auf der Jacobi-Varietät heben. Die Jacobi-Varietät ist eine abelsche Varietät, auf der also Multiplikation mit ganzen Zahlen definiert ist. Die gegebene Spitzenform ist Eigenform der Hecke-Operatoren und hat als (nach Annahme ganzzahlige) Fourier-Koeffizienten an die Eigenwerte der Hecke-Operatoren Tn. Die Untervarietät der Jacobi-Varietät, die im Kern aller Tp-ap.Id liegt, ist eine elliptische Kurve mit der richtigen L-Reihe.
Ein von Shimura als Anwendung von Eichlers Spurformel bewiesenes Resultat – die Eichler-Shimura-Kongruenzrelation – besagt, dass die den Hecke-Operator Tp definierende Kongruenz modulo p als Summe des Frobenius-Operators und seines Transponierten auf Jac(X0(N)) ausgedrückt werden kann. Damit kann die lokale L-Funktion von X0(N) in p über die Eigenwerte des Hecke-Operators ausgedrückt werden und damit bekommt man die Hasse-Weil-Zetafunktion von X0(N) als Produkt von L-Funktionen zu explizit bestimmten Modulformen vom Gewicht 2. (Das wurde später einer der Ausgangspunkte des Langlands-Programms, wo man den Zusammenhang von arithmetischen und analytischen L-Funktionen auf höherdimensionale Analoga von Modulkurven verallgemeinern will.)
SL(2,C) hat zu jedem k eine (k+1)-dimensionale Darstellung Vk auf dem Raum der homogenen Polynome vom Grad k in zwei Variablen X und Y. Einer Modulform f und zwei Matrizen g,h aus SL(2,C) kann man (für einen fest gewählten Punkt z0 aus der hyperbolischen Ebene) ein Element aus Vk-2 durch die Formel zuordnen. Bei festem f definiert das einen 1-Kozykel in der Darstellung Vk-2 von SL(2,C) oder einer Untergruppe. Für Untergruppen Γ von endlichem Index in SL(2,Z) bewies Shimura, dass die Abbildung
einen (nicht von z0 abhängenden) Isomorphismus
induziert. Für komplexe Koeffizienten hatte das zuvor Eichler bewiesen, aber der interessantere Eichler-Shimura-Isomorphismus mit reellen Koeffizienten folgt daraus noch nicht.
Zwar konnte man die Dimension des Raums der Modulformen oder Spitzenformen zuvor bereits mit dem Satz von Riemann-Roch berechnen, aber mit dem Eichler-Shimura-Isomorphismus hatte man – da sich die Gruppenhomologie von Γ0(N) als Homologie der Modulkurve Y0(N) mit Koeffizienten in einem Bündel berechnen läßt – eine geometrische Beschreibung von Modulformen, die sich auf Isometriegruppen anderer symmetrischer Räume verallgemeinern läßt.
Die Theorie der Modulformen ließ sich nun also interpretieren als Studium der Gruppenhomologie der Modulkurve oder ihrer Überlagerungen mit Koeffizienten in gewissen Darstellungen. Das gab einen Ansatz zur Verallgemeinerung von Modulformen, indem man die Kohomologie anderer arithmetischer Gruppen untersucht. In der Folge entwickelte Shimura die Theorie der später nach ihm benannten Shimura-Varietäten, gewisser Varietäten der Form Γ\X für ein symmetrisches Gebiet X und eine Kongruenzuntergruppe Γ, deren Kohomologie automorphe Formen liefert.
Bild: https://www.bookofproofs.org/history/goro-shimura/
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