Andere Topologen hatten zu dieser Zeit schon mit Methoden der Chirurgie gearbeitet. Aber niemand hatte geglaubt, dass man beispielsweise für die Henkelzerlegung einer Homotopiesphäre durch Henkelkürzen alle Henkel eliminieren könne. Dafür kannte man zu gut die Schwierigkeiten in Dimensionen 3 und 4. Smale hatte es versucht und war erfolgreich. Er hatte verstanden, dass die Schwierigkeiten ein niedrig-dimensionales Phänomen waren.
Aus dem h-Kobordismussatz folgt die Poincaré-Vermutung. Sei nämlich M eine einfach zusammenhängende Homologie-n-Sphäre, dann bekommt man durch Ausschneiden zweier n-Kugeln eine Mannigfaltigkeit W, die ein Kobordismus zwischen zwei (n-1)-Sphären ist. Aus π1M=0 folgt π1W=0, und aus H*M=H*Sn folgt H_*S^{n-1}=H*W und dass der Isomorphismus von der Inklusion induziert wird. Man hat also einen h-Kobordismus und erhält aus Smales Resultat, dass W diffeomorph zu Sn-1x[0,1] ist. Damit muß die ursprüngliche Mannigfaltigkeit M jedenfalls homöomorph (wenn auch nicht notwendig diffeomorph) zur Sn sein.
Auch zum Verständnis der verschiedenen Differentialstrukturen auf der Sphäre Sn leistete der h-Kobordismus-Satz einen wichtigen Beitrag. John Milnor, der 1956 achtundzwanzig verschiedene Differentialstrukturen auf der S7 und später beispielsweise mehr als sechzehn Millionen Differentialstrukturen auf der S31 gefunden hatte, hatte mit dem Ziel eines systematischen Zugangs die Gruppe der Homotopiesphären modulo h-Kobordismus – nach dem h-Kobordismussatz waren das genau die exotischen Sphären – mit der zusammenhängenden Summe als Verknüpfung definiert und mit Kervaire in zwei grundlegenden Arbeiten diese Gruppe (zunächst in Dimensionen 4n-1) mit “Chirurgie-Methoden” untersucht. Es stellte sich heraus, dass die Ordnung dieser Gruppe von der stabilen Homotopiegruppe der Sphären πs4n-1 abhängt: der Quotient dieser Gruppe der exotischen Sphären modulo Rändern parallelisierbarer Mannigfaltigkeiten stimmt mit dem Kokern des J-Homomorphismus in πs4n-1 überein oder ist eine Untergruppe vom Index 2. (Letzteres ist genau dann der Fall, wenn es in einer um Eins höheren Dimension Mannigfaltigkeiten mit Kervaire-Invariante 1 gibt.)
Ähnlich konnten Kervaire und Milnor diese Gruppe auch in anderen Dimensionen (bis auf Dimension 3, wo man aber aus einer älteren Arbeit von Moise wußte, dass es keine exotischen Differentialstrukturen gibt) bestimmen. Auch in Dimension 4 konnten sie diese Gruppe der Homotopiesphären modulo h-Kobordismus berechnen, sie ist dort trivial. Weil aber in Dimension 4 der h-Kobordismussatz nicht gilt, konnte man trotz der Trivialität der Gruppe noch nicht auf die Nichtexistenz exotischer Sphären schließen – diese Frage ist bis heute offen.
Smale erzählte später, dass er die Arbeit an seinem Beweis des h-Kobordismussatzes und damit der höher-dimensionalen Poincaré-Vermutung an den Stränden von Rio geleistet habe, wo er die Morgen mit Papier und Stift verbracht hätte. Unabhängige Beweise fanden dann Stallings und in Dimensionen mindestens 7 (statt 5) auch Zeeman, und Smale mußte noch einen Fehler korrigieren. Milnor schrieb später ein (von seinem Studenten Lawrence Siebenmann aufgeschriebenes) Buch über den Beweis, in dem auch alle differentialtopologischen Grundlagen ausführlich dargestellt wurden. Zusammen mit der (unabhängig voneinander) von Mazur und Brown bewiesenen höherdimensionalen Version des Satzes von Schoenflies war die Topologie höher-dimensionaler differenzierbarer Mannigfaltigkeiten damit zu einem gewissen Abschluß gebracht.
Bild: https://www.ias.edu/scholars/stephen-smale
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