Die Klassifikation der Flächen ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt, auch wenn ein vollständiger Beweis erst Radó 1925 (aufbauend auf Dehn und Heegaard) gelang.
Darüber hinaus war bis in die 50er Jahre zur Klassifikation der Mannigfaltigkeiten kaum etwas bekannt. In Dimension 3 waren in den 30er Jahren die Seifert-Faserungen klassifiziert worden und für Haken-Mannigfaltigkeiten konnte man mittels Hakens Algorithmus (veröffentlicht 1962) zumindest theoretisch entscheiden, wann sie homöomorph sind. Die Klassifikation allgemeiner 3-Mannigfaltigkeiten war aber weit offen und insbesondere waren alle Versuche zum Beweis der Poincaré-Vermutung gescheitert. Papakyriakopoulos arbeitete über Jahrzehnte erfolglos an einem Beweis der Poincaré-Vermutung, bewies aber jedenfalls in den 50er Jahren das Lemma von Dehn und den Sphärensatz.
In höheren Dimensionen war über die Klassifikation von Mannigfaltigkeiten eigentlich nichts bekannt. Milnors 1956 gefundene Beispiele exotischer 7-Sphären zeigten jedenfalls, dass die Poincaré-Vermutung für einfach zusammenhängende Homologiesphären in höheren Dimensionen bestenfalls einen Homöomorphismus und im Allgemeinen keinen Diffeomorphismus zur Sphäre geben konnte.
Stephen Smale, der in seiner Dissertation eine überraschende Umstülpung der Sphäre gefunden und diese mit seinem Studenten Morris Hirsch zu einer allgemeinen Theorie regulärer Homotopieklassen von Immersionen ausgebaut hatte, war seit 1960 am IMPA in Rio de Janeiro und beschäftigte sich dort mit dynamischen Systemen, betrachtete sich aber weiterhin als Topologen. Bei der Untersuchung gewisser Gradientenflüße erkannte er die Möglichkeiten, die sich für die Topologie ergaben. Im Nachhinein war es wohl ein Vorteil, dass er nicht viel über die topologischen Probleme bei Henkelzerlegungen wußte. John Stallings, der problematische Präsentierungen der trivialen Gruppe kannte, hatte diese Ideen wohl deshalb nicht verfolgt.
Smales Idee war, die Poincaré-Vermutung in höheren Dimensionen mittels Morse-Theorie zu beweisen. Diese Theorie betrachtet auf einer Mannigfaltigkeit eine Funktion mit nicht-ausgearteten kritischen Punkten, und Smale konstruierte mit Hilfe ihres Gradientenflusses eine Henkelzerlegung der Mannigfaltigkeit: jeder kritische Punkt vom Index k entspricht – wie er bewies – einem k-Henkel in der Zerlegung. (Damit bekommt man einen einfachen Beweis der Klassifikation der Flächen und in Dimension 3 die Heegaard-Zerlegung einer geschlossenen 3-Mannigfaltigkeit in zwei Henkelkörper.)
Der Ansatz ist dann, durch Eliminieren von Henkeln eine möglichst einfache Henkelzerlegung zu bekommen. (Wenn man beispielsweise am Ende nur zwei Vollkugeln entlang ihres Randes verklebt, ist die Mannigfaltigkeit homöomorph zur Sphäre.) Diesen Ansatz wandte Smale insbesondere auf h-Kobordismen zwischen Mannigfaltigkeiten an. Ein h-Kobordismus ist ein Kobordismus W zwischen einfach zusammenhängenden Mannigfaltigkeiten M1 und M2, bei dem die Inklusionen von M1 und M2 in W jeweils Homotopieäquivalenzen sind. Milnor hatte die Frage gestellt, ob jeder h-Kobordismus von der Form W=Mx[0,1] ist. (Er hatte auch gezeigt, dass dies im Allgemeinen nur für einfach zusammenhängende Mannigfaltigkeiten richtig sein kann. Im Fall nichttrivialer Fundamentalgruppe werden die verschiedenen h-Kobordismen durch die Whitehead-Gruppe von π1M klassifiziert.)
Smale betrachtete die durch Morse-Theorie konstruierte Henkelzerlegung des h-Kobordismus W und versuchte dann die Anzahl der Henkel zu reduzieren. Die 0-, 1-, n-1- und n-Henkel betrachtete er zunächst gesondert und zeigte, dass sie im einfach zusammenhängenden Fall eliminiert werden können. Wenn die Dimension der Mannigfaltigkeit mindestens 5 ist, kann man für die Eliminierung der anderen Henkel einen Trick anwenden, den Whitney ursprünglich erfunden hatte, um Selbstschnitte von Immersionen zu eliminieren und damit seinen Einbettungssatz zu beweisen. Durch Anwendung des Whitney-Tricks konnte Smale für zwei Henkel h1,h2 erreichen, dass die geometrische Schnittzahl (die Anzahl der Schnittpunkte) der aufsteigenden (transversalen) Sphäre von h1 mit der absteigenden (anklebenden) Späre von h2 gleich der (homologisch definierten) algebraischen Schnittzahl ist. Wenn die algebraische Schnittzahl gleich 1 ist, dann erhielt er also dass die Sphären sich in nur einem Punkt schneiden. Dann kann man aber wie im Bild unten h1 und h2 auch weglassen ohne den topologischen Typ der Mannigfaltigkeit zu ändern. (Der Beweis dieser Tatsache ist trotz einfacher Bilder sehr technisch.) Auf diese Weise konnte er letztlich alle Henkel kürzen und erhielt also einen trivialen Kobordismus.
Natürlich funktioniert das nur für h-Kobordismen: wegen des Verschwindens der relativen Homologie kann man dort mit algebraischen Argumenten Henkel schieben und sich kürzende Henkel addieren, so dass alle Randoperatoren aus einer Blockmatrix I und einer Blockmatrix 0 bestehen, die algebraischen Schnittzahlen also 1 sind. Das geht, weil die Kettenkomplexe frei sind und weil das Henkelschieben elementaren Reihen- oder Spaltenoperationen entspricht, während ein zusätzliches Henkelpaar eine Extra-Spalte und Zeile mit nur einer 1 in der Ecke entspricht. (Eine -1 kann man durch die Orientierung der Henkel vermeiden.)
Andere Topologen hatten zu dieser Zeit schon mit Methoden der Chirurgie gearbeitet. Aber niemand hatte geglaubt, dass man beispielsweise für die Henkelzerlegung einer Homotopiesphäre durch Henkelkürzen alle Henkel eliminieren könne. Dafür kannte man zu gut die Schwierigkeiten in Dimensionen 3 und 4. Smale hatte es versucht und war erfolgreich. Er hatte verstanden, dass die Schwierigkeiten ein niedrig-dimensionales Phänomen waren.
Aus dem h-Kobordismussatz folgt die Poincaré-Vermutung. Sei nämlich M eine einfach zusammenhängende Homologie-n-Sphäre, dann bekommt man durch Ausschneiden zweier n-Kugeln eine Mannigfaltigkeit W, die ein Kobordismus zwischen zwei (n-1)-Sphären ist. Aus π1M=0 folgt π1W=0, und aus H*M=H*Sn folgt H_*S^{n-1}=H*W und dass der Isomorphismus von der Inklusion induziert wird. Man hat also einen h-Kobordismus und erhält aus Smales Resultat, dass W diffeomorph zu Sn-1x[0,1] ist. Damit muß die ursprüngliche Mannigfaltigkeit M jedenfalls homöomorph (wenn auch nicht notwendig diffeomorph) zur Sn sein.
Auch zum Verständnis der verschiedenen Differentialstrukturen auf der Sphäre Sn leistete der h-Kobordismus-Satz einen wichtigen Beitrag. John Milnor, der 1956 achtundzwanzig verschiedene Differentialstrukturen auf der S7 und später beispielsweise mehr als sechzehn Millionen Differentialstrukturen auf der S31 gefunden hatte, hatte mit dem Ziel eines systematischen Zugangs die Gruppe der Homotopiesphären modulo h-Kobordismus – nach dem h-Kobordismussatz waren das genau die exotischen Sphären – mit der zusammenhängenden Summe als Verknüpfung definiert und mit Kervaire in zwei grundlegenden Arbeiten diese Gruppe (zunächst in Dimensionen 4n-1) mit “Chirurgie-Methoden” untersucht. Es stellte sich heraus, dass die Ordnung dieser Gruppe von der stabilen Homotopiegruppe der Sphären πs4n-1 abhängt: der Quotient dieser Gruppe der exotischen Sphären modulo Rändern parallelisierbarer Mannigfaltigkeiten stimmt mit dem Kokern des J-Homomorphismus in πs4n-1 überein oder ist eine Untergruppe vom Index 2. (Letzteres ist genau dann der Fall, wenn es in einer um Eins höheren Dimension Mannigfaltigkeiten mit Kervaire-Invariante 1 gibt.)
Ähnlich konnten Kervaire und Milnor diese Gruppe auch in anderen Dimensionen (bis auf Dimension 3, wo man aber aus einer älteren Arbeit von Moise wußte, dass es keine exotischen Differentialstrukturen gibt) bestimmen. Auch in Dimension 4 konnten sie diese Gruppe der Homotopiesphären modulo h-Kobordismus berechnen, sie ist dort trivial. Weil aber in Dimension 4 der h-Kobordismussatz nicht gilt, konnte man trotz der Trivialität der Gruppe noch nicht auf die Nichtexistenz exotischer Sphären schließen – diese Frage ist bis heute offen.
Smale erzählte später, dass er die Arbeit an seinem Beweis des h-Kobordismussatzes und damit der höher-dimensionalen Poincaré-Vermutung an den Stränden von Rio geleistet habe, wo er die Morgen mit Papier und Stift verbracht hätte. Unabhängige Beweise fanden dann Stallings und in Dimensionen mindestens 7 (statt 5) auch Zeeman, und Smale mußte noch einen Fehler korrigieren. Milnor schrieb später ein (von seinem Studenten Lawrence Siebenmann aufgeschriebenes) Buch über den Beweis, in dem auch alle differentialtopologischen Grundlagen ausführlich dargestellt wurden. Zusammen mit der (unabhängig voneinander) von Mazur und Brown bewiesenen höherdimensionalen Version des Satzes von Schoenflies war die Topologie höher-dimensionaler differenzierbarer Mannigfaltigkeiten damit zu einem gewissen Abschluß gebracht.
Bild: https://www.ias.edu/scholars/stephen-smale
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