Als Klassenzahlproblem bezeichnet man die Frage nach der Bestimmung aller negativen ganzen Zahlen D, für die der imaginär-quadratische Zahlkörper K=Q(√D) eine gegebene Klassenzahl hat. Insbesondere kann man diese Frage für Klassenzahl 1 stellen. Man sucht dann also alle K=Q(√D), für die der Ganzheitsring OK ein Hauptidealring ist. Gauß hatte vermutet, dass dies nur für die neun Werte D=-1,-2,-3,-7,-11,-19,-43,-67 und -163 der Fall ist. (Die Klassenzahl 1 für Q(√163) ist aus heutiger Sicht der tiefere Grund für Eulers Beobachtung, dass die Formel x2-x+41 für x=1,2,…,40 jeweils eine Primzahl liefert.)
Bewiesen wurde die Vollständigkeit von Gauß‘ Liste 1952 von dem Berliner Privatgelehrten Kurt Heegner. Weil der Beweis schwer verständlich war, einige kleinere Fehler enthielt und von einem akademischen Außenseiter stammte, wurde er lange nicht anerkannt. Erst als Harold Stark fünfzehn Jahre später einen ähnlichen Beweis fand, der zu Heegners äquivalent war, wurde auch Heegner noch zwei Jahre nach seinem Tod Anerkennung zuteil. Kurz vor Stark hatte Alan Baker bereits einen anderen Beweis gefunden und Baker und Stark lösten dann auch unabhängig voneinander das Klassenzahlproblem für Zahlkörper mit Klassenzahl 2.
In einer 1976 in Ann. Sci. Norm. Sup. Pisa veröffentlichten Arbeit hatte Dorian Goldfield (für hinreichend kleine ε) unter der Annahme einer oberen Schranke eine Nullstelle der Dirichletschen L-Reihe L(s,χ) (für einen primitiven Restklassencharakter modulo D) gefunden mit gewissen Eigenschaften, die insbesondere der verallgemeinerten Riemann-Vermutung für solche L-Reihen widerspräche. Damit konnte er zeigen, dass man für die L-Reihe L(E,s) einer elliptischen Kurve
aus
eine untere Schranke für h(D) herleiten kann. Somit hatte er die effektive Lösung des Klassenzahlproblems darauf zurückgeführt, dass man eine elliptische Kurve E vom Rang g=3 finden muss, für die L(E,s)~(s-1)2, also die Ableitung L‘(E,1)=0 ist. (In Goldfields Formulierung mußte man voraussetzen, dass es sich bei E um eine Kurve mit komplexer Multiplikation handelt, das wurde obsolet mit der später bewiesenen Modularität elliptischer Kurven.)
Die L-Funktion L(E,s) einer elliptischen Kurve E kodiert die Anzahlen ap ihrer Punkte modulo Primzahlen p. Sie ist definiert als , wobei das Produkt über alle Primzahlen genommen wird, die die Diskriminante nicht teilen. Mit der Zeta-Funktion Z(E,s) hängt sie über die Gleichung
zusammen. (Die Zeta-Funktion wird für die Formulierung der Weil-Vermutungen benötigt, die im Fall elliptischer Kurven von Helmut Hasse bewiesen wurden.)
In der Anfangszeit der Computer hatten Birch und Swinnerton-Dyer durch (auf theoretischen Überlegungen aufbauende) umfangreiche numerische Experimente eine Vermutung über die asymptotische Anzahl ap für große Primzahlen p aufgestellt. Diese Vermutung ließ sich so formulieren, dass die Ordnung der Nullstelle von L(E,s) in s=1 gleich dem Rang g der elliptischen Kurve sein sollte. Aus dieser BSD-Vermutung (Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer) würden weitere zahlentheoretische Vermutungen folgen.
Für g=0 besagt die BSD-Vermutung, dass eine elliptische Kurve mit L(E,1)≠0 nur endlich viele Punkte haben kann, was dann in verschiedenen Spezialfällen bewiesen wurde. Gross und Zagier bewiesen 1983 (für elliptische Kurven, die modular sind) die schwierigere Umkehrung: wenn L(E,1)=0, dann gibt es einen Punkt unendlicher Ordnung.
Für Kurven vom Rang g>1 gab es aber weiterhin nur numerische Evidenz für die Richtigkeit der BSD-Vermutung. Insbesondere hatte man bis dahin keine elliptische Kurve vom Rang 3, auf die man Goldfelds Resultat anwenden und somit das Klassenzahlproblem lösen könnte.
In ihrer 1986 in Inventiones Mathematicae veröffentlichten Arbeit “Heegner points and derivatives of L-series“ bewiesen Gross und Zagier die Gleichheit von L’(E,1) mit einer gewissen Höhenfunktion für sogenannte Heegner-Punkte auf elliptischen Kurven. Dies kann in zwei Richtungen ausgenutzt werden: ist der rationale Punkt ein Torsionspunkt (leicht), dann ist L'(E,1)=0 (schwer), und ist L'(E,1)≠0 (leicht), so hat man einen Punkt unendlicher Ordnung (schwer). Damit zeigte sie dann für die L-Funktion der elliptischen Kurve , dass s=1 eine Nullstelle der Ordnung 3 ist, womit sie Goldfields Resultat anwenden und die Ungleichung
(für beliebiges ε und eine von ε abhängende, effektiv berechenbare Konstante c) beweisen konnten. Zusammen mit Goldfields Resultat gibt das eine effektive Lösung des Klassenzahlproblems.
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