Das einfachste Beispiel für die Raghunathan-Vermutung ist G=PSL(2,R), was mit dem Einheitstangentialbündel der hyperbolischen Ebene H2 identifiziert werden kann. Für ein Gitter Γ kann dann G/Γ mit dem Einheitstangentialbündel der hyperbolischen Fläche H2/Γ identifiziert werden. Der geodätische Fluss gs auf dem Einheitstangentialbündel entspricht der Linksmultiplikation mit Diagonalmatrizen (und er ist nicht unipotent), der horozyklische Fluss ht auf dem Einheitstangentialbündel entspricht der Linkmultiplikation mit Dreiecksmatrizen (mit Einsen auf der Diagonale) und er ist unipotent, fällt also (im Gegensatz zum geodätischen Fluss) unter die Voraussetzungen der Raghunathan-Vermutung.
Der geodätische Fluss einer hyperbolischen Fläche ist ein klassisches Beispiel für (chaotische) hyperbolische Dynamik, die Tangentialbündel der Horosphären bilden stabile und instabile Mannigfaltigkeiten,
1970 hatte Ornstein das überraschende Resultat bewiesen, dass Shift-Abbildungen bezüglich ihres stochastischen Verhaltens äquivalent sind, sobald ihre Entropie übereinstimmt. Das läßt sich auf halbeinfache Wirkungen (wie den geodätischen Fluss) anwenden, die wegen der extremen Zufälligkeit durch die exponentielle Instabilität der Orbiten dann also isomorph sind, wofür die algebraische Natur des Flußes keine Rolle spielt. Dagegen sind unipotente Wirkungen (wie der horozyklische Fluss) zwar zufällig und chaotisch, man hat aber trotzdem eine auf der algebraischen Struktur beruhende Starrheit.
Die Ergodentheorie hatte in den 70er und 80er Jahren große Fortschritte gemacht. Der 1965 bewiesene multiplikative Ergodensatz von Oseledec hatte zahlreiche Erweiterungen im Kontext topologischer Gruppen erfahren. Für das invariante SRB-Maß in der Theorie der Axiom A-Attraktoren bewiesen Ledrappier und Young, dass es durch eine von Pesin untersuchte Entropieformel charakterisiert wird. Pugh und Shub bewiesen, dass dieses Maß mit dem Zeitmittel übereinstimmt, wenn die charakteristischen Exponenten nicht Null sind. In der Theorie dynamischer Systeme war neben der homogenen Dynamik die Untersuchung aller möglichen Abschwächungen des Hyperbolizitätsbegriffs das Thema, mit dem sich viele Mathematiker beschäftigten. Allein in Moskau gab es zahlreiche große Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Aspekten der Ergodentheorie. Daneben gab es überraschend neue Entwicklungen zur Frage struktureller Stabilität. 1970 hatte Joel Robbin bewiesen, dass Axiom A und starke Transversalität strukturelle Stabilität gibt – zumindest für C2-Diffeomorphismen. Der Beweis für C1-Diffeomorphismen wurde 1988 von Ricardo Mañé gefunden.
Die Ergodizität des geodätischen und des horozyklischen Flusses auf hyperbolischen Flächen war in den 30er Jahren von Eberhard Hopf und Gustav Hedlund bewiesen worden. (Für die Modulkurve H2/SL(2,Z) hatte schon Emil Artin die Ergodizität des geodätischen Flusses bewiesen.) Während der geodätische Fluss viele (den geschlossenen Geodäten auf der hyperbolischen Fläche entsprechende) geschlossene Orbiten hat, bewies Hedlund für den horozyklischen Fluss auf geschlossenen hyperbolischen Flächen die Minimalität, also die Nichtexistenz invarianter abgeschlossener Untermengen, d.h. Dichtheit der Orbiten. Furstenberg verbesserte das fast 40 Jahre später zu eindeutiger Ergodizität, d.h. dass es nur ein eindeutiges invariantes Maß auf G/Γ gibt, nämlich das Haar-Maß von G. Das war eine stärkere maßtheoretische Formulierung der Minimalität: eine abgeschlossene invariante Untermenge würde insbesondere ein anderes invariantes Maß geben. Furstenbergs Beweis benutzte Methoden der harmonischen Analysis und die Dualität zwischen dem horozyklischen Fluss auf PSL(2,R)/Γ und der Wirkung von Γ auf (R2-0)/{Id,-Id}, die von der Wirkung von SL(2,R) auf R2 induziert wird.
Für nichtkompakte Flächen endlichen Volumens ist der horozyklische Fluss nicht eindeutig ergodisch, weil es geschlossene Kurven um die Spitzen gibt. Dani bewies aber 1978, dass es neben den Haar-Maßen dieser geschlossenen Kurven und dem Haar-Maß von G=SL(2,R) keine weiteren invariante Maße gibt. (Schon Hedlund hatte gezeigt, dass jeder Orbit periodisch oder dicht ist.)
Raghunathans Vermutung ließ sich als maßtheoretisch formulierte Vermutung so modifizieren, dass die invarianten Maße für die Wirkung einer unipotenten Untergruppe U auf G/Γ algebraisch sein sollen, d.h. den Haar-Maßen einer Untergruppe von G entsprechen. (Diese Formulierung fand sich in Arbeiten von Dani und Margulis. Im Fall G=SL(2,R) folgt diese Maßstarrheit aus den Arbeiten von Furstenberg und Dani.) Der für die Oppenheim-Vermutung benötigte Spezialfall G=SL(3,R), Γ=SL(3,Z) wurde 1986 von Grigori Margulis bewiesen. Die allgemeine maßtheoretische Version der Raghunathan-Vermutung wurde schließlich in einer Serie von vier Arbeiten von Marina Ratner bewiesen. In einer weiteren Arbeit bewies sie, dass Raghunathans ursprüngliche Vermutung aus der maßtheoretischen Version folgt. Insbesondere bewies sie die Vermutung auch im für Anwendungen wichtigen Fall, dass die Gruppe U nicht unipotent, sondern nur von unipotenten Elementen erzeugt ist. Auch verschiedene Fälle, wo Γ kein Gitter ist, sondern G/Γ unendliches Volumen hat, konnten von ihr behandelt werden.
Kommentare (1)