Die ursprüngliche (physikalische) Motivation der Spiegelsymmetrie waren sogenannte Yukawa-Paarungen auf den Kohomologiegruppen H2,1(W) und H1,1(W) einer Calabi-Yau-3-Faltigkeit W. (Yukawa-Paarungen sind Formen auf der Kohomologie einer Calabi-Yau-3-Faltigkeit, die in der Physik als Korrelationsfunktion eines Modells der konformen Feldtheorie vorkommen.) Während man die Yukawa-Paarung auf H2,1(W) mathematisch über die Deformationen der komplexen Struktur definieren kann, läßt sich die Yukawa-Paarung auf H1,1(W) zunächst nicht mit den Methoden der klassischen algebraischen Geometrie definieren. Die Spiegelsymmetrie war nun der Trick der Physiker, mit dem sie die mysteriöse Yukawa-Paarung auf H1,1(W) über die Deformationen der komplexen Struktur auf der Spiegelmannigfaltigkeit W’ definierten.
Es gab noch andere Gründe, an eine Dualität zwischen komplexen und symplektischen Mannigfaltigkeiten zu glauben. So wußte man aus einem relativ elementaren analytischen Lemma Mosers, dass die Deformationen symplektischer Strukturen der zweiten Kohomologie entsprechen. Andererseits entsprachen nach der Theorie von Kodaira und Spencer die Deformationen komplexer Strukturen der ersten Kohomologie mit Koeffizienten in der Garbe holomorpher Vektorfelder. Die beiden Kohomologiegruppen sind isomorph, die Modulräume könnten also übereinstimmen.
Eine wichtige Invariante von Kähler-Mannigfaltigkeiten sind die Dimensionen der Kohomologiegruppen hp,q=dim(Hq(X,Ωp)) der Garbe der holomorphen p-Formen (oder äquivalent die Dimension des Raumes der harmonischen (p,q)-Formen), die man sich in Form eines Diamanten angeordnet denkt, des “Hodge-Diamanten”.
Man hat die Symmetrien hp,q=hq,p (durch komplexe Konjugation) und hp,q=hn-p,n-q (nach Serre-Dualität). Berechnen kann man diese Hodge-Zahlen beispielsweise für vollständige Durchschnitte mit dem Satz von Hirzebruch-Riemann-Roch durch eine von Hirzebruch beschriebene erzeugende Funktion. Für die Spiegelmannigfaltigkeit soll nun der Diamant gerade der gespiegelte sein, also der hp,q-Eintrag gerade dem hn-p,q-Eintrag der ursprünglichen Mannigfaltigkeit entsprechen – deswegen der Name Spiegelsymmetrie.
Der erste Fall, für den man die Spiegelsymmetrie beweisen konnte, betraf Calabi-Yau-Hyperflächen in “torischen Varietäten” (Varietäten mit einer C*-Wirkung) in zwei 1993 und 1994 im Duke Mathematical Journal bzw. im Journal of Algebraic Geometry veröffentlichten Arbeiten “Variations of the mixed Hodge structure of affine hypersurfaces in algebraic tori” und “Dual polyhedra and mirror symmetry for Calabi-Yau hypersurfaces in toric varieties” von Viktor Batyrev. Torische Varietäten kann man durch Polytope beschreiben. Batyrev charakterisierte diejenigen Polytope, für die man als Hyperflächen der entsprechenden torischen Varietäten Calabi-Yau-Mannigfaltigkeiten bekommt, und er bewies, dass sich in diesem Fall Spiegelsymmetrie gerade durch die kombinatorische (polare) Dualität der assoziierten Polytope manifestiert. Damit hat man eine präzise mathematische Definition der Spiegelmannigfaltigkeit und die Yukawa-Paarungen lassen sich einfach durch Deformationen der klassischen Hodge-Strukturen berechnen. Das war die erste Klasse von Varietäten, für die dieses Problem mit mathematischen Methoden gelöst werden konnte.
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