Als triangulierte Kategorie bezeichnet man eine Kategorie, in der es ausgezeichnete Tripel von Morphismen analog zu der Puppe-Sequenz der Homotopietheorie gibt. Statt in der Kategorie der Schemata jedes X durch die triangulierte Kategorie der Komplexe quasikohärenter Garben auf X zu ersetzen, kehrte Voevodsky zu Grothendiecks Ansatz aus der Konstruktion der Chow-Motive zurück, ersetzte aber Korrespondenzen durch Komplexe von Korrespondenzen. Die von Voevodsky mit Friedlander und Suslin entwickelte triangulierte Kategorie DM(F) war etwas schwächer als die von Grothendieck erwünschte Kategorie der Motive, aber ausreichend für zahlreiche Anwendungen.
Motivische Kohomologie hängt eng mit etaler Kohomologie zusammen. Weiter kann man dank der Formel Hn(Punkt,Z(n))=KnM(F) einen Bezug zur Milnorschen K-Theorie KnM herstellen. Insbesondere würden die Milnor- und Bloch-Kato-Vermutung aus einem Verständnis motivischer Kohomologie folgen, genauer aus gewissen von Lichtenbaum und Beilinson formulierten Vermutungen. Diese postulierten die Existenz gewisser „motivischer“ Komplexe von Garben, deren Kohomologie mit motivischer Kohomologie zusamenhängen sollte. Es sollte dann einerseits ihre Zariski-Topologie mit Milnors K-Theorie zusammenhängen, andererseits ihre etale Kohomologie mit der Garbenkohomologie für die Garbe der Einheitswurzeln und schließlich die Zariski-Topologie mit der etalen Kohomologie. Aus diesen Vermutungen würde insbesondere für p≤q ein Isomorphismus folgen, was äquivalent zur Bloch-Kato-Vermutung ist.
Mit Voevodsky Arbeiten konnte man nun auch den klassischen Satz 90 aus Hilberts Zahlbericht neu interpretieren. Satz 90 besagt, dass in einer zyklischen (algebraischen, normalen, separablen) Körpererweiterung L/K, deren zyklische Galois-Gruppe von der Symmetrie σ erzeugt wird, jedes y aus L* mit NL/K(y)=1 als σ(x)/x für ein geeignetes x aus L* geschrieben werden kann. Emmy Noether hatte das 1932 in die Sprache der Gruppenkohomologie übersetzt als die Tatsache, dass für eine nicht notwendig zyklische (aber algebraische, normale, separable) Körpererweiterung H1(Gal(L/K),L*)=0 gilt. Das war freilich nur eine Umformulierung und lieferte keinen neuen Beweis. Noethers Formulierung ließ sich aber weiter verallgemeinern in Grothendiecks etaler Kohomologie. Für ein Schema X und dessen etale Kohomologie gilt H1(X,Gm)=Pic(X). Und nach von Suslin, Merkurjew und Rost bewiesenen Spezialfällen hatte Voevodsky jetzt in der motivischen Kohomologie die Exaktheit der Sequenz für normale Überlagerungen mit von zyklischer Decktransformationsgruppe G, wobei die erste Abbildung 1-σ (für den Erzeuger σ von G) und die zweite Abbildung NX/Y ist. Für X=Spec(K) gibt die exakte Sequenz die ursprüngliche Aussage von Satz 90. Weil sich algebraische K-Theorie von Körpern mittels motivischer Kohomologie interpretieren läßt, gibt dies auch eine Version von Hilbert Satz 90 in algebraischer K-Theorie und diese wiederum wurde dann ein wesentliches Argument in Voevodskys Beweis der Milnor-Vermutung.
Für den Beweis der Milnor-Vermutung benötigte man dann noch motivische Kohomologie mit Z/2Z-Koeffizienten (bzw. für den Beweis der Bloch-Kato-Vermutung mit Z/lZ-Koeffizienten). Eine von Beilinson und Lichtenbaum aufgestellte Vermutung beschrieb die motivische Kohomologie mit endlichen Koeffizienten und war tatsächlich äquivalent zur Bloch-Kato-Vermutung. In einem 1996 veröffentlichten Preprint „The Milnor conjecture“ entwickelte Voevodksy die Theorie für Z/2Z-Koeffizienten und insbesondere ein Analogon zu Steenrod-Operationen, womit er dann die Milnor-Vermutung beweisen könnte. (Mit sehr viel größerem technischem Aufwand gelang ihm einige Jahre später auch die Verallgemeinerung auf Z/lZ-Koeffizienten und damit der Beweis der Bloch-Kato-Vermutung.)
Die algebraische K-Theorie gab der Theorie quadratischer Formen somit einen völlig neuen Auftrieb, andererseits bauten aber die Beweise aber auch auf den Arbeiten Pfisters und den neueren Arbeiten von Rost über quadratische Formen auf.
Der größere Kontext für die motivische Kohomologie wurde dann die A1-Homotopietheorie, die Voevodsky mit Morel entwickelte (und die er vor allem für den Beweis der allgemeineren Bloch-Kato-Vermutung benötigte). Das war eine Homotopietheorie für algebraische Varietäten oder Schemata über beliebigen Körpern, was viele Mathematiker immer für unmöglich gehalten hatten. Die Idee ist, Homotopien mittels der affinen Gerade A1 (statt wie in der Topologie dem Einheitsintervall [0,1]) zu definieren. In der Topologie betrachtet man die Homotopiekategorie als die Kategorie der kompakt erzeugten Räume lokalisiert nach schwachen Homotopieäquivalenzen und hat dort Faserungen und Kofaserungen. Durch Stabilisierung und Verwendung von Spektra erhält man die stabile Homotopiekategorie. Entsprechend mußte man auch in der algebraischen Geometrie eine geeignete Modellkategorie identifizieren, was Voevodsky tat: durch Abstraktion der Methoden der algebraischen Topologie fand er eine „A1-Homotopiekategorie“. Er vergrößerte die Kategorie der glatten Varietäten so, dass man Kolimiten beliebiger Diagramme nehmen kann und er führte eine Modellkategoriestruktur so ein, dass sich gewisse Morphismen invertieren lassen. Im Vorwort seines Vortrags für den ICM 1998 schrieb er
Der schwere Teil der Arbeit, die für die Entwicklung der hier dargestellten Theorie benötigt wurde, bestand in der Auswahl zwischen vielen verschiedenen plausiblen Varianten der wichtigsten Definitionen. Ich glaube, dass die A1-Homotopietheorie in ihrer jetzigen Form eine solide Grundlage für das Studium von Kohomologietheorien auf der Kategorie der Noetherschen Schemata gibt.
Als die Hauptthemen der motivischen Homotopietheorie bezeichnete er Transfers, die Verwendung von Prägarbenkategorien, und Lokalisierung um A1-Homotopieinvarianz zu erzwingen. Eine “Prägarbe mit Transfers” ist für ihn eine additive Prägarbe auf der Kategorie der Korrespondenzen. Für jede Varietät X hat man die Prägarbe mit Transfers Ztr(X):=Cork(.,X). Damit baut man die Kategorie der Komplexe, deren Homotopiekategorie, und die Lokalisierung gibt die triangulierte Kategorie der effektiven Motive DMeff(k). (Man braucht die richtige Topologie für die Konstruktion.) Diese Konstruktion ist schwer zu nutzen, doch Voevodsky gelang die Identifikation mit einer handhabbarereren Kategorie, womit er dann die von Suslin entwickelte Homologietheorie mit HomDMeff(k)(Ztr(Spec k),Ztr(X)) identifizieren konnte. Neben algebraischer K-Theorie und motivischer Kohomologie benötigte er für den Beweis der Milnor-Vermutung noch eine dritte Kohomologietheorie, die algebraische Kobordismustheorie, die er ebenfalls gemeinsam mit Morel entwickelte. Für den Beweis der allgemeineren Bloch-Kato-Vermutung benötigte er neben einem sehr viel tieferen Verständnis der motivischen Homotopietheorie auch noch die Existenz von Varietäten mit gewissen Eigenschaften, sogenannten Normvarietäten, die in den folgenden Jahren von Markus Rost konstruiert und deren Eigenschaften von Suslin und Joukhovitski ausgearbeitet wurden.
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