Zurück zum Problem, die Bestandteile In/In+1 des Witt-Rings W(F) zu beschreiben, benutzte Milnor die sogenannten Pfister-Formen, um eine Abbildung von der Milnorschen K-Theorie KnM(F) nach In/In+1 zu definieren. Orlov, Vishik und Voevodsky bewiesen später, dass sie einen Isomorphismus K_n^M({\bf F})/2\to I^n/I^{n+1} induziert. Freilich ist auch algebraische K-Theorie schwer zu berechnen. Milnor fand aber eine natürliche „Normrestabbildung“ aus seiner K-Theorie in die Galois-Kohomologie. In Milnors Definition von algebraischer K-Theorie betrachtet man einfach die formalen Summen von Tupeln (a1,…,an) in F* mit Relationen (a1,…,xy,…,an)=(a1,…,x,…,an)+(a1,…,y,…,an) und (a1,…,x,…,1-x,…,an)=0. Für die absolute Galois-Gruppe G hat man dann eine Abbildung F*/(F*)2—>Hom(G,Z/2Z), die a aus F* und g aus G auf 1 oder -1 abbildet, je nachdem, ob g die Wurzel aus a auf sich oder auf ihr negatives abbildet. Mittels des Cup-Produkts kann man das fortsetzen zu einer Abbildung KnM(F)/2KnM(F)—>Hn(G;Z/2Z). Um 1970 stellte er die Vermutung auf, dass diese Abbildung (für char(F)≠2) ein Isomorphismus ist. Man kann Galois-Kohomologie auch als etale Kohomologie interpretieren und die Milnor-Vermutung besagt so, dass die Normrestabbildung einen Isomorphismus K_n^M({\bf F})/2\to H^n_{et}({\bf F},\mu_2^{\otimes n}) induziert.

Allgemeiner besagte die 1980 aufgestellte Bloch-Kato-Vermutung, dass für eine nicht durch char(F) teilbare Zahl l die Normrestabbildung einen Isomorphismus K_n^M({\bf F})/l\to H^n_{et}({\bf F},\mu_l^{\otimes n}) induziert. (Die Koeffizienten μl sind die l-ten Einheitswurzeln in F.) Für n=1 folgt dies aus Hilberts Satz 90. Für n=2 wurde die Isomorphie 1982 von Merkurjev und Suslin bewiesen, dabei benutzten sie die Berechnung der algebraischen K-Theorie von Kegelschnitten über F. Um den Isomorphismus für alle n zu beweisen, benötigte man die notorisch schwierige Berechnung der algebraischen K-Theorie für höherdimensionale Varietäten, nämlich für Quadriken der Dimension 2n-1-1. Für n=3 wurde zumindest die Milnor-Vermutung, also der Fall l=2 unabhängig von Merkurjev-Suslin und Rost bewiesen. Der allgemeine Beweis gelang schließlich Voevodsky, indem er statt der algebraischen K-Theorie die motivische Kohomologie von algebraischen Varietäten verwendete, die sich als leichter zu berechnen erwies.

Motivische Kohomologie sollte eine Verfeinerung der Chow-Gruppen sein, die Informationen über die Untervarietäten einer Varietät oder eines Schemas liefern und die von Grothendieck definierten Motive realisieren. (Das heißt, es gibt einen universellen Funktor von der Kategorie der Chow-Motive in die Kategorie der graduierten abelschen Gruppen, der jeder Varietät ihre Chow-Gruppe CH^*(X) zuordnet.) Definiert sind die Chow-Gruppen einer Varietät als Gruppen der algebraischen Zykel modulo einer gewissen Äquivalenzrelation („rationale Äquivalenz“). 1986 hatte Spencer Bloch dann in einer in Advances in Mathematics veröffentlichten Arbeit „Algebraic cycles and higher K-theory“ „höhere Chow-Gruppen“ CHi(X,n) definiert als n-te Homotopiegruppen eines zu X assoziierten Simplizialkomplexes, dessen k-Simplizes den algebraischen Kodimension-i-Zykeln in XxΔk entsprechen. Insbesondere ist CHi(X,0) die klassische Bloch-Gruppe. Er behauptete, dass die direkte Summe \bigoplus_i CH^i(X,n) rational (d.h. modulo Torsion) mit der algebraischen K-Theorie der Kategorie kohärenter Garben auf X übereinstimmt. Bald nach Veröffentlichung fand Suslin einen Fehler im Beweis von Lemma 1.1, mit dem die Arbeit zunächst wertlos wurde. Der Fehler konnte letztlich behoben werden, freilich mußte dafür ein kurzer Paragraph der ursprünglichen Arbeit durch dreißig Seiten komplexer Argumente ersetzt werden.

Beilinson hatte 1982 in einem Brief an Soulé als wünschenswerte Eigenschaft motivischer Kohomologiegruppen postuliert, dass man sie – nicht nur rational – als Summanden in der Zerlegung in Eigenräume für die Wirkung der Adams-Operationen auf der K-Theorie erhält. Bloch hatte das mit seiner Konstruktion rational, also modulo Torsion, bekommen. Eine Konstruktion motivischer Kohomologiegruppen, die diese Eigenschaft auch „ganzzahlig“ haben und auch andere von Lichtenbaum und Beilinson Mitte der 80er Jahre postulierte Eigenschaften hatten, gelang Suslin und Voevodsky. Für diesen Zweck verwendete er eine triangulierte Kategorie DM(F), in der es gewisse Objekte Z(q) gibt. Die motivische Kohomologie wird dann definiert als H^p(X,{\bf Z}(q))=Hom(X,{\bf Z}(q)\left[p\right]), was an die aus der algebraischen Topologie bekannte Definition der singulären Kohomologie H^n(X,{\bf Z})=\left[X,K({\bf Z},n)\right] mit Hilfe der Eilenberg-MacLane-Räume erinnert. Diese Kohomologiegruppe entspricht Blochs höherer Chow-Gruppe CHq(X,2q-p), was Voevodsky zunächst unter der Annahme der Auflösbarkeit von Singularitäten und später dann auch für beliebige Körper bewies.

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Kommentare (2)

  1. #1 MARYPATRICIA
    us
    16. September 2021

    Die Hauptachsentransformation ist das klassische Verfahren, um Kegelschnitte in Standardform zu bringen. In der Sprache der linearen Algebra bedeutet bpm counter.jede symmetrische Bilinearform (über den reellen bpm counter Zahlen) diagonalisiert werden kann. Tatsächlich kann man nach dem 1852 bewiesenen Trägheitssatz von Sylvester über R so diagonalisieren, dass auf der Diagonale der zugehörigen Matrix nur -1, 0 und 1 stehen. Für hermitesche Sesquilinearformen über

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