Ende des 19. Jahrhunderts etablierte Poincaré die Topologie als „Methode, die uns die qualitativen Beziehungen in einem Raum zu erkennen erlaubt“. Er argumentierte, sie „könnte auf gewisse Weise Dienste leisten, die jenen der Zahlen analog wären“. Als topologische Invarianten definierte er die Fundamentalgruppe und die Zusammenhangszahlen und Torsionskoeffizienten (in heutigen Begriffen den Rang und die Torsion der Homologiegruppen). In einer der Ergänzungen der Analysis Situs behauptete er, dass eine 3-Mannigfaltigkeit mit denselben Zusammenhangszahlen und Torsionskoeffizienten wie die 3-dimensionale Sphäre zu dieser homöomorph sein müsse. Er fand dann selbst ein Gegenbeispiel durch Verkleben zweier Vollbrezeln, die sogenannte Poincaré-Homologiesphäre. Deren Fundamentalgruppe war eine perfekte Gruppe der Ordnung 120, die erste Homologiegruppe als Abelisierung der Fundamentalgruppe also trivial, woraus mit Poincaré-Dualität folgt, dass auch die anderen Homologiegruppen mit denen der 3-Sphäre übereinstimmen. Dementsprechend modifizierte er seine Vermutung: eine geschlossene 3-Mannigfaltigkeit sollte homöomorph zur S3 sein, wenn die Fundamentalgruppe trivial ist. In den folgenden Jahren entwickelten Dehn und Heegaard den kombinatorischen Zugang zur Topologie über Simplizialkomplexe und sie beschrieben Konstruktionen von 3-Mannigfaltigkeiten, die heute als Dehn-Chirurgie und Heegaard-Zerlegung bezeichnet werden.

Die Topologie von Mannigfaltigkeiten blieb für die folgenden Jahrzehnte in Dimension 3 stecken und auch dort gab es keine wesentlichen Fortschritte. In den 30er Jahren klassifizierte Seifert die nach ihm benannten Seifert-Faserungen, in den 50er Jahren bewies Papakyriakopoulos das Schleifenlemma und den Sphärensatz, und Haken entwickelte Anfang der 60er Jahre die Theorie von irreduziblen 3-Mannigfaltigkeiten mit inkompressiblen Flächen, heute als Haken-Mannigfaltigkeiten bekannt. 1961 wurde durch Stephen Smale das Analogon der Poincaré-Vermutung in Dimensionen n≥5 gelöst (eine einfach zusammenhängende, geschlossene n-Mannigfaltigkeit mit der Homologie der n-Sphäre ist homöomorph zu dieser) und 1982 durch Freedman auch in Dimension n=4.

Nach vielen gescheiterten topologischen oder kombinatorischen Ansätzen zur 3-dimensionalen Poincaré-Vermutung bekam man durch Thurstons Arbeiten zur Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten erstmals eine größere Theorie, in die man die Poincaré-Vermutung einbetten konnte. Nach Thurstons Geometrisierungsvermutung sollten die Stücke in der Jaco-Shalen-Johansson-Zerlegung einer 3-Mannigfaltigkeit geometrisierbar sein, also eine Metrik haben, mit der die universelle Überlagerung eine von acht Modellgeometrien ist. Hinreichend komplizierte Stücke sollten eine hyperbolische Metrik (Krümmung konstant -1) tragen, während Stücke mit endlicher Fundamentalgruppe eine sphärische Metrik (Krümmung konstant +1) haben sollen. Da schon Élie Cartan bewiesen hatte, dass es nur die bekannten Beispiele einfach zusammenhängender Mannigfaltigkeiten konstanter Krümmung – Sphäre, euklidischer Raum, hyperbolischer Raum – gibt, folgt aus der Geometrisierungsvermutung insbesondere die Poincaré-Vermutung.

Der interessanteste Teil der Geometrisierungsvermutung war die Hyperbolisierung von irreduziblen, atoroidalen 3-Mannigfaltigkeiten, für deren Beweis im Laufe der Zeit eine Reihe verschiedener Ansätze versucht wurden. Thurston bewies die Geometrisierung im Fall von Haken-Mannigfaltigkeiten (irreduzible Mannigfaltigkeiten mit einer inkompressiblen Fläche) und von 3-Mannigfaltigkeiten, die über dem Kreis fasern. Die vollständigen Beweise wurden in beiden Fällen später von McMullen und unabhängig von Otal ausgearbeitet. Thurston hatte auch ein Programm, mit dem der Beweis für gefaserte 3-Mannigfaltigkeiten auf 3-Mannigfaltigkeiten mit straffen Blätterungen ausgedehnt werden sollte. Ein anderes als aussichtsreich geltendes Programm wurde von Cannon initiiert und verwendete Methoden der geometrischen Gruppentheorie: man wollte zunächst zeigen, dass die Fundamentalgruppe hyperbolisch ist, hätte dann nach einem Satz von Bestvina-Mess gewusst, dass deren Rand im Unendlichen die 2-Sphäre ist und hätte die Wirkung der Gruppe auf dieser 2-Sphäre studieren können in der Hoffnung, die Gruppenwirkung in eine Kleinsche Gruppe konjugieren zu können. Ein anderer Ansatz ging über die Virtuell-Haken-Vermutung: Thurston hatte gefragt, ob alle irreduziblen 3-Mannigfaltigkeiten von einer Haken-Mannigfaltigkeit endlich überlagert werden. Diese endliche Überlagerung wäre dann nach Thurstons Beweis hyperbolisch. Gabai und Meyerhoff zeigten mit Hilfe numerischer Berechnungen, die von Thurstons Sohn Nathaniel durchgeführt wurden, dass aus der Existenz einer hyperbolischen endlichen Überlagerung die Hyperbolizität der 3-Mannigfaltigkeit selbst folgt. Ein ganz anderer Ansatz zur Poincaré-Vermutung verwendete Methoden der Eichtheorie: Kronheimer und Mrowka bewiesen, dass 1-Chirurgien an Knoten niemals Homotopiesphären geben. Dafür verwendeten sie sowohl die Seiberg-Witten-Invarianten als auch Gabais Existenzsatz für Blätterungen und einen von Eliashberg und Thurston bewiesenen Satz über die Deformierbarkeit von Blätterungen in Kontaktstrukturen. Daneben gab es auch noch analytische Ansätze. Michael Anderson wollte durch Minimierung eines gewissen Funktionals auf dem Raum Riemannscher Metriken zeigen, dass es unter geeigneten Voraussetzungen eine Metrik konstanter Krümmung gibt. Und Richard Hamilton hatte eine Theorie der Krümmungsflüsse auf dem Raum Riemannscher Metriken entwickelt, die unter geeigneten Voraussetzungen in eine Metrik konstanter Krümmung konvergieren sollten.

Insbesondere betrachtete Hamilton in einer 1982 im Journal of Differential Geometry erschienenen Arbeit „Three-Manifolds with positive Ricci curvature“ den Ricci-Fluss \frac{\partial g_t}{\partial t}=-2 Ric(g_t) für die Ricci-Krümmung, bzw. in normalisierter Form \frac{\partial g_t}{\partial t}=-2 Ric(g_t)+2r(g(t))g(t) für die über die Mannigfaltigkeit gemittelte Skalarkrümmung r(g(t)). Dabei ist g(t) eine sich mit der Zeit ändernde Riemannsche Metrik, ausgehend von einer Metrik g(0). Wenn dieser Fluß konvergiert, dann ist der Grenzwert eine Einstein-Metrik (d.h. Metrik konstanter Ricci-Krümmung), was im speziellen Fall 3-dimensionaler Mannigfaltigkeiten äquivalent zu konstanter Schnittkrümmung ist. Wenn die Ausgangsmetrik g(0) positive Ricci-Krümmung hat, konnte Hamilton zeigen, dass der Ricci-Fluss tatsächlich konvergiert, man also eine Metrik konstanter positiver Schnittkrümmung bekommt, womit in diesem speziellen Fall die Poincaré-Vermutung folgt.

Im allgemeinen Fall stieß Hamiltons Ansatz jedoch auf Hindernisse. Unter dem Ricci-Fluß bildet eine Mannigfaltigkeit Singularitäten aus: Hälse und, noch problematischer, Zigarren. Perleman schrieb Mitte der 90er Jahre eine Arbeit über Kollaps, die hilfreich sein würde, sobald man das Zigarrenproblem gelöst hatte.

Die Flußgleichung ist eine (schwach) parabolische partielle Differentialgleichung. Es gibt zwei Fälle, in denen sie konvergiert. Wenn Ric>0, dann fließt sie gegen einen Punkt in endlicher Zeit. Die Renormierung mit der zeitabhängigen Funktion 2r(g(t))g(t) bewirkt, dass der Durchmesser konstant bleibt, und gibt eine 1-Parameterfamilie von Metriken, die gegen eine Metrik konstanter positive Krümmung konvergiert – das war Hamiltons Resultat. Zweitens hatte Hamilton auch bewiesen, dass wenn der Fluß für alle Zeiten existiert und geeignete geometrische Schranken gelten, nach der Reskalierung zu konstantem Durchmesser man Konvergenz gegen eine Metrik konstanter negativer Krümmung hat.
Resultate im allgemeinen Fall sind viel komplizierter zu formulieren und schwieriger zu beweisen. Hamilton bewies jedenfalls die Kurzzeitexistenz von Lösungen der Flußgleichung. Andererseits hat man beispielsweise bei zusammenhängenden Summen immer Singularitäten in endlicher Zeit, was einfach durch die Topologie erzwungen wird. Und selbst bei einfacher Topologie hat man meist Singularitäten in endlicher Zeit. Deshalb muß man einen Fluß mit Chirurgien betrachten, was Hamilton mehr als zehn Jahre nach seiner ersten Arbeit in niedrigen Dimensionen versuchte. Man führt in einer diskreten Menge von Zeitpunkten Chirurgien durch, bei denen sich der topologische Typ der Mannigfaltigkeit ändert.

Hamilton bewies, dass in Singularitäten die Schnittkrümmung gegen Unendlich geht und versuchte dann durch Reskalieren die Singularitäten zu analysieren. Man nimmt also eine konvergente Folge von reskalierten Lösungen und betrachtet den Grenzwert. Wenn er existiert, muß er sehr speziell sein: er existiert für alle negative Zeiten (man spricht von anzienten Lösungen) und hat nichtnegative Krümmung – das folgt aus der Hamilton-Ivey-Abschätzung und es bedeutet im 3-dimensionalen, dass man Chirurgien nur an 2-Sphären durchführen muß, was für topologische Anwendungen natürlich nützlich ist. Nach der Chirurgie entfernt man dann die Stücke, deren Geometrie S2xS1 oder S3 ist und man möchte beweisen, dass dieser Fluß mit Chirurgie dann für alle Zeit existiert.

Die Existenz des Grenzwerts, also einen Kompaktheitssatz bewies Hamilton unter der Annahme von gleichmäßigen Krümmungsschränken auf Kugeln und gleichmäßigen unteren Schranken für den Injektivitätsradius im Basispunkt. Die Krümmungsschranken bekommt man, wenn die Aufblasungspunkte sorgfältig auswählt. Das Problem war, die Schranke für den Injektivitätsradius zu beweisen und die dann möglichen Grenzwerte zu bestimmen.

Über diese Fragen arbeitete Perelman sieben Jahre in Isolation und veröffentlichte dann 2002/03 in kurzer Folge drei Arbeiten auf dem ArXiv. Geometrisierung wurde dort nicht erwähnt, doch die Kollegen erkannten gleich, dass es sich um eine große Sache handelte. Ein früherer Bekannter aus Sowjetzeiten, inzwischen in den USA tätig, fragte ihn schließlich per e-Mail, ob es zutreffe, dass seine Arbeiten zwar nicht in allen Fällen die Existenz des Flußes mit Chirurgie für alle Zeiten zeige, die von ihm behandelten Fälle aber ausreichten, um Geometrisierung zu beweisen. “Das ist korrekt. Grisha” schrieb Perelman nur zurück.

Seine wichtigste neue Entdeckung waren gewisse Quantitäten, mit denen er zeigen konnte, dass die Mannigfaltigkeiten während des Flußes nicht kollabieren, dass die Krümmungsschranken also untere Schranken für den injektivitätsradius implizieren. Diese Quantitäten nannte er Entropie und reduziertes Volumen. Beide Größen sind monoton entlang des Flusses und haben die richtigen Skalierungseigenschaften, weshalb sie (nach den Reskalierungen) konvergieren. Man bekommt für die Reskalierungen beschränkte Krümmung in beschränktem Abstand, womit nach der Reskalierung der Aufblasungsgrenzwert existiert. Wenn der Fluß konvergiert, muß sein Grenzwert konstantes reduziertes Volumen haben. Damit konnte Perelman die möglichen Aufblasungsgrenzwerte des Flusses klassifizieren. Weiter erhielt er den Satz über kanonische Umgebungen: jede Umgebung hoher Skalarkrümmung entspricht nach Reskalierung der entsprechenden Umgebung in einem Aufblasungsgrenzwert.

Für die Chirurgien, wo man also entlang von 2-Sphären aufschneiden will, mußte man beweisen, dass es keinen Häufungspunkt der Zeiten gibt, zu denen Chirurgien durchgeführt werden müssen. Das Problem dabei ist, dass frühere Chirurgien die Gültigkeit der beiden bewiesenen Sätze – des Satzes über kanonische Umgebungen und des Satzes über keinen lokalen Kollaps – ungültig machen könnten. Das war ein technische Problem, welches Perelman letztlich durch Wahl der Chirurgieparameter und Chirurgie an den richtigen Stellen löst.

Für das Langzeitverhalten konnte er auf einen von Colding und Minicozzi in ihren Arbeiten über Minimalflächen bewiesenen Satz zurückgreifen. Wenn M einfach zusammenhängend ist, dann bleibt nach endlich vielen Chirurgien nur die leere Menge übrig, die Mannigfaltigkeit ist also zusammenhängende Summe von Quotienten der S3 und S1xS2. Weil sie einfach zusammenhängend ist, muss sie also die S3 sein.

Wenn die 3-Mannigfaltigkeit nicht einfach zusammenhängend ist, hat Perelman eine Dick-Dünn-Zerlegung. Für den dicken Teil hat er beidseitige Krümmungsschranken und beweist, dass er gegen eine hyperbolische Mannigfaltigkeit (bis auf einen Faktor 2) konvergiert. Der dünne Teil hat lokal kollabierendes Volumen, aber untere Krümmungsschranken und mit Hilfe einer Arbeit von Shioya und Yamaguchi beweist Perelman, dass für große Zeiten der dünne Teil eine Graphmannigfaltigkeit ist. Damit ist also jede 3-Mannigfaltigkeit zusammenhängende Summe von Mannigfaltigkeiten, die sich in hyperbolische Mannigfaltigkeiten und Graphmannigfaltigkeiten zerlegen lassen, was Thurstons Geometrisierungsvermutung beweist.

Schnell begannen Mathematiker in der ganzen Welt, die Arbeiten zu lesen. Perelman hielt zunächst auch einige Vorträge, zu denen er an einer Reihe wichtiger Universitäten eingeladen wurde. Drei Gruppen machten sich daran, die Einzelheiten des Beweises aufzuschreiben: Kleiner und Lott in Michigan, Morgan und Tian, sowie Cao und Zhu, zwei frühere Studenten Yaus. Perelmans Beweis stimulierte zahlreiche neue Anwendungen von Krümmungsflüssen nicht nur in der 3-dimensionalen Topologie.

Kommentare (1)

  1. #1 Theorema Magnum – Mathlog
    17. Dezember 2021

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