Es gibt bekanntlich die sieben Milleniumprobleme, auf deren Lösung das Clay Mathematical Institute zu Beginn des Jahrtausends jeweils eine Million Dollar ausgesetzt hatte und von denen bisher nur eines – die Poincaré-Vermutung – gelöst ist. Der Jungen Akademie und der Deutschen Mathematiker-Vereinigung dienen die ausgelobten Millionen in diesem Jahr als Aufhänger für eine Veranstaltungsreihe „Die 7 größten Abenteuer der Mathematik“ an verschiedenen Orten Deutschlands. Nachdem Münster mit Veranstaltungen zur Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer den Anfang gemacht hatte, fanden in dieser Woche in Bonn die Veranstaltungen zur Riemannschen Vermutung sowie in Berlin die Veranstaltungen zu P=NP statt.
Die Veranstaltungsreihe in Bonn bestand aus einer Veranstaltung für interessierte Schüler, einem Konzert und drei öffentlichen Vorträgen.
An ein breites Publikum wendete sich vor allem der erste Vortrag von Damaris Schindler und Valentin Blomer „Sind Primzahlen dem Zufall unterworfen?“. Dort wurde am Mittwoch zunächst ausführlich erklärt, was Primzahlen sind, warum es unendlich viele von ihnen gibt und wie Gauß auf seine Vermutung über die Verteilung der Primzahlen stieß, wie Riemann diese Vermutung in Eigenschaften der Zetafunktion übersetzte und wie man mittels Überlagerung gewisser Schwingungen aus den Nullstellen der Zetafunktion die Primzahlen zurückgewinnen kann, und schließlich über die Verwendungen von Primzahlen in heutigen Verschlüsselungsverfahren, wo die Riemannsche Vermutung Aussagen über die Sicherheit gewisser Verfahren beweisen würde.
Am Donnerstag vor dem Konzert trug dann Norbert Schappacher vor über die Frage „Was lehrt uns die Geschichte über mathematische Probleme?“. Konrad Adenauer begann seine Memoiren mit der Erwartung, dass ein Historiker „so gut wie möglich“ zukünftige Entwicklungen aus dem jetzigen Geschehen folgern können sollte. Schappacher widerspricht dieser Erwartung am Beginn seines Vortrages und erzählt dann aber an drei Beispielen, wie die Beschäftigung mit Vergangenem uns bereichern könne. Der erste Fall ist die seit der Antike gesuchte Quadratur des Kreises, wo die letztendlich Lösung, Lindemanns Beweis der Transzendenz von π, viel mehr bewies als ursprünglich vermutet. Noch viel größer ist dieses Diskrepanz bei der Vermutung über die Unlösbarkeit der Fermat-Gleichung, wo Wiles sehr viel stärkere Aussagen über die Modularität elliptischer Kurven beweisen mußte und wo es auch bis heute keinen „alternativen“ Beweis gibt. Hauptsächlich geht es im Vortrag dann aber um Bernhard Riemann und die unterschiedlichen Einordnungen der Riemannschen Vermutung im Laufe ihrer Geschichte etwa bei Kronecker, Landau und Weil.
Im gestern gehaltenen Abschlußvortrag „Wo steht die mathematische Forschung?“, wieder von Damaris Schindler und Valentin Blomer, ging es dann tiefer in die Mathematik und die zahlreichen, meist schon einige Jahrzehnte alten, Ansätze für ihren Beweis bzw. eine Erweiterung des „kritischen Streifens“, in dem keine Nullstellen der Zeta-Funktion liegen soll, sowie zu den zahlreichen unter Annahme der Richtigkeit der Riemannschen Vermutung „bewiesenen“ Sätzen wie Artins Vermutung über Primitivwurzeln, das Funktionieren des Miller-Rabin-Primzahltests, Abschätzungen für die Klassenzahlen imaginär-quadratischer Körper, den Anteil der Primzahlen kongruent 3 modulo 4 (mehr als 99,59 Prozent), oder die Existenz einer elliptischen Kurve vom Rang 28 – einem viel größeren Rang als bei allen anderen bekannten Beispielen. Ausführlich wurde die (bewiesene) Analogie zur Riemann-Vermutung für Kurven über endlichen Körpern besprochen, die letztlich mit Delignes Beweis der Weil-Vermutungen einen Abschluß fand. Schließlich ging es noch um die zahlreichen äquivalenten Formulierungen der Riemann-Vermutung: Littlewoods Abschätzung der Möbius-Funktion, verschiedene andere Abschätzungen arithmetischer Funktionen, das Hilbert-Pólya-Programm zur Interpretation der Imaginärteile der Nullstellen als Eigenwerte eines physikalisch relevanten Operators, dazu passend die Interpretation einer aus den Nullstellen abgeleiteten Verteilung als Verteilung der Eigenwerte zufälliger hermitescher Matrizen, eine Vermutung Weils, wie sich Kombintionen von Mangoldt-Funktionen als Summen über Nullstellen der Zeta-Funktion schreiben lassen, und schließlich eine Vermutung Pólyas über Nullstellen der Jensen-Polynome.
Ein paar Impressionen:
Kommentare (7)