Rund zehn Prozent des Autoverkehrs in Innenstädten sollen auf die Parkplatzsuche entfallen. Eine Forschergruppe aus Lyon hat in einer im Mai-Juni-Heft von Transportation Science erschienenen Arbeit Parking Search in the physical world: Calculating the search time by leveraging physical and graph theoretical models die Parkplatzsuche mittels statistischer Physik und Graphentheorie modelliert.
Die statistische Physik hilft, das kollektive Verhalten von Fahrzeugen zu verstehen, die als aktive Teilchen behandelt werden. Die Graphentheorie ermöglicht es, die Entwicklung des Territoriums zu berücksichtigen, indem sie das Straßennetz als eine Menge von Knoten und Kanten beschreibt.
heißt es in der Pressemitteilung des CNRS (meine Übersetzung).
In der Theorie sollte bei einer durchschnittlichen Auslastung φ die Suchzeit näherungsweise (bei einer reinen Fahrzeit T0) sein, das ist die “binomiale Approximation”. was aber den tatsächlich gemessenen Werten manifest widerspricht. Auch in der Simulation erhalten die Autoren für φ≤69% eine um 44% höhere Suchzeit als die binomiale Approximation, wofür sie keine analytische Erklärung haben.
Anders als andere theoretische Arbeiten berücksichtigen die Autoren erstmals auch die Topologie des Straßennetzes. Offensichtlich ist es im oberen Bild schwieriger, einen Parkplatz in der Nähe der Sehenswürdigkeit zu finden, als im unteren Bild.
Das folgende Bild zeigt zwei unterschiedlich angelegte Parkplätze und für beide (in rot bzw. blau) die durchschnittliche Suchzeit Ts in Abhängigkeit von der Auslastung φ. Bei sehr niedriger und sehr hoher Auslastung findet man auf dem blauen Parkplatz schneller eine freie Stelle.
Das Modell der Autoren geht von einem gegebenen Straßennetz mit Parkplätzen aus. Autos fahren mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in eine Straße ein. Die “on-site parking probability” pi(α)(t) hängt von zahlreichen Variablen ab (parking rate, Entfernung vom Ziel, geschätzte Aussicht auf einen besseren Platz), die von den Autoren in zwei Variablen zusammengefasst werden, einer als “Attraktivität” bezeichneten Variable Ai(α) und einer die Wahrnehmung des Fahrers, wie einfach man gerade einen Platz findet, messenden Variable β(α)(t). Für β gegen Unendlich wird der Fahrer nirgendwo anders als in seinem bevorzugten Platz parken, während für β gegen Null fast jeder Platz akzeptabel wird, also pi(α)(t) gegen 1 geht. Das legt es nahe, ein Boltzmann-artiges Funktional anzusetzen: .
Das Modell wird dann in C++ implementiert und mittels theoretischer Überlegungen wird eine Molekularfeldgleichung aufgestellt, die mit der Fixpunktmethode gelöst wird und für kleine Straßennetze zu Ergebnissen führt, die gut mit den numerischen Ergebnissen übereinstimmen. Komplizierter wird es, wenn man dann auch noch den Durchgangsverkehr berücksichtigen will.
Schließlich zeigen die Autoren, dass ihre theoretischen und numerischen Modelle auch für große Straßennetze funktionieren, indem sie die morgendlichen Parkplatzsuchen in der französischen Stadt Lyon berechnen.
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