In Vorlesungen über Wahrscheinlichkeitstheorie oder Statistik erzähle ich den Studenten, dass es Zufall ausserhalb der Mikrowelt der Quantenphysik nicht gibt. Alles ist im Prinzip berechenbar, Zufall entsteht nur durch unvollständige Information. Der Wurf einer Münze ist nicht zufällig, sondern deterministisch – wenn man Ausgangsposition, Ausgangsgeschwindigkeit und wirkende Kräfte kennt, kann man ihn berechnen. Das hält mich freilich nicht davon ab, den Münzwurf als einfachstes Beispiel für ein Zufallsexperiment in Lehrveranstaltungen zu verwenden.
Ein am 6. Oktober auf dem ArXiv erschienener Artikel Fair coins tend to land on the same side they started: Evidence from 350,757 flips zeigt nun, dass der Münzwurf nicht nur nicht zufällig, sondern noch nicht einmal gleichverteilt ist. Die Münze landet mit 50,8% Wahrscheinlichkeit auf der vor dem Münzwurf oben liegenden Seite. Grund ist die Präzession. Ein letzte Woche in der Süddeutschen erschienener Artikel erklärt es so:
Im Fall des Münzwurfs kommt es zur Präzession, wenn die Münze nicht genau mittig geschnippt wird. Dann eiert sie in der Flugphase, und das führt dazu, dass sie etwas mehr Zeit in der ursprünglichen Ausrichtung verbringt und demzufolge häufiger so landet, wie sie geschnipst wurde. Das Eiern der Münze ist mit bloßem Auge kaum zu sehen – was von Zauberern und Trickbetrügern ausgenutzt wird, die eine Münze so schnipsen können, dass sie sich überhaupt nicht um sich selbst dreht, sondern nur wackelt.
Das bestätigt experimentell eine Vorhersage aus der 2007 in SIAM Reviews erschienenen Arbeit “Dynamical bias in the coin toss” von Persi Diaconis, Susan Holmes und Richard Montgomery.
Kommentare (140)