In seinen Beiträgen unter dem Titel “Von Trump lernen!” versucht unser ScienceBlogger-Kollege Joseph Kuhn, sich mit dem Äußerungen und Aktionen des bald amtierenden US-Präsidenten Donald Trump in ironischer und/oder sarkastischer Weise (wer sich für den Unterschied interessiert, klicke beispielsweise hier) auseinanderzusetzen. Was – durchaus nachvollziehbar – die Kritik nach sich zog, dass er damit einen Beitrag zur Normalisierung von Trump leiste.
Diese Diskussion muss man sicher führen, und sie ist bei Joseph auch gut aufgehoben. Mich beschäftigt seitdem aber die Frage, ob Trumps abstruses, rassistisches, frauen- und fremdenfeindliches sowie generell ignorantes und die Wahrheit verfälschendes Verhalten nicht schon längst normal ist. Ob Trump also nicht so sehr der Agent, als vielmehr das Produkt einer (neuen?) Normalität ist.
Trump war ja nie ein Trendsetter oder Vordenker; ich bezweifle, dass er jemals einen originellen oder orginiären Gedanken hatte – die Bücher beispielsweise, in denen er “seine” Weisheiten verbreitet, sind durchweg von Ghostwritern geschrieben worden, die sich auch die scheinbar brillianten Erkenntnisse Trumps ausdenken mussten. Er ist auch nie ein Risiko eingegangen, das er nicht auf andere abwälzen konnte. Dass er sich nicht an die “Normen” des Wahlkampfes gehalten hat und statt dessen mit ziemlich schmutzigen Methoden alles und jeden durch den Dreck gezogen hat, bedeutet ja nicht, dass er diese Dreckschleuderei erfunden oder wenigstens maßgeblich mit geformt hätte, ebenso wenig, wie jemand, der eine Hiphop-Platte in der Rentnerdisko auflegt, für sich beanspruchen kann, diese Musikrichtung erfunden oder “entdeckt” zu haben.
Trump selbst mag uns nicht normal erscheinen (und ich fürchte mich ernsthaft und aus tiefstem Herzen davor, dass er irgend jemandem als Vorbild dienen könnte – von dem, was er von Amts wegen anrichten könnte, ganz abgesehen) – aber das, was er tut, ist schon lange normal. Und zwar, auf sehr tragische, lies: “unverdiente” oder auch “ungerechte”, aber immer auch “unvermeidliche” Weise, im weitesten Sinn des Wortes.
So normal, dass ich vieles davon auch in meinem Verhalten oder in dem der Menschen um mich herum entdecken kann. Wie oft haben wir uns hier mokiert oder echauffiert, wenn Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehsendungen oder sogar wissenschaftliche Journale ein Thema (unserer Ansicht nach?) inkorrekt, unvollständig oder zumindest inkompetent verarbeitet haben… doch so sehr wir diese Kritik für notwendig halten mögen, ist dies nicht letztlich auch ein kleiner, aber nicht irrelevanter Beitrag zum generellen Vorwurfs-Trend, der sich dann auch im (Tot)Schlagwort “Lügenpresse” kristallisiert hat? Und während wir uns bemühten, mit unseren Blogs soziale Medien zu einer ernst zu nehmenden und vertrauenswürdigen Informationsplattform machen, haben wir dann nicht auch – ungewollt, und dennoch unausweichlich – den Weg für “Medien” wie beispielsweise Breitbart News (oder falls Ihr ein deutsches Äquivalent kennt, bitte hier einsetzen:….) mit bereitet, die diese Plattform dann zur gezielten Misinformation und zum Untergraben des Vertrauens in “etablierte” Medien benutzen?
Und jede Diskussion über politische Korrektheit oder Sexismus, die wir hier führen, wird unausweichlich auch ein Forum für jene, die ebendiese inklusiven Positionen, für die wir uns stark machen, ganz vehement ablehnen. Das Gleiche gilt für Klimawandel, Kreationismus-Kritik oder die intellektuelle und engagierte Auseinandersetzung mit Impfgegnern. Dass diese Denkweisen und Positionen existieren, ist leider längst normal (und mit großer Wahrscheinlichkeit sogar viel länger normal als die Positionen, die wir hier vertreten). Nicht normal wäre es, diesen Meinungen und Verhaltensweisen allein das Podium zu überlassen. So gerne ich Trump (und all seinen Gesinnungs- und VerhaltensgenossInnen auf unserer Seite des Atlantik) jegliche Beachtung verweigern – im Sinn von “noch nicht mal ignorieren” – würde…
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