Dann bekam ich, 1972, meinen ersten Job am Salk-Institute und zu dieser Zeit hatte Paul Berg gerade die Nick-Translation erfunden, damit konnte man „heiße“ (also radioaktive) Sonden (Sonden sind kurze DNA-Stücke, die komplementär zu einer Sequenz in der untersuchten DNA sind und an diese Sequenz binden können; Anm. CC) herstellen, wenn man heiße Nukleotide hatte (die konnte man immer noch nicht kaufen). Die mußte man dann eben selber machen und Tony Hunter erklärte mir, wie das geht. Und dann habe ich mit meinen Sonden und der DNA aus den Mäusen C0t-Kurven (ein Verfahren, das mit Hilfe radioaktiver Sonden den Nachweis bestimmter DNA-Sequenzen ermöglicht; R. Jaenisch hatte Sonden zum Nachweis von SV40-DNA hergestellt; Anm. CC). Und da kam dann raus, daß meine Mäuse in der Tat die SV40-DNA enthielten. Und das waren dann die ersten transgenen Mäuse. Und die entwickelten keine Tumoren, sondern waren völlig normal. Das war damals natürlich enttäuschend aber ich hatte auch noch keine Ahnung von Epigenetik zu der Zeit: die SV40-Gene sind methyliert und inaktiv, aber das kam erst viel später raus. So sagte ich mir, daß ich ein anderes experimentelles System wählen muß und das waren dann Leukämie-Viren. Diese Viren lösen Leukämie aus und werden exprimiert und mit denen habe ich dann transgene Mäuse gemacht, die die Virus-DNA an die nächste Generation vererbten. Dabei haben wir viel gelernt über Expression und dann auch Methylierung und man konnte diese Viren verwenden, um Mutationen durch Insertionsmutagenese zu erzeugen.
Später wurde dann die homologe Rekombinationstechnik verfügbar, die wir sofort bei embryonalen Stammzellen eingesetzt haben, um erstmalig eine Mutation im Dnmt1-Gen zu erzeugen. Damit konnten wir dann die Epigenetik mit genetischen Methoden untersuchen, (vorher konnte man nur korrelieren). Durch diese Mutation konnten wir die Methylierung ganz ausschalten und sahen, daß eine Maus das nicht überlebt, sondern schon während der Gastrulation starb. Außerdem nutzten wir die Mutation, um die Epigenetik von Krebs und Imprinting zu studieren. Diese Mutation hat uns also wahnsinnig viel gelehrt und ich war dann auch sehr interessiert an Epigenetik. Und dann kam „nuclear transfer“ und die Möglichkeit, das therapeutisch zu nutzen, also „therapeutisches Klonen“. Das hatte aber nie eine Zukunft, wegen der ganzen ethischen Probleme, die es damit gab und es wurde klar, daß man ohne menschliche Eizellen arbeiten mußte. Die Lösung waren die induzierten, pluripotenten Stammzellen (iPSC) und die haben dann das Gebiet wirklich zum Explodieren gebracht.
2006 kam die Arbeit von Yamanaka heraus und als er seine Ergebnisse zuerst vortrug, klang das ja völlig unwahrscheinlich und die meisten Leute haben es nicht geglaubt. Ich hab’s sofort geglaubt, weil ich Yamanaka kannte. Die Zellen, die er kriegte, waren ja nicht wirklich pluripotent. Das waren Zwischenzellen: Die konnten keine Chimären machen. Ein Jahr später, mit anderen Methoden und etwas modifizierten Protokollen haben das dann drei Gruppen zur gleichen Zeit publiziert: das waren Yamanakas Gruppe, meine Gruppe und Hochedlinger, ein früherer Student von mir. Es waren drei unabhängige Gruppen – es musste demnach wahr sein. Jetzt konnte man plötzlich mit ethisch unbedenklichen Methoden maßgeschneiderte Zellen herstellen. Man brauchte keine menschlichen Eizellen und das hat letztlich das Gebiet zum Explodieren gebracht.
CC: Welche Einsatzmöglichkeiten und welches Potential sehen Sie für Ihre Erkenntnisse im Sinne einer translationalen Medizin und speziell in Hinsicht auf eine personalisierte, patientenindividuelle Therapie?
RJ: Da gibt es zwei Aspekte. Der eine, der momentan, so glaube ich, sehr viel realistischer ist, ist, daß man diese IPS-Zellen benutzt, um in vitro-Modelle einer Krankheit aufzubauen und ein Medikament oder eine Chemikalie zu finden, die das beeinflusst. Ein Beispiel ist Parkinson – wir sind sehr interessiert daran und ich glaube, da gibt es Teilerfolge.
CC: Sie denken an Screenings?
RJ: Ja. Man muß einen Phänotypen haben, der relevant ist – das ist das Wichtigste – und dann screenen. Und das ist, glaube ich, das Problem: diesen relevanten Phänotypen zu kriegen. Das ist eine der wichtigsten Fragen und ich meine, das ist etwas, das funktionieren wird, vielleicht für manche Krankheiten besser als für andere.
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