CC: Und was ist mit Krebs? Sie haben ja sowohl Krebszellen zu normalen Zellen zurückprogrammiert, als auch an den epigenetischen Modifikationen in Krebszellen geforscht. Werden Sie weiter daran arbeiten?
RJ: Das haben wir an Mäusen gemacht und das fand ich sehr spannend. Wir wollten das eigentlich mit menschlichen Zellen machen und haben es auch wacker versucht, haben es aber aufgegeben. Wir haben es in der falschen Zelle versucht und danach nicht gefragt: was lerne ich eigentlich daraus? Was man lernen konnte mit den Mausversuchen war, welch eine wichtige Komponente epigenetische Modifikation für Krebs ist, weil sie reversibel ist. Bei anderen Zellen, die wir genommen haben, konnten wir nichts zurückschalten, d.h. deren Veränderungen waren genetisch (und nicht epigentisch, Anm. CC). Z.B. EC-Zellen: die epigenetische Komponente war nicht messbar. Das war’s auch dann. Danach dachte ich, das könne man beim Menschen vielleicht nachmachen, aber was lernt man wirklich zusätzlich von Krebs? Therapeutisch ist das irrelevant und ich war dann einfach nicht mehr so interessiert daran.
CC: Aber, wenn man zurückdenkt zum Anfang des Gesprächs und zu Ihren Schilderungen zur DNMT, dann könnte man doch annehmen, daß sie ein therapeutisches Ziel sein kann.
RJ: Ja, das ist auch so. Das war ja interessant, diese ganze Krebsfrage… es gab da ja diese Arbeit von Vogelstein in den 80er-Jahren, wo man Polypen aus menschlichen Polyposis-Patienten herausgeholt hatte – und eines der ersten Zeichen, das genetisch untersucht worden war, war die Hypomethylierung (= zu schwache Methylierung; Anm. CC). Er hat damals postuliert, daß Hypomethylierung der erste Schritt sei, um eine metastasierende Krankheit zu kriegen. Und das fand ich ja ganz vernünftig. Und dann haben wir unsere Mäuse gehabt, in denen wir genetisch Hypomethylierung induzieren konnten. Und da kam genau das Gegenteil heraus: Hypomethylierung hatte eine schützende Funktion. Das war eben erstaunlich.
Was man sagen muß: die Hypomethylierung ist ja noch nicht ganz verstanden, also, wie das zustande kommt. Die Hypothese ist, daß wirklich wichtig für Krebs die Hypermethylierung (= zu starke Methylierung; Anm. CC) ist – daß also irgendein Prozeß Tumorsuppressorgene stillegt. Das ist wichtig für viele Krebsarten, um zu wachsen. Das sind natürlich andere Methyltransferasen, das sind DNMT-3a und b, die das verursachen.
Die Tumorgenese verläuft ja in zwei Schritten. Zunächst ist da der Polyp, der noch gutartig ist: der ist hypomethyliert. Der nächste Schritt ist dann ein invasives Wachstum. Hypomethylierung macht das Genom instabil. Das heißt, LOH, „loss of heterozygosity“ nimmt zu.
Das fanden wir auch in DNMT-1-mutierten Mäusen – trotzdem waren sie geschützt gegen die makroskopischen Tumore. Wenn man sich die mikroskopischen Tumoren ansah, stellte man fest, daß LOH erhöht war, das heißt, es wuchsen viel mehr. Hypomethylierung verursacht genomische Instabilität und verringert die Hypermethylierung und damit schützte sie gegen die makroskopischen Tumore und damit schützte sie die Mäuse. Das wird verursacht durch eine andere Methyltransferase, nämlich DNMT-3b. Dieses Enzym erzeugt Hypermethylierung und wenn man die ausknockt (= genetisch ausschaltet; Anm. CC), wachsen keine Tumore und wenn man sie überexprimiert, wachsen viel mehr. Es geht also um das Zusammenspiel der ganzen Methyltransferasen, die da wirklich eine Rolle spielen. Und das hat uns interessiert.
CC: Eine letzte Frage. Da ich selbst von den Wissenschaftsblogs komme, wollte ich fragen, ob Sie dieses Medium kennen, ob Sie mal ein Wissenschaftsblog gelesen haben und was Sie von dieser Form von Wissenschaftsvermittlung ohne Vermittlung durch Wissenschaftsjournalisten halten?
RJ: Der Knoepfler sitzt in Kalifornien und schreibt einen Blog über Stammzellen. Den habe ich sehr genau verfolgt und das ist immer sehr informativ zu lesen. Und bei den Stammzellen hat das wirklich geholfen, glaube ich und das war auch das erste Mal, daß ich das ein bisschen verfolgt habe und ich fand das wirklich ganz positiv. Daß Leute sofort sagten: wir können’s nicht reproduzieren: das ging dann raus und wurde gefiltert von manchen Stellen, man konnte Kommentare einbringen. zumal diese Art von Medien auch in der Politik immer wichtiger wird. Man muß nur in die Türkei schauen und man sieht, wie die sich da schützen, das ist schon erstaunlich. Es ist phänomenal, wie bedroht Erdogan sich da fühlt…
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