RJ: Ja, machen wir. Ich bin kein Statistiker – wir machen das, was üblich ist. Versuche und Arbeiten müssen reproduzierbar sein. Wenn ich zurück zu den IPS-Zellen gehe, als nach einem Jahr drei Gruppen zur gleichen Zeit, mit verschiedenen Zellen, mit verschiedenen Methoden das gleiche Ergebnis brachten: das war sehr befriedigend. Da konnte kein Mensch dran zweifeln, das war günstig. Häufig hat man das aber nicht und dann sind manche Versuche eben schwer zu reproduzieren, weil sie kompliziert sind oder weil man nicht ganz übersieht, wie das funktioniert. Das sind die üblichen wissenschaftlichen Fragen, die dann kommen. Ich glaube, das ist das Gute an der Wissenschaft: irgendwann kommt die Wahrheit heraus. Wenn es wichtig ist. (lacht) Wenn es unwichtig ist, kommt es vielleicht nicht heraus.

CC: Ein anderer ethischer Aspekt in der biomedizinischen Forschung ist die Durchführung von Tierexperimenten. Unlängst war ja der Kollege Andreas Kreiter aus Bremen, der an Makaken forscht, mit seinem Sieg vor dem BVG in den Medien. Angesichts seiner Situation: hatten Sie bisher jemals Probleme mit Gegnern von Tierexperimenten oder Schwierigkeiten bei der Genehmigung tierexperimenteller Arbeiten? Und wie beurteilen Sie die gegenwärtige und zukünftige Bedeutung von Tierexperimenten?

RJ: Ja, das ist eine Frage der Ideologie. Ich persönlich arbeite mit Mäusen, die stehen nicht so im Vordergrund wie Primaten, das ist klar. Wie ich dazu stehe, Tierversuche zu machen, die nicht bestimmten Regeln unterliegen? Das ist natürlich nicht akzeptabel. Wir müssen unsere Tierversuche beschreiben, wir müssen dafür von einem Kommittee Zustimmung bekommen. In den USA geht das besser als hier in Deutschland, wo man für jede Maus verantwortlich ist. Es ist unglaublich, der Wust von Regeln, der hier in Deutschland existiert – mit der Stammzellforschung ist es das Gleiche. Ich befürworte Tierversuche, wenn sie unter den richtigen Bedingungen gemacht werden. Zur Behandlung der Tiere gibt es ja Tierschutzgesetze, die zum großen Teil sinnvoll sind und die muß man befolgen.

CC: Aber Tierversuche sind eben auch notwendig…

RJ: Absolut notwendig. Wenn man sich diese Tierschützer anguckt, die auch sehr ideologisch motiviert sind: sie gehen gegen Mäuseversuche vor oder gegen manche Versuche, die unter klaren Bedingungen stattfinden aber nicht gegen die Hühnerhaltung oder die Landwirtschaftshaltung, die ja nun wirklich erschreckend ist. Das sind zwei Standards, die da angewendet werden. Man muß auch immer den Hintergrund betrachten.

CC: Wenn man die ethische Frage über Tierexperimente hinweg noch etwas ausweitet: mußten Sie je einen Ihrer Forschungsansätze gegen ideologische Kritik verteidigen?

RJ: Ja, bei dem, was wir mit Mäusen alles gemacht haben, Therapie mit Mäusen, Einsatz von  Nuclear Transfer usf.: da habe ich Mails gekriegt, daß ich in der Hölle braten soll. Das waren Leute, die gegen Tierversuche waren. Und in den 19 Jahren mit therapeutischem Klonen gab es natürlich eine große öffentliche Debatte. Soll man das machen? Soll man mit menschlichen Embryos ..? Darf man..? Darf man nicht..? Das sind Debatten, denen muß man sich auch stellen. Ich war auch dann öfters in Washington, wenn da Anhörungen stattfanden im Kongress, zu der Frage, ob man das tun soll oder nicht. Das sind wichtige Aufgaben, die man als Wissenschaftler ja auch hat.

CC: Es kommt aber immer darauf an, von welcher Grundlage aus man Kritik übt. Das eine sind ja wissenschaftlich begründete Einwände, das andere sind Kritiken, die Dinge voraussetzen, die einem unter Umständen völlig fremd sind und die nicht einmal auf realen Konzepten beruhen, z.B. religiös motivierte Kritik an Stammzellforschung.

RJ: Ich bin nicht gerade ein Kirchgänger. Und ich denke, die katholische Kirche hat da gerade einen ausgesprochen negativen Einfluss auf die Stammzellforschung und fördert, ich würde sagen, fünftgradige Wissenschaft mit „Stamina“. Solche Firmen, die dann an irgendwelchen somatischen Stammzellen operieren, an ganz kleinen Zellen: das ist wissenschaftlich alles Unsinn. Und da steckt der Vatikan Geld rein. Das finde ich erstaunlich. Ich war zwei Mal im Vatikan zu solchen Kongressen und insofern kenne ich auch ein wenig die Ideologie, die dahinter steckt. Es wäre gut, wenn man da ein bisschen zur Aufklärung beitragen könnte. Und in Amerika wird das alles – das ist ja das Unsinnigste überhaupt – zu einer Abtreibungsfrage. Stammzellen haben nichts mit Abtreibung zu tun, aber in Amerika fällt ja alles in den Bereich Abtreibung, das ist ja geradezu absurd. Seit 150 Jahren bestimmt das ja irgendwo die amerikanische Politik. (lacht) Das ist unglaublich.

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Kommentare (13)

  1. #1 Dr. Webbaer
    04/04/2014

    Schönes Interview!, das wichtige Argument mit der Abtreibung kam auch, insgesamt bedenklich die bundesdeutsche rechtliche Lage,
    MFG
    Dr. W

  2. #2 Bloody Mary
    04/04/2014

    Ich habe keine Zeit, das alles zu lesen aber ich finde das sehr effektiv, besonders wenn es gut gemacht ist.

    Ich nehme mir die Zeit, alles von Dir zu lesen und finde das sehr effektiv, besonders, weil es gut gemacht ist.

    Ist das ein spannender, vergnüglicher und vorzüglicher Gesprächspartner gewesen (von dem ich zuvor noch nie gehört hatte, ebenso wenig von der Auszeichnung, die er erhielt). War nicht nur ein ausgesprochenes Lesevergnügen (danke für die Übersetzung ins für Laien verständliche Populärwissenschaftliche), sondern ich weiß jetzt auch viel mehr als zuvor.

  3. #3 Chemiker
    04/04/2014

    RJ: […] Die haben nicht in Erwägung gezogen, nach Deutschland zurückzugehen.

    CC: Zumal sie hier tatsächlich ins Gefängnis kommen können, je nachdem, woran sie gearbeitet haben.

    RJ: Es ist völlig unsinnig.

    Verstehe ich das richtig? Man kann in Deutschland für etwas ins Gefängnis kommen, was man in den USA unter amerikanischem Gesetz legal gemacht hat?

  4. #4 Dr. Webbaer
    04/04/2014

    Verstehe ich das richtig? Man kann in Deutschland für etwas ins Gefängnis kommen, was man in den USA unter amerikanischem Gesetz legal gemacht hat?

    Das geht grundsätzlich [1], es wird dann auf den Pass (!) geschaut, ob jemand die bundesdeutsche Staatsangehörigkeit hat und im Ausland sozusagen nach bundesdeutschem Recht schuldig geworden ist, und bei Rückkehr verhaftet. – Für die Biologen gilt dies hoffentlich (noch) nicht.

    HTH
    Dr. W

    [1] Stichwort: ‘Volksverhetzung’

  5. #5 rolak
    04/04/2014

    Selbstverständlich, Chemiker, falls die Tat auf einen der im StGB schön gelisteten Punkte zutrifft. Allein daß die gesammelten Treffer auf eine Bildschirmseite passen, sollte angesichts der Gesamtmenge Regelungen klar machen, daß es ganz ganz wenige Ausnahmen sind.

    Irgendwas in Richtung Arbeit mit menschlichen embrionalen Stammzellen ist mir auf die Schnelle aber nicht aufgefallen. Bin allerdings auch kein Jurist…

  6. #6 Dr. Webbaer
    04/04/2014

    @ Chemiker, rolak :
    Es geht hier um Rechtsräume (das Fachwort), diese sind im Ausbau begriffen, sind aber noch unzureichend theoretisiert, werden auch schnell sozusagen übergriffig.
    Sie stehen dem Aufklärerischen, das im Sinne der Aufklärung mit Nationalstaaten hantiert, wie bspw. der Liberalismus, direkt entgegen.
    MFG
    Dr. W

  7. #7 Cornelius Courts
    04/04/2014

    @BM: Danke für’s Feedback und das
    “sondern ich weiß jetzt auch viel mehr als zuvor.”
    ging mir nach dem Gespräch auch so 🙂

    @Chemiker: Ich zitiere: “Wer heute als deutscher Forscher mit neuen Stammzell-Linien im Ausland arbeitet, muss mit Gefängnis rechnen.”
    von hier: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/stammzellgesetz-biopolitische-friedensrunde-1434242-p2.html

  8. #8 Chemiker
    05/04/2014

    Ein Zeitungsbericht kann wohl kaum dieselbe Autorität wie der Gesetzes­text haben. Und dort lese ich in § 13

    (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geld­strafe wird bestraft, wer ohne Genehmi­gung nach § 6 Abs. 1
    embryonale Stamm­zellen einführt oder
    embryonale Stamm­zellen, die sich im Inland befinden, verwendet.

    § 2 legt den Gültigkeitsbereich des ganzen Gesetzes eindeutig auf Inland fest.

    Ich glaube einfach, daß die Aussage im Interview eine Fehl­information ist: Was man im Ausland mit Stamm­zellen macht, geht in DE den Staats­anwalt nichts an.

  9. #9 Dr. Webbaer
    05/04/2014

    Offen ist noch die Frage, wer genau bestraft wird, wenn die Einfuhr nach D erfolgt ist. Gab es diesbezüglich schon Urteile?

    MFG
    Dr. W (der den oben verwiesenen FAZ-Artikel als Einschätzung versteht bevor das Gesetz verabschiedet worden ist, d.h. es gab wohl noch Anpassungen nach dem Erscheinen des FAZ-Artikels)

  10. #10 Adent
    05/04/2014

    Schönes interessantes Interview, kleine Anmerkung, es heißt Crispr/Cas nicht Crisper, eigentlich ja sogar CRISPR/Cas9. Eine deutsche Seite dazu wäre klasse.

  11. #11 mackage sale
    https://www.rcmpcc.ca/web/mackage.asp
    28/11/2016

    Interview mit Rudolf Jaenisch (ungekürzte Version) – blooDNAcid
    mackage sale https://www.rcmpcc.ca/web/mackage.asp

  12. #12 mackage sale
    https://www.tekpro.ca/images/mackage.html
    28/11/2016

    Interview mit Rudolf Jaenisch (ungekürzte Version) – blooDNAcid
    mackage sale https://www.tekpro.ca/images/mackage.html

  13. #13 mackage jackets
    https://www.mackageca.com/mackage-men-c-1/
    17/11/2019

    Interview mit Rudolf Jaenisch (ungekürzte Version) – blooDNAcid
    mackage jackets https://www.mackageca.com/mackage-men-c-1/