Die Indexformel für Vektorfelder auf triangulierten Flächen.
In den letzten Wochen war es um Vektorfelder auf Flächen gegangen, speziell um das Hopf-Poincaré-Theorem: dieses besagt, daß die Summe der Indizes der Nullstellen eines Vektorfeldes (auf einer Fläche) gerade die Euler-Charakteristik der Fläche ist, also E-K+F für eine beliebige Triangulierung.
Am Schluß des letzten Beitrages hatten wir schon an einem suggestiven Beispiel die Richtigkeit der Formel überprüft. Heute wollen wir das allgemein für beliebige Vektorfelder tun.
Zur Erinnerung die Definition des Index einer Nullstelle: man nehme einen Kreis um die Nullstelle (so daß keine weiteren Nullstellen im Inneren liegen), in jedem Punkt des Kreises gibt das Vektorfeld eine Richtung an (also einen Punkt auf dem Einheitskreis). Man bekommt also eine Abbildung f:S1–>S1 und deren Abbildungsgrad (TvF 189) ist, per Definition, der Index der Nullstelle.
Im ersten Bild ist f(z)=eiπz, im zweiten Bild f(z)=eiπ/2z, beide Abbildungen haben Abbildungsgrad deg(f)=1. Im dritten Bild ist f (ungefähr) die komplexe Konjugation, der Abbildungsgrad ist -1. Also ist in den ersten beiden Beispielen die Index der Nullstelle +1 und im dritten Beispiel der Index der Nullstelle -1.
Beweis von Indexsumme=E-K+F
Es gibt natürlich verschiedene Beweise zum Poincaré-Hopf-Theorem, einen recht anschaulichen speziell für den 2-dimensionalen Fall findet man im Buch von Thurston. (Die Darstellung unten beruht auf der Zusammenfassung von Thurstons Beweis in Kapitel 19 von Richesons Buch, aus dem auch die Bilder stammen.)
Die Idee ist die Fläche so zu zerlegen, daß man jeweils ein Polygon um eine Nullstelle hat und der Rest der Fläche in Dreiecke zerlegt ist.
Tatsächlich kann man beweisen, daß es immer eine Triangulierung der Fläche gibt, so daß jedes Polygon höchstens eine Nullstelle enthält und so daß alle Kanten jeweils transversal zum Vektorfeld sind. (Das ist eine Übungsaufgabe in Thurstons Buch. Wir hatten ja in TVF 187: ‘Dreiecke und Differenzierbarkeit’ mal bewiesen, daß sich jede Fläche triangulieren läßt. Der Beweis, daß es Triangulierungen mit den obigen speziellen Eigenschaften gibt, ist natürlich noch um einiges aufwendiger, wir setzen jetzt aber einfach mal eine solche Triangulierung voraus.)
Jetzt ordnen wir den Ecken, Kanten, Flächen jeweils eine Zahl zu. Jede Ecke bekomt eine 1, jede Kante eine -1, jedes Dreieck eine 1. Wenn man diese 1en und -1en aufaddiert, bekommt man offensichtlich E-K+F, also die Euler-Charakteristik.
Genauer: wir schreiben die -1 einer Kante jeweils in diejenige angrenzende Fläche, in die der Vektor (am Mittelpunkt der Kante) hineinzeigt, entsprechend die 1 einer Ecke jeweils in die angrenzende Fläche, in die der Vektor hineinzeigt.
Um die Behauptung: “Summe der Indizes = E-K+F” zu beweisen, müssen wir also beweisen, daß die Summe der Indizes gerade gleich der Summe der eingetragenen 1en und -1en ist. Dafür wiederum genügt es zu zeigen, daß:
1. für jedes Dreieck ohne Nullstellen die Summe der eingetragenen 1en und -1en genau 0 ergibt,
2. für jedes Polygon mit einer Nullstelle die Summe der eingetragenen 1en und -1en gerade der Index der Nullstelle ist.
Das sind beides lokale Probleme, die man durch Betrachten der verschiedenen Möglichkeiten abhandeln kann.
1.Dreiecke, die keine Nullstelle enthalten.
2 Möglichkeiten:
– Vektoren zeigen nach innen auf einer Kante und keinen Ecken
– Vektoren zeigen nach innen auf zwei Kanten und deren gemeinsamer Ecke.
In jedem Fall ist die Summe der 1en und -1en gleich 0. Und da es keine Nullstellen gibt, ist die Summe der Indizes natürlich ebenfalls 0. In diesem Fall haben wir also die behauptete Gleichheit.
2. Polygone, die eine Nullstelle enthalten.
In diesem Fall berechnet diese Technik gerade den Index der Nullstelle. (Allgemein war der Index ja definiert als der Abbildungsgrad der durch das Vektorfeld auf dem Rand gegebenen Abbildung S1–>S1 (m.a.W. die Windungszahl des Vektorfeldes um 0). Diesen Abbildungsgrad kann man nun wie folgt berechnen. Starte in einem Punkt des Kreises. Gehe (im Uhrzeigersinn) entlang des Kreises und verfolge die Änderung des Vektors. Jedesmal wenn der Vektor einmal vollständig im bzw. gegen den Uhrzeigersinn gedreht wurde, addiere 1 bzw. -1. Das Ergebnis (nach einmaligem Durchlauf des Kreises) ist der gewünschte Abbildungsgrad, also der Index der Nullstelle.)
Das man als Summe der eingetragenen 1en und -1en die Summe der Indizes bekommt, zeigen wir hier mal nur an zwei suggestiven Beispielen:
– im oberen Bild stehen alle 1en und -1en innerhalb des Polygons. Weil man genausoviele Ecken wie Kanten hat, bleibt nur die zur Fläche gehörende 1 übrig. (Und der Index einer solchen Senke ist natürlich 1.)
– im unteren Bild gibt es nur zwei Kanten mit nach innen zeigenden Vektoren, keine Ecken. Also 2 mal -1, außerdem die zur Fläche gehörende 1, die Summe ist -1. (Und der Index eines Sattelpunktes ist ebenfalls -1.)
Man kann zeigen, daß das analog auch bei anderen Typen von Nullstellen funktioniert. Das beweist also das Hopf-Poincaré-Theorem für Flächen.
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