Letzte Woche hatten wir beschrieben, welche im R3 eingebetteten Flächen minimale Energie haben. Eine Frage, die sich da natürlich stellt: kann man eigentlich jede topologische Fläche in den R3 einbetten?
Die geschlossenen, orientierbaren Flächen lassen sich ja offensichtlich in den R3 einbetten: die unten abgebildeten
ebenso wie alle Flächen, die man durch Ankleben weiterer Henkel erhält – und nach der Klassifikation der Flächen (TvF 178) gibt es nur diese geschlossenen, orientierbaren Flächen, also lassen sich alle geschlossenen, orientierbaren Flächen in den R3 einbetten.
Was ist aber mit den nichtorientierbaren Flächen, zum Beispiel der projektiven Ebene (TvF 155) oder der Kleinschen Flasche (Bild unten)? Die lassen sich jedenfalls nicht auf offensichtliche Weise in den R3 einbetten: das Bild unten ist keine Einbettung, weil es ja eine Selbstdurchdringung gibt, wo sich zwei Teile der Bild-Flasche schneiden.
Tatsächlich kann man beweisen, dass sich die nichtorientierbaren geschlossenen Flächen nicht in den R3 einbetten lassen. (Sie lassen sich aber in den R3 immersieren, wie wir nächste Woche an einigen Beispielen zeigen werden.)
Der Beweis der Nicht-Einbettbarkeit, den wir im folgenden skizzieren, besteht aus zwei Teilschritten:
– jede eingebettete Fläche zerlegt den R3 in zwei Zusammenhangskomponenten (hat also zwei Seiten), und
– jede zweiseitige Fläche ist orientierbar.
Alles hat 2 Seiten …
In TvF 171 hatten wir mit Hilfe von Homologietheorie bewiesen, dass jede Kurve die Ebene R2 in zwei Zusammenhangskomponenten zerlegt. Wenn man sich den Beweis anschaut, stellt man fest, dass genau derselbe Beweis auch funktioniert um zu beweisen, dass jede geschlossene Fläche K den Raum in zwei Zusammenhangskomponenten zerlegt. Die einzige Feinheit, auf die man hier im Beweis achten muss: man muß Homologie mit Z2-Koeffizienten verwenden, um sicherzugehen, dass auch im Fall nichtorientierbarer Flächen gilt: . Der Beweis geht dann wie folgt: nach Lefschetz-Dualität hat man
, wegen
und
folgt dann aus der langen exakten Homologiesequenz
, also hat
zwei Zusammenhangskomponenten.
Man sollte vielleicht erwähnen, dass dieses Ergebnis durchaus nicht offensichtlich ist. Während zum Beispiel alle Zerlegungen der Ebene durch eine Kurve topologisch äquivalent zur Zerlegung durch den Einheitskreis sind (das ist der Satz von Schoenflies, über den wir in TvF 177 geschrieben hatten) gibt es durchaus topologisch unterschiedliche Zerlegungen des R3 durch eine Sphäre. Bekanntes Beispiel ist Alexanders gehörnte Sphäre im Bild oben (der New Yorker hatte auch einmal ein Bild von Alexanders gehörnter Giraffe), oder natürlich auch die aus der Knotentheorie bekannten verknoteten Volltori, deren Komplement nie (außer wenn der Torus unverknotet ist) homöomorph zum Komplement des Clifford-Torus ist.
… nur das Möbiusband nicht
Das Möbiusband ist natürlich eine in den R3 eingebettete Fläche und es ist nicht orientierbar, aber es ist eben keine geschlossene Fläche, sondern eine Fläche mit Rand (insbesondere ist ) weshalb sich der obige Beweis nicht anwenden läßt.
In TvF 11 hatten wir mal darüber geschrieben, dass man auf dem Möbiusband nicht sinnvoll “rechts” und “links” definieren kann (oder Drehungen mit und gegen den Uhrzeigersinn) definieren kann.
Mathematisch exakt formuliert man Orientierbarkeit wie folgt:
in einem Vektorraum gibt es zwei Äquivalenzklassen von Basen, wobei zwei Basen des Vektorraums zur selben Äquivalenzklasse gehören sollen, wenn ihr Basiswechsel positive Determinante hat. Man kann dann (willkürlich) festlegen, dass man die Basen der einen Äquivalenzklasse positiv und diejenigen der anderen Äquivalenzklasse negativ nennt.
Eine Orientierung der Fläche ist nun eine konsistente (d.h. stetig vom Basispunkt abhängende) Festlegung von positiv und negativ für die Basen jeder einzelnen Tangentialebene.
Auf dem Möbiusband gibt es keine Möglichkeit, auf konsistente Weise positiv und negativ (oder links und rechts) festzulegen. Wenn eine Ameise einmal um das Möbusband heumläuft, dann haben sich aus ihrer Sicht links und rechts vertauscht:
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