Die Sphäre im Titelbild ist nicht “immersiert”: am Äquator sind die Ableitungen (in horizontaler Richtung) alle Null. Solche Spitzen entstehen scheinbar zwangsläfig, wenn man versucht eine Sphäre umzustülpen.
Wir hatten letzte Woche ein Originalvideo aus den 70er Jahren verlinkt, in welchem Pugh (unter anderem mit Smale) die Umstülpung der Sphäre erklärten.
Es ging um die Sphäre S2={(x,y,z): x2+y2+z2=1} die neben der offensichtlichen Einbettung (x,y,z) —> (x,y,z) auch noch eine andere Einbettung (x,y,z) —> (x,y,-z) in den R3 hat, bei der sozusagen “innen” und “außen” vertauscht werden, die Sphäre wird “umgestülpt”. Diese beiden Abbildungen lassen sich natürlich leicht ineinander verformen (“homotopen”), z.B. durch F((x,y,z),t)=(x,y,(1-2t)z) oder Variationen davon, bei denen man während der Homotopie aber immer “Spitzen” produziert, also nicht zu jedem Zeitpunkt eine Immersion hat. Eine Homotopie mittels Immersionen zwischen den beiden Einbettungen zu produzieren ist offenbar nicht so einfach, doch es ist möglich: dies folgte aus einem allgemeinen von Stephen Smale in seiner Dissertation 1957 bewiesenen Satz und wurde später auch explizit realisiert, wie wir letzte Woche kurz abgerissen hatten.
Die Umstülpung der Sphäre ist ein beliebtes Thema für Visualisierungen und vor allem das in den 90er Jahren am Geometry Center der University Minnesota gedrehte Video gilt als eines der besten unter den bisher über mathematische Forschung gedrehten Videos.
Die ersten zwei Minuten sind quasi eine Zusammenfassung des Ganzen, man kann sich also – wenn man nicht die gesamten 20 Minuten sehen will – auch nur den Anfang anschauen und bekommt da in der 2.Minute jedenfalls schon mal im Zeitraffer gezeigt, wie die Umstülpung der Sphären funktioniert. (Und wenn man sich für die langsameren Bilder der Umstülpung interessiert, kann man im 2.Video bei Minute 3 anfangen.)
Im Video wird sehr ausführlich auf das analoge 1-dimensionale Problem eingegangen, also Kreise in der Ebene: dort ist eine entsprechende Umstülpung nicht möglich. Die Immersionen des Kreises in die Ebene werden durch die Windungszahl klassifiziert: wenn zwei Immersionen unterschiedliche Windungszahl haben, dann gibt es keine reguläre Homotopie, d.h. keine Homotopie, die zu jedem Zeitpunkt eine Immersion ist. (Und weil der umgestülpte Kreis die entgegengesetzte Windungszahl hat, lässt sich dei Umstülpung also nicht durch eine reguläre Homotopie realisieren. Dazu nächste Woche.) Man kan sicher annehmen, dass diese Analogie ein Grund dafür war, dass Smales (zunächst theoretisches) Resultat über die Möglichkeit der Sphärenumstülpung eine Zeitlang skeptisch gesehen wurde, bis man explizite Realisierungen fand.
Wir werden in den folgenden Wochen noch Smales Theorem in einen allgemeineren Kontext einordnen: seit Gromov betrachtet man Smales Resultat als Spezialfall eines allgemeinen unter der Bezeichnung h-Prinzip bekannten Phänomens. Grob gesagt hatte Smale zu einer Immersion f der S2 in den R3 eine “tangentiale Abbildung” von S2 in die Stiefel-Mannigfaltigkeit V3(R3) definiert. (Die Stiefel-Mannigfaltigkeit ist die Menge aller Basen des R3.) Die “tangentiale Abbildung” zu f kann man – jedenfalls ‘fast’ korrekt – so beschreiben, dass man in jedem Punkt der S2 eine Basis des Tangentialraums nimmt und deren Bilder unter Df zusammen mit einem Normalenvektor bilden dann eine Basis im R3, geben also einen Punkt in V3(R3). (In Wirklichkeit ist die Konstruktion etwas komplizierter, weil man ja auf der S2 keine global definierte Basis aus Tangentialvektoren hat.) Jedenfalls hat Smale dann allgemein bewiesen, dass zwei Immersionen regulär homotop sind genau dann wenn es eine Homotopie der tangentialen Abbildungen (im üblichen Sinne einer Homotopie stetiger Abbildungen) gibt – das ist ein Spezialfall dessen, was heute als h-Prinzip bezeichnet wird. Die zweite Homotopiegruppe von V3(R3) ist aber trivial, also sind alle Abbildungen von S2 nach V3(R3) homotop, mithin nach Smales Resultat dann alle Immersionen der S2 in den R3 regulär homotop, insbesondere lässt sich die Sphäre umstülpen. (Dies nur ein kurzer Abriss des Arguments, wir werden das noch einmal ausführlicher im allgemeinen Kontext des h-Prinzips darstellen.)
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