Die Euler-Charakteristik von Flächen ließ sich auf vielerlei Weise berechnen, eine (aus der Verallgemeinerung des Igelsatzes hergeleitete) war über die Nullstellen von Vektorfeldern.

Das war der Satz von Poincaré-Hopf (TvF 204): Für ein Vektorfeld mit endlich vielen Nullstellen auf einer Fläche ergibt sich als Summe der Nullstellen-Indizes gerade die Euler-Charakteristik der Fläche.
Die Nullstellen-Indizes (TvF 203) – für diesen Beitrag ist die genaue Definition nicht wirklich wichtig – kann man sich an diesen Bildern veranschaulichen:: in den ersten beiden Fällen hat die Nulstelle Index 1, im dritten Fall Index -1.

img6081 vektorfelder_2 saddle-2

Euler-Klasse

Wir hatten in den letzten Wochen charakteristische Klassen diskutiert und letzte Woche gesehen, daß die Euler-Klasse des Tangentialbündels einer Fläche – angewandt auf die Fundamentalklasse – gerade die Euler-Charakteristik ergibt. (Die Euler-Klasse war definiert als diejenige charakteristische Klasse, die der Pfaffschen Determinante entsprach.)

Den Satz von Poincaré-Hopf kann man benutzen, um der Euler-Klasse (des Tangentialbündels einer Fläche) eine anschaulichere Interpretation zu geben.

Zur Erinnerung:
Homologieklassen waren gegeben durch formale Summen von Simplizes (sogenannte Ketten),
Kohomologieklassen sind dadurch gegeben, daß man jedem Simplex eine Zahl
zuordnet (sogenannte Koketten, genaue Definition von singulärer Kohomologie hier).

Wir machen nun folgende (zunächst vielleicht recht willkürlich erscheinende) Definition
einer Kokette: wir nehmen auf unserer Fläche irgendein Vektorfeld mit isolierten Nullstellen
(letztere Bedingung kann man durch eine kleine Störung irgendeines Vektorfeldes immer erreichen)
und ordnen jedem Simplex die (dann ja endliche) Summe der Indizes der Nullstellen auf diesem Simplex zu.
Das definiert einen Kozykel. (A priori hängt der Kozykel vom gewählten Vektorfeld ab. Wir werden gleich sehen, dass seine Kohomologieklasse vom gewählten Vektorfeld unabhängig ist.)

Behauptung: Die Kohomologieklasse dieses Kozykels ist die Euler-Klasse.

Beweis: Wegen H_2(F)=\mathbb Z genügt es zu überprüfen, dass Anwendung
auf einen Erzeuger von H_2(F) die Euler-Charakteristik ergibt. (Denn dies
gilt, wie wir letzte Woche aus Gauß-Bonnet gefolgert hatten, für die Euler-Klasse.)
Der Erzeuger von H_2(F), die sogenannte “Fundamentalklasse” wird
z.B. durch die Summe der Simplizes in einer Triangulierung repräsentiert.
torustriangulated
Wir nehmen also eine Triangulierung unserer Fläche und wollen beweisen, dass Anwendung unseres Zykels auf die Summe der Dreiecke die Euler-Charakteristik gibt. Nun gibt unser Zykel zu jedem Dreieck aber gerade die Summe der Indizes der Nullstellen des Vektorfeldes auf diesem Dreieck, in der Summe über alle Dreiecke also die Summe der Indizes der Nullstellen über die gesamte Fläche, und letztere ist nach dem Satz von Hopf-Poincare gerade die Euler-Charakteristik. QED

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Kommentare (2)

  1. […] Teil 254, Teil 255, Teil 256, Teil 257, Teil 258, Teil 259, Teil 260, Teil 261, Teil 262, Teil 263, Teil 264, Teil […]

  2. […] Und dann kann man in Analogie zum Igelsatz die Nullstellen eines Schnittes über Simplizes zählen (TvF 264 und TvF 268) und im Falle flacher Bündel hat man verschiedene Definitionen innerhalb der […]