In dieser Reihe ging es ja eigentlich um Geometrisierung von Flächen und wofür sie nützlich ist. Die meisten Flächen (nämlich die mit mindestens 2 Henkeln) hatten eine hyperbolische Metrik, während der Torus sich mit einer flachen Metrik in Form bringen ließ (TvF 63).
Quelle: Ghys: Geometriser l’espace
Daß der Torus die einzige geschlossene Fläche ist, deren Krümmung sich zu 0 machen läßt, war eine Folgerung aus der Gauß-Bonnet-Formel:
Wenn die Krümmung 0 ist, dann muß auch die Euler-Charakteristik 0 sein und das ist nur beim Torus der Fall.
(Es gibt übrigens auch eine höher-dimensionale Version des Satzes von Gauß-Bonnet, mit der man dann auch in höheren Dimensionen bekommt, dass es flache Metriken nur auf Mannigfaltigkeiten mit Euler-Charakteristik 0 geben kann. Das ist im Nachhinein eine recht offensichtliche Anwendung der Chern-Weil-Theorie, wurde aber anscheinend zum ersten Mal 1957 von Milnor in seiner Arbeit “On the existence of a connection with curvature zero” beobachtet.)
Vor 2 Wochen hatten wir gesehen, dass die Gauss-Bonnet-Formel nur ein Spezialfall einer allgemeinen Formel ist: die Euler-Klasse eines beliebigen Bündels über einer Fläche läßt sich durch Integration der Krümmungsform des Bündels über die Fläche (dividiert durch 2π) berechnen.
Flache Bündel kamen hier schon einige Male vor, z.B. TvF 139. Weil (nach Ambrose-Singer) die Krümmung ja gerade die infinitesimale Holonomie mißt, hat man bei flachen G-Bündeln eine wohldefinierte Holonomieabbildung . (Homotope Schleifen haben bei Krümmung 0 dieselbe Holonomie, deshalb ist die Abbildung auf der Fundamentalgruppe wohldefiniert.)
Bemerkenswert ist vielleicht, daß bei einem flachen SO(2)-Bündel zwar die Eulerklasse in reeller Kohomologie stets Null sein muß (eben weil man sie über die Krümmungsform berechnen kann), die Eulerklasse in ganzzahliger Kohomologie aber durchaus von Null verschieden sein kann. (Ein Beispiel sind 5-dimensionale Linsenräume.)
Und ebenfalls etwas überraschend ist, daß – anders als bei einem flachen SO(2)-Prinzipalbündel – die Euler-Klasse eines flachen GL(2,R)-Prinzipalbündels durchaus (auch schon in der ganzzahligen Kohomologie) von Null verschieden sein kann.
Tatsächlich hat Milnor in seiner Arbeit über fläche Bündel auf Flächen für Flächen vom Geschlecht g explizite Beispiele von Homomorphismen
angegeben, welche alle Werte der Eulerklasse zwischen -g+1 und g-1 realisieren.
Umgekehrt hat er gezeigt, daß die Eulerklasse eines flachen Bündels über nicht größer als g-1 sein kann. Der Beweis funktioniert i.W. über einen gruppentheoretischen Algorithmus zur Berechnung der Euler-Klasse:
Die Fläche bekam man ja durch Identifizieren der Seiten eines 4g-Ecks
und die Seiten des 4g-Ecks entsprechen dann Erzeugern der Fundamentalgruppe . Ein flaches GL+(2,R)-Bündel ist gegeben durch seine Holonomie
, man muß also den 2g Erzeugern der Fundamentalgruppe Matrizen aus GL+(2,R) zuordnen, so dass nach einmaligem Umlaufen des 4g-Ecks das Produkt 1 ergibt.
Milnor benutzte dann, dass es eine exakte Sequenz gibt und bewies, dass man die Euler-Klasse von
wie folgt berechnen kann: zu jedem der Erzeuger nimmt man eine Hochhebung seines Bildes in
. Das Produkt nach einmaligem Umlaufen des 4g-Ecks liegt in
(weil es auf
abgebildet wird) und Milnor zeigt, dass diese ganze Zahl gerade (bis aufs Vorzeichen) die Euler-Klasse des flachen Bündels ist. Mittels dieser expliziten Beschreibung kann er dann leicht die Ungleichung
beweisen.
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