10 Jahre scienceblogs sind eine Gelegenheit, im Rückblick nochmal einige ältere Artikel herauszusuchen und anzuschauen. Mehr als 1400 Artikel, mehr als 17000 Leserkommentare – da verschwimmt vieles in der Erinnerung. Um diesen Rückblick ein wenig zu strukturieren habe ich den in Zeiten von Big Data einfachsten Weg gewählt, nämlich mir die Google Analytics-Statistiken der einzelnen Jahrgänge angeschaut. Nicht dass Klickzahlen besonders wichtig wären – aber irgendeine Orientierung braucht es halt in der Unübersichtlichkeit der vielen Beiträge – und die Auswahl der meistgelesenen gibt durchaus einen repräsentativen Überblick über die unterschiedlichen Themen, die hier in 10 Jahren vorkamen.
Erfreulich beim Blick in die Statistik ist jedenfalls, dass die Artikel des ersten Jahres im Zehn-Jahres-Überblick zu den meistgeklickten gehören. Das ist zwar eigentlich nicht überraschend, denn sie waren ja auch länger online. Aber andererseits waren im ersten Jahr die Leserzahlen doch noch deutlich niedriger gewesen als in späteren Jahren und insofern ist es doch erfreulich, dass diese frühen Artikel über die Suchmaschinen dann später noch ihre Leser gefunden haben.
Am Anfang war die “Topologie von Flächen”-Reihe, die noch bis 2013 in insgesamt 270 Folgen fortgesetzt wurde und erstaunlich viele Leser (aber nur wenige Leserkommentare) hatte. Die Bildschirmfotos oben und unten vermitteln vielleicht einen Eindruck von der Reihe. Unter den meistgeklickten Beiträgen sind natürlich die ersten, besonders elementaren Beiträge, aber auch Folge 49 (aus der das erste Bildschirmfoto oben stammt) oder Folge 60 (immer in den Wochen vor Ostern vielgelesen) oder Folge 212, und natürlich die letzten beiden Beiträge Folge 269 und Folge 270.
Der in 2008 meistgelesene Beitrag war aber Captcha. Was auch schon ein durchgehendes und sich in jüngerer Zeit eher verstärkendes Motiv erkennen läßt: oft sind es die sehr kurzen und nur auf irgendetwas lustiges im Netz verweisenden Beiträge, die am meisten geklickt und weiterempfohlen werden. Aber eben nicht nur, es sind auch immer wieder ausgesprochen fachspezifische Beiträge unter den Vielgelesenen.
Zu einem Dauerbrenner entwickelte sich die Diskussion über Eine merkwürdige Stellenanzeige. Dieser Artikel über die Stellenanzeige einer Promotionshilfe war eigentlich nur eine kurze Notiz gewesen, durch die Beiträge des Diskussionsteilnehmers “Rumpel Stilz” ergaben sich dann aber sehr interessante Einblicke in das Unwesen der Promotionsvermittler, das ja damals – lange vor Guttenberg – noch weithin unentdecktes Gelände war. Schließlich beteiligten sich dann auch noch die “Betroffenen” an der Diskussion und sechs Jahre später brachte mir die Artikel-Diskussion sogar eine Anzeige bei einer bayerischen Staatsanwaltschaft – die aber natürlich ergebnislos niedergeschlagen wurde.
Und auch die im Artikel Chaos bei Elsevier diskutierte Geschichte über die Fachzeitschrift “Chaos, Solitons and Fractals” hatte eine längere Nachgeschichte, zunächst Wissenschaftsjournalismus und Pressefreiheit – Feigheit bei der ZEIT und fast vier Jahre später “Nature” siegt vor Gericht.
Nicht sofort, aber langfristig viele Klicks hatte “Die Vermessung der Welt”: Materialien, Dokumente, Interpretationen, eigentlich nur eine Wiedergabe einiger Inhalte aus dem Sammelband von Gunther Nickel. Woher die vielen Leser kommen ist in diesem Fall leicht nachzuvollziehen: weil Nickels Originaltext nicht online ist, war dieser Blogartikel als Einzelnachweis im Wikipedia-Artikel zum Roman verlinkt und wurde dann offenkundig von vielen Schülern angeklickt, die ein paar Zitate für ihre Hausarbeiten brauchten. (Der Herausgeber Gunther Nickel hat dann später übrigens eine zweifelhafte Karriere als AfD-Politiker gemacht. Aber das wäre ein anderes Thema.)
Und noch ein anderer Artikel hatte langfristig viele Leser: Eichhörnchen, Baumlöcher und die Freunde der Ratte – Chinesische Wissenschaftsblogs (Bildschirmfoto unten).
In 2009 nahmen die Leser und vor allem das Kommentaraufkommen sprunghaft zu. Grund dafür war ein Artikel zum 130. Einstein-Geburtstag am 14. März. Eigentlich nur ein launiger Beitrag mit einigen Karikaturen und lustigen Zitaten, der zunächst auch kaum beachtet wurde. Lebhafte Diskussionen entwickelten sich erst zwei Wochen später, als Leser “Max Feierabend” (#42 vom 26. April) auf eine “Gesellschaft zur Förderung der wissenschaftlichen Physik” hinwies, deren damaliger Vorsitzender gerne mal mit kruden antisemitischen Thesen auf sich aufmerksam machte. Die sich anschließende Debatte zog sich noch über Monate und mehrere Tausend Diskussionsbeiträge in verschiedenen Diskussionssträngen. (Wie ich gehört habe, soll es einen Studenten aus Bielefeld geben, der schon seit acht Jahren versucht, diese Debatte zum Thema seiner Abschlußarbeit in Wissenschaftssoziologie und Wissenschaftskommunikation zu machen.) Für eine aktuelle Neuauflage der Diskussion siehe diesen Artikel von Markus Pössel vom November letzten Jahres.
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