Fourier-Reihen dienen dazu, Funktionen in eine Summe unendlich vieler Schwingungen zu zerlegen – so wie das Ohr den Klang eines Sinfonie-Orchesters in die Schwingungen der einzelnen Instrumente zerlegen kann. Statt der Funktion f(t) hört man die Intensität der einzelnen Schwingungen, also die Koeffizienten in der Zerlegung von f(t) in Sinus- und Kosinusschwingungen unterschiedlicher Frequenz.
In der Mathematik des 19. Jahrhunderts waren Fourier-Reihen vor allem als nützlicher Ansatz beim Lösen von Differentialgleichungen wichtig gewesen.
Eine stetige Funktion f auf einem kompakten Intervall [a,b] (oBdA [a,b]=[-π,π]) mit f(a)=f(b) kann man in eine Fourierreihe entwickeln.
Aus der Parsevalschen Gleichung (oder bereits der einfacheren Besselschen Ungleichung) folgt, dass die Folge der Koeffizienten in l2 liegt, dem Vektorraum der quadratisch summierbaren Folgen.
Hilbert hatte dies beim Beweis des Spektralsatzes für stetige Funktionen benutzt und Erhard Schmidt hatte diesen Ansatz geometrisch gedeutet, in dem er stetige Funktionen als Vektoren im unendlich-dimensionalen Vektorraum l2 (mit seinem natürlichen Skalarprodukt) interpretierte, die Funktionen 1 und cos(kx), sin(kx) – wobei k alle natürlichen Zahlen durchläuft – als vollständiges Orthonormalsystem in diesem Raum, und die Koeffizienten der Fourier-Reihe einer Funktion f als Skalarprodukt von f mit diesen Vektoren.
Nun entspricht nicht jeder Punkt aus l2 einer stetigen Funktion und tatsächlich ist der Raum der stetigen Funktionen nicht vollständig in der L2-Norm, d.h. nicht jede Cauchy-Folge konvergiert. Hilbert und Schmidt konnten zwar mit dem unendlich-dimensionalen Raum l2 arbeiten, aber er war jedenfalls nicht der Funktionenraum, um den es ihnen eigentlich ging.
Bereits ein Jahr nach Hilberts Arbeit kam dann Frigyes Riesz, damals Gymnasiallehrer im slowakischen Löcse, mit der folgenden Idee: wenn man statt des klassischen Integralbegriffs das Lebesgue-Integral verwendet, dann kann man auch viele unstetige Funktionen integrieren. Wenn man den Vektorraum L2 der auf [-π,π] quadratisch-integrierbaren Funktionen f betrachtet, für die also endlich ist (und wenn man Funktionen identifiziert sobald sie außerhalb einer Nullmenge übereinstimmen), dann ist dieser Funktionenraum - wieder mittels der Koeffizienten trigonometrischer Polynome - isomorph zu l2: Riesz bewies, dass jede Folge in l2 einer Funktion in L2 entspricht. Insbesondere ist L2 vollständig, was gleichzeitig auch vom Brünner Privatdozenten Ernst Fischer bewiesen und in der selben Ausgabe der Comptes Rendus wie Riesz' Arbeit veröffentlicht wurde. Anschaulich bedeutet die Vollständigkeit, dass man L2([a,b]) wie einen (unendlich-dimensionalen) euklidischen Raum behandeln kann, man also eine Geometrie der Funktionen erhält. Dies paßte in eine neue Sichtweise, wie sie etwa von Hadamard vertreten wurde. Dessen Doktorand Maurice Frechet hatte in seiner Dissertation metrische Räume definiert und festgestellt, dass diese im Allgemeinen (und gerade im unendlich-dimensionalen) nicht alle Eigenschaften des Rn teilen, beispielsweise sind sie nicht immer vollständig und in der Regel fehlt die lokale Kompaktheit, mit deren Hilfe man in endlich-dimensionalen Räumen Kompakta als abgeschlossene, beschränkte Mengen charakterisieren kann.
Riesz hatte als erster L2([a,b]) mit der L2-Norm als metrischen Raum betrachtet. Mittels des Skalarprodukts konnte er L2([a,b]) als sein eigenes Dual auffassen: wegen der Cauchy-Schwarz-Ungleichung entsprechen die L2-Funktionen stetigen Funktionalen auf L2 und er bewies, dass es keine weiteren stetigen Funktionale gibt.
In der Vergangenheit hatten Mathematiker, etwa Poincaré und Klein in ihren Arbeiten zur Uniformisierung, nie gezögert, Stetigkeitsargumente in Funktionenräumen zu verwenden. Den Begriff des stetigen Funktionals, also einer stetigen Abbildung auf einem Funktionenraum, gab es aber noch nicht lange. Hadamard hatte erstmals eine Charakterisierung stetiger Funktionale (bzgl. gleichmäßiger Konvergenz stetiger Funktionen) gefunden.
In den folgenden Jahren bewies Riesz, teils in Zusammenarbeit mit anderen, eine Reihe von "Darstellungssätzen", in denen es darum ging, jedes stetige Funktional als Integral (oder in geometrischer Sprache als Skalarprodukt mit einer geeigneten Funktion) darzustellen. So konnte er mit Hilfe der Hölder-Ungleichung zeigen, dass die stetigen Funktionale auf Lp([a,b]) gerade die Skalarprodukte mit Funktionen aus Lq([a,b]) für 1/p+1/q=1 sind. Insbesondere ist Lp([a,b]) ein vollständiger metrischer Raum.
Schließlich fand er den ultimativen Darstellungssatz mit Hilfe eines auf Stieltjes zurückgehenden allgemeineren Integralbegriffs: jedes stetige Funktional auf C0(R) - dem Raum der im Unendlichen verschwindenden stetigen Funktionen - ist darstellbar durch Integration über ein geeignetes (Borel-reguläres) Maß. (Die Verwendung des Stieltjes-Integrals ist eigentlich nicht notwendig, wie Kakutani 1941 bewies.) Der Dualraum C0(R)* ist also der Raum dieser Maße.
Mit dem Darstellungssatz konnte Riesz das Momenten- und Approximationsproblem in C([a,b]) lösen. Auf einer grundsätzlicheren Ebene wurde durch den Darstellungssatz die Göttinger Theorie der Integralgleichungen mit der französischen Schule der reellen Funktionen zusammengeführt. Die Maß- und Integrationstheorie wurde zu einem Teil der Funktionalanalysis.
Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Frigyes_Riesz.jpeg
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