Um den Teichmüller-Raum zu verstehen, würde man gerne in jeder Äquivalenzklasse quasikonformer Abbildungen einen „extremalen“ Vertreter haben. Teichmüller verfolgte den geometrischen Ansatz, extremale Abbildungen zu definieren als die Abbildungen minimaler Dilatation (d.h. minimale Verzerrung der Winkel) in der jeweiligen Homotopieklasse.
Herbert Grötzsch, hatte zehn Jahre zuvor das Problem gelöst, welches die “beste” quasikonforme Abbildung ist, die ein Rechteck eckenerhaltend auf ein gegebenes zweites Rechteck abbildet: hier sind (nur) die naheliegenden affinen Abbildungen extremal. Der Satz von Teichmüller als Verallgemeinerung des Satzes von Grötzsch auf Flächen höheren Geschlechts besagt, dass es zwischen zwei Riemannschen Flächen gleichen Geschlechts stets eine eindeutige, die minimale Dilatation realisierende quasikonforme Abbildung gibt.

Der Satz von Teichmüller benötigte neue Ideen und Verbindungen zu anderen Gebieten wie der Theorie quadratischer Differentiale. Daneben unterschied sich seine Arbeit auch stilistisch durch einen „warmen“, direkten Stil von der kurzen und analytisch formulierten Arbeit des unter dem Einfluß Paul Koebes stehenden Grötzsch. Die technischen Einzelheiten seines Beweises wurden aber erst in den 50er Jahren von Ahlfors und Bers ausgearbeitet.

Teichmüllers Beschreibung der extremalen Abbildungen f sieht i.W. so aus, daß es einige Singularitäten gibt (wo die Abbildung f nicht differenzierbar ist) und daß man zwei singuläre Blätterungen (mit singulären Punkten in den Singularitäten von f) hat, so daß die Blätter der einen Blätterung von f gestreckt und die Blätter der anderen Blätterung von f gestaucht werden.
Die extremalen Abildungen sind gerade diejenigen, die man mit solchen singulären Blätterungen konstruieren kann. Insbesondere bekam Teichmüller mit dieser Konstruktion die Geodäten im Teichmüller-Raum: wenn man die singuläre Blätterung festläßt, aber den Streckungs- bzw. Stauchungsfaktor variiert, bekommt man eine Kurve im Teichmüller-Raum, und diese Kurve ist eine Geodäte bzgl. der Teichmüller-Metrik.
Aus technischen Gründen arbeitet man statt mit den singulären Blätterungen lieber mit holomorphen quadratischen Differentialen, also Differentialen der Form h(z)dz⊗dz für eine holomorphe Funktion h (deren Nullstellen in den Singularitäten von f liegen). Die beiden Blätterungen bestehen dann aus Kurven, deren Tangentialvektoren nach Einsetzen in h(z)dz⊗dz positive bzw. negative reelle Werte geben. (Quadratische Differentiale sind formal definierte Ausdrücke. Die Bedingung ist, dass sich die holomorphe Funktion h(z) unter Koordinatenwechsel gemäß h‘(z‘)=h(z)(dz/dz‘)2 transformiert.)

Also: die Punkte im Teichmüller-Raum entsprechen den extremalen Abbildungen, und diese wiederum entsprechen den holomorphen quadratischen Differentialen. Die Dimension des “Raumes der holomorphen quadratischen Differentiale” auf einer Fläche vom Geschlecht g berechnete Teichmüller mit dem Satz von Riemann-Roch, sie ist 6g-6. Damit bewies Teichmüller also Riemanns Vermutung, daß der Modulraum durch 3g-3 komplexe Parameter beschrieben wird. Er konnte den Teichmüller-Raum mit einer Vollkugel im C3g-3 identifizieren, und seinen Tangentialraum in einem Punkt mit dem Raum der holomorphen quadratischen Differentiale der dem Punkt entsprechenden komplexen Struktur. (Letzteres wird ebenfalls manchmal als Satz von Teichmüller bezeichnet.)

Etwa gleichzeitig mit Teichmüller hatten Fenchel und Nielsen eine ganz andere Parametrisierung eines äquivalenten Modulraumes gefunden. Komplexe Strukturen entsprechen nicht nur konformen Strukturen, sondern auch eindeutigen hyperbolischen Metriken. (Aus dem Abbildungssatz folgt, dass die universelle Überlagerung einer Riemannschen Fläche vom Geschlecht g≥2 die offene Kreisscheibe ist und deren biholomorphe Automorphismen entsprechen genau den Isometrien der hyperbolischen Metrik.) Man kann den Teichmüller-Raum also auch auffassen als Modulraum hyperbolischer Metriken. Werner Fenchel, ein ehemaliger Student Bieberbachs und Assistent Landaus, war nach der Machtergreifung nach Kopenhagen geflohen. Dort arbeitete er mit Jakob Nielsen, einem Spezialist für Abbildungsklassengruppen und Automorphismen freier Gruppen, der vor dem ersten Weltkrieg bei Max Dehn in Kiel promoviert hatte. (Sein Heimatort in Nordschleswig gehörte damals zum Deutschen Reich.) In einer 1938/39 ausgearbeiteten Vorlesung fanden die beiden eine Parametrisierung der hyperbolischen Metriken durch die Längen von 3g-3 geschlossenen Geodäten und durch je einen diesen Geodäten zugeordnete Twistparameter. Man bekommt also eine andere Parametrisierung des Modulraums durch 6g-6 reelle Parameter.
Andererseits gehört zu einer hyperbolischen Metrik auf einer orientierbaren Fläche eine Monodromiedarstellung der Fundamentalgruppe in PSL(2,R), der Gruppe orientierungserhaltender Isometrien der hyperbolischen Ebene. Damit kann man den Modulraum hyperbolischer Metriken auch identifizieren mit der Varietät der (irreduziblen und diskreten) Darstellungen der Fundamentalgruppe nach PSL(2,R) und die war schon vor einem halben Jahrhundert von Fricke mittels elementarer Matrizenrechnung parametrisiert worden. Man hat auch dort 6g-6 reelle Parameter.

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Kommentare (1)

  1. #1 Theorema Magnum – Mathlog
    9. September 2021

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