In seiner Arbeit über „kohärente algebraische Garben” entwickelte Serre den garbentheoretischen Zugang zur algebraischen Geometrie über algebraisch abgeschlossenen Körpern k beliebiger Charakteristik. (Eine Garbe heißt kohärent, wenn sie lokal ein endlich erzeugter Modul über dem Ring der regulären Funktionen ist. Das ist das Analogon zu endlich-dimensionalen Vektorbündeln.) Er übertrug so Lerays Garbentheorie auf Varietäten über beliebigen Körpern, vereinfachte dabei die Definitionen und machte Verklebekonstruktionen einfacher.
Während Weil abstrakte Varietäten durch Verkleben affiner Stücke definiert hatte, wurden sie bei Serre über Garben (zur Zariski-Topologie) als geringte Räume – ein von Cartan eingebrachter Begriff – definiert. Man verklebt Teilmengen des kn zu einer Varietät X und betrachtet eine Garbe , so dass für eine in einem affinen Stück liegende offene Menge U die Schnitte von
die Einschränkungen rationaler Funktionen P/Q von kn auf U sind.
Das Hauptanliegen war, die Garbenkohomologie von komplexen Varietäten auf Varietäten über algebraisch abgeschlossenen Körpern k zu verallgemeinern. Es gelang ihm, Kodairas analytische Methoden durch rein algebraische Techniken zu ersetzen, so dass er auch in dieser Situation den Dualitätssatz und die für Garbenkohomologie komplexer Mannigfaltigkeiten gemeinsam mit Cartan bewiesenen Endlichkeitssätze beweisen konnte. Mit seinen Methoden war die Manipulation linearer Systeme nun keine schwarze Kunst mehr, jeder konnte es machen und über beliebigen Grundkörpern.
Wichtig war das auch in Hinsicht auf die Einheit der algebraischen Geometrie. Weil hatte sein Konzept der Spezialiserungen als fundamentalen Baustein benutzt, Zariski hatte einen sehr auf algebraischen Techniken aufbauenden Ansatz über generische Punkte entwickelt, und Nagata arbeitete später an einem ringtheoretischen Ansatz. Die unterschiedlichen Ansätze behinderten eine effektive Kommunikation und damit die weitere Forschung.
Serres in den Annals of Mathematics veröffentlichte und dann unter dem Kürzel FAC populär gewordene Arbeit „Faisceaux algébriques coherents“ besteht aus drei Teilen:
I Garbentheorie (im wesentlichen der Inhalt von Cartans Exposé)
II Algebraische Varietäten (analog zu Weil, aber mit reduziblen Varietäten, Zariski-Topologie, Garbe der lokalen Ringe, und Resultaten für kohärente Garben)
III: Korrelation zwischen kohärenten Garben auf dem projektiven Raum und gradierten S-Modulen (für eine Polynomalgebra S) mit der “Bedingung TF”: jede Frage über eine Garbe wird zur Frage über einen Modul, man hat eine algebraische Prozedur für die Berechnung der Garbenkohomologie und ihrer Euler-Charakteristik χ.
Serre bearbeitete als nächstes die Äquivalenz der Kategorien algebraischer und analytischer kohärenter Garben. Eine der Anwendungen sollte ein Satz von Chow sein, dass ein abgeschlossener analytischer Unterraum des CPn eine Untervarietät sein muß.
In einer später unter dem Kürzel GAGA populär gewordenen Arbeit “Géométrie algébrique et géométrie analytique”, bewies Serre allgemeine Resultate, die Klassen algebraischer Varietäten, Morphismen und Garben mit Klassen analytischer Räume, holomorpher Abbildungen und Garben in Beziehung setzte. Letztlich lief alles auf den Vergleich von Kategorien von Garben
Grothendieck fand dann eine allgemeinere Form des Dualitätssatzes aus FAC, den er formulierte als kanonische Bijektion zwischen dem Dual von Hp(X,F), wo X eine n-dimensionale projektive algebraische Varietät und F eine kohärente algebraische Garbe auf X ist, und Extn-pO(X,F,Ωn), wo Ωn die Garbe der Keime von algebraischen Differentialformen auf X ist. Serres erfreute Antwort: “Ich finde deine Formel sehr aufregend, ich bin wirklich überzeugt, dass das der richtige Weg ist, den Dualitätssatz sowohl im algebraischen als im analytischen Fall zu formulieren.”
Später konnte man mit Grothendiecks Formalismus der sechs Operationen sowohl Serre-Dualität beweisen als auch die Artin-Vedier-Dualität der etalen Kohomologie.
Bild: https://mathshistory.st-andrews.ac.uk/Biographies/Serre/pictdisplay/
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