Mirzakhani fand eine Interpretation dieses Resultats, indem sie den Modulraum M*1,1 der hyperbolischen Metriken mit geodätischem Rand γ und die Projektion betrachtete. Auf M*1,1 hat man Fenchel-Nielsen-Koordinaten (l,t) mit Weil-Petersson-Form
. McShanes Formel läßt sich dann gegen die Weil-Petersson-Form integrieren und man erhält
. Damit hatte sie einen neuen Beweis für Wolperts Resultat.
Dieser Ansatz ließ sich verallgemeinern, indem Mirzakhani allgemeinere Versionen von McShanes Identität für hyperbolische Flächen mit beliebigem Geschlecht und beliebig vielen Randkomponenten fand. Für eine hyperbolische Fläche, deren Randkomponenten geschlossene Geodäten der Längen
sind, bewies sie eine Gleichung
. Hierbei ist die erste Summe über alle ungeordneten Paare geschlossener einfacher Geodäten
, die zusammen mit
eine Hose beranden, und die zweite Summe ist über alle geschlossenen einfachen Geodäten
, die zusammen mit
und
eine Hose beranden. (Eine Hose ist eine Fläche vom Geschlecht 0 mit 3 Randkomponenten wie im Bild unten.) Die Funktionen
werden durch die Geometrie der Hosen definiert, eine explizite Formel ist
Mit Hilfe dieser Identitäten bewies sie dann Rekursionsformeln für das Volumen der Modulräume, die relativ einfach zu berechnende Polynome ergaben. Die Koeffizienten dieser Polynome waren Schnittzahlen im Modulraum, die sie mit diesem Ansatz also ebenfalls berechnen konnte. Damit erhielt sie einen sehr viel transparenteren Beweis der 1990 von Maxim Kontsevich bewiesenen Witten-Vermutung über den Zusammenhang der Schnittzahlen mit der KdV-Gleichung.
Dieser Ansatz gab auch eine Formel für die Asymptotik der Anzahl einfacher geschlossener Geodäten. Margulis hatte vor mehr als dreißig Jahren bewiesen, dass es auf einer geschlossenen hyperbolischen Fläche approximativ eL/L geschlossene Geodäten der Länge kleiner L gibt. (Man nennt das den hyperbolischen Primzahlsatz wegen der Analogie zum Primzahlsatz, der approximativ eL/L Primzahlen kleiner eL postuliert.) Mirzakhani untersuchte, wieviele einfache (d.h. nicht mehrmals dieselbe Kurve durchlaufende) geschlossene Geodäten der Länge kleiner L es gibt und erhielt das Ergebnis CL6g-6 (mit einer von der hyperbolischen Fläche abhängenden Konstanten C.) Sie bewies auch Formeln für die Anzahlen in einzelnen Homologieklassen. Zum Beispiel erhielt man eine Formel für die Anzahl nullhomologer einfacher Kurven, die sich von der allgemeinen Formel nur durch den konstanten Faktor unterschieden. Weil die nullhomologen Kurven gerade diejenigen sind, die die Fläche in zwei Zusammenhangskomponenten zerlegen, kann man das interpretieren als Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gewählte Kurve (beispielsweise auf einer Brezelfläche) diese in zwei Zusammenhangskomponenten zerlegt.
Mirzakhanis Arbeiten zur Volumenform auf dem Modulraum wurden manchmal als Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen auf dem Modulraum oder als Aussagen über zufällige hyperbolische Flächen popularisiert. Zufallsmethoden spielten inzwischen in zahlreichen Gebieten der Geometrie und Dynamik eine Rolle. Die von Erdös und Renyi entwickelte Theorie der Zufallsgraphen war weiter entwickelt worden zu einer Theorie der zufälligen Flächen und allgemeiner zufälligen Simplizialkomplexe, über deren Fundamentalgruppe und Homologie man Aussagen beweisen konnte. Auch in der Theorie der endlichen Gruppen nutzte man Zufallskonstruktionen. In der Theorie der hyperbolischen Gruppen wurde von Dahmani-Guirardel-Przytycki bewiesen, dass eine zufällige Gruppe als Rand im Unendlichen mit überwältigender Wahrscheinlichkeit eine Menger-Kurve hat. In der komplexen Dynamik bewiesen Lyubich und Graczyk-Świątek gleichzeitig, dass hyperbolische Dynamik in quadratischen reellen Funktionen dicht ist, d.h. für ein zufälliges a zwischen 0 und 4 hat Iteration des quadratischen Polynoms ax(1-x) einen anziehenden periodischen Orbit und demzufolge hyperbolische Dynamik, und gemeinsam mit Avila und de Melo bewies Lyubich, dass fast alle Abbildungen in einer reell-analytischen Familie quasiquadratischer Abbildungen regulär oder stochastisch sind. (Regulär heißt, fast jede Bahn konvergiert gegen einen Grenzzyklus. Stochastisch heißt, dass für fast alle Startwerte die Bahnen gemäß einem absolut stetigen Maß verteilt sind.) In der Zahlentheorie befaßten sich Bhargava und seine Koautoren mit zufälligen Zahlkörpern und zufälligen elliptischen Kurven. Beispielsweise bewiesen Bhargava und Shangar, dass ein positives Maß elliptischer Kurven Rang 0 hat und die Vermutung von Birch und Swinnerton-Dyer erfüllt.
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