Symplektische Geometrie ist die geometrische Interpretation der klassischen Mechanik. Man kann sie auf beliebigen symplektischen Mannigfaltigkeiten betreiben, was zur symplektischen Topologie führt. Diese bekam ihre wichtigsten Impulse durch die Arbeit an der 1974 in ihrer Allgemeinheit formulierten Arnold-Vermutung: ein Symplektomorphismus, der die Zeit-1-Abbildung eines Hamiltonschen Flusses ist, soll mindestens soviele Fixpunkte haben, wie die Summe der Dimensionen der Homologiegruppen der zugrundeliegenden symplektischen Mannigfaltigkeit angibt. (Unter der generisch erfüllten Voraussetzung, dass alle Fixpunkte nicht-ausgeartet sind.) Das ist eine sehr viel stärkere Aussage als der für beliebige Mannigfaltigkeiten gültige Lefschetzsche Fixpunktsatz, demzufolge stetige Abbildungen, welche homotop zur Identität sind, mindestens soviele Fixpunkte haben wie die Euler-Charakteristik der zugrundeliegenden Mannigfaltigkeit (also die Wechselsumme über die Dimensionen der Homologiegruppen) angibt.

Der von Andreas Floer in den 80er Jahren verfolgte Ansatz zum Beweis der Arnold-Vermutung war die Konstruktion einer Homologietheorie, deren Kettengruppen von den Fixpunkten der Zeit-1-Abbildung erzeugt werden (also den periodischen Bahnen, deren Grad durch den Maslow-Index mit Hilfe des Isomorphismus \pi_1(Lag(n))={\bf Z} für den Modulraum der Lagrange-Unterräume definiert wird) und deren Homologie aber zur singulären Homologie isomorph ist. (Daraus folgt unmittelbar, dass es mindestens soviele Fixpunkte gibt, wie die Dimension der Homologiegruppen angibt.) Der Randoperator wird definiert durch Zählen der pseudoholomorphen Zylinder, die die periodischen Orbiten verbinden. Für die Definiertheit dieses Randoperators (also die Endlichkeit der Anzahl) benötigt man Gromovs Kompaktheitssatz für pseudoholomorphe Kurven, der freilich nur modulo Blasenbildung gilt, insbesondere also für Mannigfaltigkeiten mit π2=0 (weil die Blasen nichttriviale Elemente in π2 geben).

Äquivalent kann man statt eines Symplektomorphismus von M auch seinen Graphen als Lagrangesche Untermannigfaltigkeit in W=MxM betrachten. (Eine Lagrangesche Untermannigfaltigkeit ist eine Mannigfaltigkeit der halben Dimension von W, auf der die Einschränkung der symplektischen Form trivial ist.) Die Fixpunkte des Symplektomorphismus entsprechen den Schnittpunkten des Graphen mit der Diagonale in MxM, die ebenfalls eine Lagrangesche Untermannigfaltigkeit ist. Man stellt dann allgemeiner die Frage nach der Existenz einer Floer-Homologie für Paare Lagrangescher Untermannigfaltigkeiten (L,L’) in symplektischen Mannigfaltigkeiten W. Der Kettenkomplex der Floer-Homologie soll von den Schnittpunkten L\cap L^\prime erzeugt werden und der Randoperator durch Zählen pseudoholomorpher Zylinder mit Randkomponenten in L und L’ definiert sein. Floer bewies in den 80er Jahren die Existenz der Floer-Homologie HF(L,L’) und damit die Arnold-Vermutung nicht nur unter der Voraussetzung π2(W,L)=0, sondern allgemeiner auch noch für sogenannte monotone symplektische Manigfaltigkeiten, wo über Elementen von π2(W,L) die symplektische Form ein nichtnegatives Vielfaches der ersten Chern-Klasse ist.

Nach Floer waren dann viele Mathematiker damit beschäftigt, die Konstruktion der Floer-Homologie (und damit den Beweis der Arnold-Vermutung) unter immer schwächeren Voraussetzungen zum Laufen zu bringen, was einen immer größeren technischen Aufwand erforderte. Es wurde jedoch klar, dass die Konstruktion im Allgemeinen nicht immer funktionieren konnte. Erfolgreich war am Ende ein Ansatz Fukayas, der für ein Paar (L,L’) Lagrangescher Untermannigfaltigkeiten nicht nur einen Randoperator, sondern eine ganze Familie von (miteinander durch gewisse Formeln verbundenen) Multiplikationen definierte, mit denen (für jedes n) je n periodischen Bahnen eine formale Summe periodischer Bahnen als das “Produkt” der n Bahnen zugeordnet wird. Die Konstruktion erfolgt wieder durch Zählen pseudoholomorpher Kurven, der Fall n=1 ist der Randoperator und der Fall n=2 entspricht dem Cupprodukt. Die verschiedenen Produkte bilden eine A_\infty-Algebra, man spricht auch von einer A_\infty-Kategorie. Um die Probleme mit nichttrivialen Elementen in π2 zu umgehen, betrachtet man die Kettenkomplexe über dem Novikov-Ring der formalen Potenzreihen in Elementen von H2/Torsion.

Kontsevich verwandte Fukayas Konstruktion für eine hypothetische “homologische Mirrorsymmetrie”, aus der die Mirrorsymmetrie folgen würde. Er vermutete in seinem ICM-Vortrag 1994 die Äquivalenz zweier triangulierter Kategorien: einerseits die derivierte Kategorie der Kategorie der kohärenten Garben auf einer komplexen Mannigfaltigkeit, und andererseits die derivierte Kategorie der von Fukaya (noch mit einigen Lücken im Argument) konstruierten Kategorie der Lagrangeschen Untermannigfaltigkeiten einer symplektischen Mannigfaltigkeit. Die Struktur einer A_\infty-Kategorie sollte sich analog auch auf der derivierten Kategorie der kohärenten Garben bei der komplexen Mannigfaltigkeit wiederfinden. Kontsevich untersuchte diese Struktur mit Barranikov für Lefschetz-Faserungen, gewisse singuläre Flächenbündel. (Donaldson hatte in einer technischen Tour de Force eine Variante von Kodairas Einbettungssatz von Kähler-Mannigfaltigkeiten auf symplektischen Mannigfaltigkeiten verallgemeinert und damit gezeigt, dass symplektische Mannigfaltigkeiten als Lefschetz-Büschel zerlegt werden können. Aus einem Lefschetz-Büscheln bekommt man durch Aufblasen eine Lefschetz-Faserung. Man hoffte, mit den Verschwindungszykeln der Lefschetz-Faserung kombinatorische Formeln für die Berechnung der Floer-Homologie zu bekommen.)

Fukayas Anwendung seiner A_\infty-Kategorien war die Definition von Varianten der Floer-Homologie, mit denen dann die allgemeine Arnold-Vermutung folgt. Für den ursprünglichen Randoperator hat man in manchen Fällen \partial^2\not=0 und dementsprechend keine Homologietheorie, jedoch kann man die A_\infty-Kategorien zur Deformation des Randoperators nutzen, um dann eine Homologietheorie zu bekommen. Fukaya war sehr großzügig mit seinen Ideen, nicht nur gegenüber seinen unmittelbaren Kollegen, sondern er stellte auch unfertige Versionen seiner Arbeiten ohne vollständige Beweise auf seine Webseite. Mit seinen Koautoren, insbesondere Ono, Oh und Ohta arbeitete er dann technische Details aus. Schon 1999 hatte er mit Ono einen allgemeinen Beweis der Arnold-Vermutung in der Zeitschrift Topology veröffentlicht. Die wesentliche Schwierigkeit war dabei ein gewisses Transversalitätsargument gewesen, dass sie durch die Einführung gewisser technisch definierter Koordinatensysteme (Kuranishi-Strukturen) umgingen. (Letztlich geht es darum, eine “virtuelle” Fundamentalklasse eines Modulraums zu definieren, über die man Kohomologieklassen integrieren kann, was sowohl für Definition und Berechnung der Floer-Homologie als auch zum Beispiel für die Definition von Gromov-Witten-Invarianten benötigt wird.) Die Kuranishi-Strukturen verwendet man in der Definition der A_\infty-Algebra von (L,L’) und mit deren Hilfe definiert man gewisse Bulkdeformationen, so dass in Abhängigkeit von gewissen Elementen der Algebra dann Deformationen des Randoperators und damit Floer-Homologien definiert werden können. Anderen Experten war nicht klar, ob dieser Ansatz wirklich funktionierte und es blieb eine allgemeine Unsicherheit, ob der allgemeine Fall der Vermutung als bewiesen anzusehen sei. Statt weitere Forschungen anzustoßen, wurde die Arbeit zunächst ignoriert, denn niemand verstand sie. Ähnliche Probleme gab es mit einer Arbeit, die Liu und Tian 1998 im Journal of Differential Geometry veröffentlicht hatten und die ebenfalls einen vollständigen Beweis der Arnold-Vermutung behauptete. Viele ahnten, dass es in dieser Arbeit Fehler gab, aber jeder versuchte, in seinen eigenen darauf aufbauenden Arbeiten nur diejenigen Teile zu verwenden, von deren Korrektheit man ausgehen konnte. Letztlich schrieben Fukaya, Oh, Ohta und Ono 2006 nach jahrelanger Arbeit die Grundlagen für die allgemeine Konstruktion der Floer-Homologie von Paaren Lagrangescher Untermannigfaltigkeiten auf. Diese Arbeit war in der ersten Version 300 Seiten lang gewesen und nach Ausarbeiten aller technischen Details letztlich 1400 Seiten. Weil der Verlag nur maximal 1000 Seiten drucken wollte, mußten zwei Kapitel in eine andere Publikation ausgelagert werden. In weiteren Arbeiten wandten sie ihre Konstruktion auf die Berechnung der Floer-Homologie und das Verständnis der Mirrorsymmetrie torischer Varietäten an. Selbst danach verstummten die Zweifel an manchen technischen Details insbesondere bei der Konstruktion der Kuranishi-Strukturen nicht.

Floers Ansatz, Randoperatoren durch Zählen pseudoholomorpher Kurven und damit Homologietheorie und sich aus diesen ergebende Invarianten zu definieren, fand zahlreiche weitere Anwendungen. Eliashberg, Givental und Hofer entwickelten eine “symplektische Feldtheorie” zur Berechnung von Gromov-Witten-Invarianten, deren Grundlagen sie in einem gut hundert Seiten langen Artike skizzierten (wo sie weitere Arbeiten über die technischen Details ankündigten). In gewisser Weise handelte es sich um eine Kobordismustheorie für Kontaktmannigfaltigkeiten, aus der man dann Invarianten berechnen konnte. Der einfachste Spezialfall war eine von Chekanov rein kombinatorisch entwickelte Konstruktion von Invarianten von Legendre-Knoten (Knoten in Kontaktmannigfaltigkeiten, deren Tangenten in den Kontaktebenen liegen sollen, wodurch man eine feinere Klassifikation der Knoten bekommt als die rein topologische Klassifikation). In höheren Dimensionen entwickelten mehrere Autoren die Grundlagen einer sogenannten eingebetteten Kontakthomologie (im Gegensatz zur relativen Kontakthomologie, deren einfachster Spezialfall Chekanovs Theorie war). Ilya Ustilovsky, ein Student Eliashbergs, benutzte diese Kontakthomologie schon vor Veröffentlichung der ersten Grundlagen, um zu zeigen, dass es auf (4n+1)-dimensionalen Sphären unendlich viele nicht-isomorphe Kontaktstrukturen α gibt.
Die Nichttrivialität der eingebetteten Kontakthomologie würde eine Vermutung Weinsteins beweisen, nach der es geschlossene Bahnen für das kanonische Reeb-Vektorfeld im Kern von dα geben soll. Diese Vermutung wurde dann tatsächlich von Clifford Taubes in einer Serie von Arbeiten bewiesen, allerdings mit einem anderen Ansatz, nämlich den aus der Theorie der Supraleitung stammenden Seiberg-Witten-Invarianten von 3-Mannigfaltigkeiten. Der Beweis benutzte, dass die aus den Seiberg-Witten-Gleichungen gewonnene Monopol-Floer-Homologie isomorph zur eingebetten Kontakthomologie ist. Später wurde auch ein Isomorphismus zur von Ozsváth und Szabó (mit zahlreichen Anwendungen in 3- und 4-dimensionaler Topologie) entwickelten Heegaard-Floer-Homologie bewiesen, was wiederum von Hutchings und Taubes zum Beweis einer anderen Vermutung Arnolds über Existenz von Bahnen des Reeb-Vektorfelds transversal zu einem gegebenen Legendre-Knoten verwendet wurde.

Kommentare (1)

  1. #1 Theorema Magnum – Mathlog
    24. Februar 2022

    […] Gerade Die Poincaré-Vermutung Der Satz von Green-Tao Die Mirzakhani-McShane-Identitäten Die Arnold-Vermutung Serres Modularitätsvermutung Das Fundamentallemma Nichtlineare Landau-Dämpfung Eindeutige […]