Das wichtigste Ingredient in Ngos Beweis wurde also die Hitchin-Faserung, die Hitchin ursprünglich zur Bestimmung der Topologie von Darstellungsvarietäten verwendet hatte.
Untersuchungen zur Topologie von Modulräumen und insbesondere die Berechnungen ihrer Betti-Zahlen hatten in den vergangenen Jahrzehnten in zahlreichen Gebieten der Mathematik eine Rolle gespielt. Günter Harder hatte Anfang der 70er Jahre die Kohomologiegruppen des Modulraums stabiler Vektorbündel vom Rang 2 berechnet und in diesem Spezialfall die damals noch unbewiesenen Weil-Vermutungen über den Zusammenhang von Betti-Zahlen und Anzahlen von Punkten über Fp bestätigt. Nachdem Deligne 1974 die Weil-Vermutungen bewies, schrieben Harder und Narasimhan wenige Monate später eine Arbeit, in der sie allgemein die Kohomologiegruppen des Modulraums stabiler Vektorbündel über einer komplexen Kurve berechneten. (Der Beweis war eine Tour de Force, in der sie zunächst die Anzahl der Punkte über endlichen Körpern berechnen mussten.) Narasimhan hatte schon lange zu Modulräumen holomorpher Vektorbündel über projektiven Mannigfaltigkeiten gearbeitet und insbesondere mit Seshadri die stabilen Vektorbündel vom Grad 0 durch ihre Monodromie mit den irreduziblen, unitären Darstellungen der Fundamentalgruppe identifiziert. (Diese Verbindung zwischen holomorphen und unitären Strukturen war im Nachhinein schon in einer älteren Arbeit Weils sichtbar, im Fall der Linienbündel entsprach sie im Wesentlichen der Identifikation zwischen holomorphen und harmonischen 1-Formen, die wiederum der Startpunkt für die Hodge-Theorie harmonischer Formen gewesen war.) Damit entsprachen diese Modulräume also U(n)-Darstellungsvarietäten, wodurch Darstellungsvarietäten interessant wurden. Nach Thurstons Arbeiten zur Hyperbolisierung der dreidimensionalen Topologie wurden seit Anfang der 80er Jahre SL(2,C)-Charaktervarietäten (zunächst in Arbeiten von Culler und Shalen) zu einem wichtigen Thema der niedrigdimensionalen Topologie. In der Eichtheorie waren Modulräumen flacher Zusammenhänge von Bedeutung, die über die Monodromie eines Zusammenhangs mit Darstellungsvarietäten identifiziert werden können.
Nach Donaldsons Arbeit war bald entdeckt worden, dass auch die Topologie von Modulräumen mit eichtheoretischen Methoden neu behandelt werden kann. Atiyah und Bott reproduzierten mit neuen Methoden (darunter äquivariante Kohomologie und die Momentenabbildung auf Funktionenräumen) das Resultat von Harder und Narasimhan. Für die beiden war das eine Rückkehr zu den Themen ihrer Doktorandenzeit, für Atiyah zu algebraischen (über den komplexen Zahlen: holomorphen) Vektorbündeln, für Bott zur Morse-Theorie. Der Katalysator kam aus einer überraschenden Ecke, nämlich den Yang-Mills–Gleichungen der theoretischen Physik. Die Idee war, Morse-Theorie auf das Yang-Mills-Funktional anzuwenden. Die Yang-Mills–Gleichungen auf einer Fläche sind eigentlich trivial in dem Sinne, das alle Lösungen leicht zu beschreiben sind. Über der Sphäre erhielt man aber aus der Analyse des Yang-Mills-Funktionals trotzdem alles über die Topologie des Schleifenraums von U(n) (und zwar entsprachen die kritischen Punkte genau den Homologiegruppen) und so machte es Sinn, Flächen höheren Geschlechts zu betrachten. Unter zusätzlicher Ausnutzung der Symmetrien (d. h. der äquivarianten Theorie) konnten Atiyah und Bott eine perfekte Morse-Funktion konstruieren, deren kritische Punkte also genau den Betti-Zahlen des Modulraums entsprechen.
Modulräume stabiler Vektorbündel lassen sich als Charaktervarietäten der Darstellungen der Fundamentalgruppe in eine Lie-Gruppe G interpretieren und solche Charaktervarietäten kann man für alle endlich präsentierten Gruppen definieren. Die verschiedenen lokalen Starrheitssätze besagten freilich, dass beispielsweise für Gitter in symmetrischen Räumen vom Rang >1 die Charaktervarietäten stets 0-dimensional sind. (Schon die Existenz von Gittern in solchen symmetrischen Räumen ist ein Wunder, ihre Deformierbarkeit wäre eine noch größeres.) Anders ist es für Fundamentalgruppen hyperbolischer Flächen oder 3-Mannigfaltigkeiten, wo oft Deformationen möglich sind. William Goldman bestimmte in seiner Dissertation 1980 die Zusammenhangskomponenten der Darstellungsvarietät für Darstellungen von Flächengruppen nach SL(2,R) oder PSL(2,R). Für PSL(2,R) werden die Zusammenhangskomponenten durch eine charakteristische Klasse (die Euler-Klasse) unterschieden. Ähnliches hatten Atiyah und Bott für kompakte Gruppen wie G=U(n) bewiesen.
Die 1983 in Phil. Trans. Roy. Soc. London veröffentlichte Arbeit Arbeit “The Yang-Mills-Equation over Riemann surfaces” von Atiyah und Bott gilt als hervorragende Einführung nicht nur in die Eichtheorie, sondern überhaupt in die moderne Geometrie. Vier Jahre später beschrieb Hitchin die Topologie der Charaktervarietät von Flächengruppen für G=PSL(n,R) ebenfalls durch Untersuchung des Yang-Mills-Funktionals. Hier gab es drei oder sechs (für n ungerade oder gerade) Zusammenhangskomponenten, die nicht alle durch charakteristische Klassen unterschieden wurden. Eine der Komponenten bezeichnete er als höheren Teichmüller-Raum, weil sie ein Bild des Teichmüller-Raums enthielt und die Darstellungen ähnliche Eigenschaften hatten; heute wird sie als Hitchin-Komponente bezeichnet.
Hitchins Ansatz war, statt der Charaktervarietät einen anderen Modulraum zu betrachten, nämlich den von holomorphen G-Bündeln V (über der Fläche) mit einer zusätzlichen Struktur, einer End(V)-wertigen holomorphen 1-Form. Bündel mit dieser zusätzlichen Struktur bezeichnete er als Higgs-Bündel. Die stabilen Higgs-Bündel über einer Fläche entsprechen den Darstellungen der Fundamentalgruppe nach GL(n,C). Für stabile Bündel gibt es eine eindeutige Lösung der Yang-Mills-Gleichung, so dass man auch den Modulraum der Lösungen dieser Gleichung betrachten kann.
Dieselbe Struktur wurde von Carlos Simpson in seiner Dissertation betrachtet. Er kam aus der algebraischen Geometrie und sah H1(X,GL(n,C)) als eine nichtkommutative Verallgemeinerung von H1(X,C). Im letzteren Fall gibt die Theorie harmonischer Formen einen Isomorphismus H1(X,C)=H1(X,OX)+H0(X,Ω1X). Ähnlich gibt die Korrespondenz zwischen Darstellungen und Higgs-Bündeln eine Zerlegung von H1(X,GL(n,C)) in H1(X,GL(n,OX)) und eine End(V)-wertige 1-Form. In diesem Sinne ist die Korrespondenz eine nichtkommutative Verallgemeinerung der Theorie harmonischer Formen und wird deshalb als nichtabelsche Hodge-Theorie bezeichnet.
Man hat also zu jedem Higgs-Bündel ein flaches Bündel und damit eine Darstellung der Fundamentalgruppe, und umgekehrt zu jedem flachen Bündel ein Higgs-Bündel. Diese Umkehrung wurde dann noch einmal von Donaldson für G=SL(2,C) und Corlette für reelle reduktive Gruppen mit Existenzsätzen für harmonische Abbildungen bewiesen: sie zeigten, dass jede reduktive Darstellung durch eine äquivariante harmonische Abbildung in den entsprechenden symmetrischen Raum realisiert werden kann. Zuvor waren harmonische Abbildungen bereits von Uhlenbeck-Yau und Donaldson benutzt worden, um die Korrespondenz zwischen stabilen Vektorbündeln und unitären Darstellungen auf beliebige glatte projektive Varietäten statt nur komplexe Kurven auszudehnen. Nichtabelsche Hodge-Theorie wurde auch ein nützliches Werkzeug für die Frage, welche Gruppen als Fundamentalgruppen von Kähler-Mannigfaltigkeiten und insbesondere projektiven Varietäten vorkommen können.
Via nichtabelscher Hodge-Theorie lassen sich Modulräume von Darstellungen einer Flächengruppe in G also als Modulräume von Higgs-Bündeln interpretieren. Für den Modulraum von Higgs-Bündeln hatte Hitchin in seiner Konstruktion einer Morse-Funktion eine Abbildung des Modulraums nach definiert. (K ist das kanonische Bündel über der Riemannschen Fläche.) Diese Abbildung definiert die Hitchin-Faserung und man kann mit ihr die Topologie des Modulraums bestimmen. Neben der Topologie des Modulraums interessierten sich Geometer dann seit den Nuller Jahren auch für die geometrische Charakterisierung der Darstellungen. Labourie – und allgemeiner für hyperbolische Gruppen dann Guichard und Wienhard – charakterisierten Darstellungen durch dynamische Eigenschaften, während Fock und Goncharov Darstellungen durch aus der projektiven Geometrie stammende Invarianten ihrer Randabbildungen charakterisierten und damit auch eine Verbindung zur von Fomin und Zelevinsky entwickelten Theorie der Clusteralgebren herstellten.
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