Pál Erdős war ein aus Ungarn stammender Mathematiker, der vor allem für zahlreiche Vermutungen bekannt ist, auf deren Lösung er Geldpreise aussetzte, 50 Dollar bei kleineren Vermutungen, vierstellige Beträge bei größeren. Eine bekannte Vermutung, die er bereits 1932 als 19-Jähriger und damals noch ohne Geldpreis – später lobte er dann 500 Dollar aus – aufgestellt hatte, war die Diskrepanz-Vermutung. Die wird anschaulich so erklärt:
Ein Mensch ist auf einem Felsvorsprung gefangen. Zwei Schritte zu seiner Linken befindet sich ein Abgrund, zwei Schritte zur Rechten eine Schlangengrube. Um ihn zu quälen, zwingt ein bösartiger Wärter sein Opfer, sich ständig nach links und rechts zu bewegen. Der Gefangene muss eine Folge von Schritten finden, mit der er den Gefahren auf beiden Seiten ausweicht. Bewegt er sich zuerst nach rechts, muss er sofort nach links zurück, sonst ist der Absturz vorprogrammiert.
Abwechselnd in beide Richtungen zu gehen, scheint die Lösung zu sein – doch hier ist der Haken: Der Gefangene muss seine Schrittfolge im Vorhinein festlegen, und der Wärter kann bestimmen, dass er aus der festgelegten Folge nur jeden zweiten Schritt ausführt, beginnend mit dem zweiten. Oder er lässt nur jeden dritten, vierten, … zu. Die Frage lautet: Existiert eine Taktik, mit welcher der Gefangene am Leben bleibt, unabhängig von der Strategie, die sein Peiniger wählt?
Die Diskrepanz-Vermutung besagte, dass eine solche Taktik nicht existiert – und zwar nicht nur für C=1, sondern auch für jede andere Entfernung zum Abgrund.
Die mathematische Formulierung ist wie folgt: Für jede Folge xn, deren Glieder alle 1 oder -1 sind, und für jede ganze Zahl C gibt es ganze Zahlen k und d mit .
Später wurde die Vermutung allgemeiner für Hilbert-Räume statt für R formuliert. Man hat also eine Folge in einem Hilbert-Raum, deren Glieder Norm 1 haben und dann soll es zu jeder ganzen Zahl C wieder k und d geben mit .
Nach Meinung von Erdős sollten Theorien nicht alles in der Mathematik ausmachen. Es gebe genug Probleme, die man mit fortgeschrittenen Methoden nicht angehen könne und die trotzdem nicht uninteressant seien. Trotzdem hat sich eine Diskrepanztheorie entwickelt, bei der es grob gesagt um die Approximierbarkeit kontinuierlicher Objekte durch diskrete geht. Beispielsweise bewies Erdős’ früherer Student Joel Spencer 1985, dass man zu je n Teilmengen eine Zerlegung von {1,…,n} in zwei Teilmengen R und B finden kann, die bezüglich jedem der Si annähernd ausgeglichen ist:
. Solche Resultate hatten Anwendungen auf Approximationsalgorithmen und numerische Verfahren. Eine spekatakuläre Anwendung der Diskrepanztheorie wurde das seit 1959 offene Kadison-Singer-Problem aus der Theorie der Operatoralgebren über die Eindeutigkeit der durch den Satz von Hahn-Banach gegebenen Erweiterung gewisser linearer Funktionale auf C*-Algebren: auf einer maximalen abelschen Unteralgebra
hat man einen reinen Zustand ρ (ein positives Funktional, das keine Konvexkombination positiver Funktionale ist) und fragt nach der Eindeutigkeit der Fortsetzung auf
. (Physikalisch ist das analog den in der Quantenmechanik den Observablen entsprechenden Wahrscheinlichkeitsverteilungen als lineare Funktionale auf kommutierenden Operatoren, die man dann auf andere Observablen ausdehnen will, welche nichtkommutierenden Operatoren entsprechen.) Kadison und Singer hatten gezeigt, dass für Zustände
die Erweiterungen nicht immer eindeutig sind, sie hatten aber Eindeutigkeit der Fortsetzung für Zustände
vermutet. Über die Jahrzehnte war dieses Problem zu einem Problem in endlichdimensionalen Vektorräumen (statt dem Hilbert-Raum l2N) reduziert worden. Für jedes ε›0 soll es ein k geben, so dass für jedes n und jede nxn-Matrix T mit verschwindenden Diagonalelementen es eine Aufteilung der ersten n Zahlen in k Mengen Ai gibt mit
für alle i, wobei Pi die Projektion auf den Unterraum ist, der von denjenigen Vektoren der Standardbasis aufgespannt wird, deren Indizes in der Menge
liegen. Die Diskrepanztheorie kam ins Spiel, als Nik Weaver 2004 das Kadison-Singer-Problem umformulierte in das Problem, zu α>0 und Vektoren v1,…,vn mit
für alle
eine Aufteilung von {1,…,n} in zwei Teilmengen R und B zu finden, so dass
und
für alle
gilt. Diese Formulierung konnten Spielman, Marcus und Srivastava 2013 mit elementaren Methoden beweisen.
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