Während die Standard-Vermutungen über die Existenz von “Lefschetz-Paketen” auf dem Vektorraum algebraischer Zykel (und damit die Grundlegung für Grothendiecks Theorie der Motive) weiterhin offen sind, hat man (wie im obigen Zitat dargestellt) solche Pakete mit Poincaré-Dualität, schwerem Lefschetz-Satz und Hodge-Riemann-Relationen aber in verschiedenen anderen mathematischen Strukturen gefunden. Die bemerkenswertesten Beispiele sind vielleicht die Arbeiten von Elias und Williamson, die solche Strukturen in der Darstellungstheorie finden, und die erwähnte Arbeit von Adiprasito, Huh und Katz, die solche Strukturen in der Theorie der Matroide findet.
Diese Strukturen sind dann wiederum verantwortlich dafür, dass unimodale Polynome in vielen unterschiedlichen Gebieten der Mathematik vorkommen. Grob gesagt folgt aus den Hodge-Riemann-Relationen die Positivität gewisser Determinanten, also Ungleichungen der Form . (Folgen mit dieser Eigenschaft nennt man log-konkav.) Eine Folge von Null verschiedener Zahlen, die diese Ungleichung für alle i erfüllt, ist unimodal.
In der geometrischen Darstellungstheorie sind die Soergelschen Bimoduln eine zentrale Struktur. Die Soergelschen Bimoduln eines Coxeter-Systems bilden eine monoidale Kategorie, deren Grothendieck-Gruppe mit der Hecke-Algebra übereinstimmt. Elias und Williamson zeigten 2014 die Existenz eines Lefschetz-Pakets auf den Soergelschen Bimoduln und bewiesen damit eine Vermutung Soergels über die Existenz unzerlegbarer Bimoduln, deren Klassen der Kazhdan-Lusztig-Basis in der Hecke-Algebra entsprechen. Daraus folgt die Positivität der Koeffizienten der Kazhdan-Lusztig-Polynome sowie ein algebraischer Beweis der zuvor von Beilinson-Bernstein, Brylinski-Kashiwara und später Soergel mit anderen Methoden bewiesenen Kazhdan-Lusztig-Vermutung, einer Charakterformel für Darstellungen höchsten Gewichts. Man bekommt auch die Unimodalität der Strukturkonstanten der Kazhdan-Lusztig-Basis für die Hecke-Algebra.
Wenn das Coxeter-System von einer halbeinfachen Lie-Gruppe kommt, entsprechen die Soergelschen Bimoduln der äquivarianten Schnittkohomologie der zugehörigen Schubert-Varietät und das Lefschetz-Paket entspricht der klassischen Hodge-Theorie. Eine andere Situation, wo man ein Analogon zur Hodge-Theorie hat, ist die kombinatorische Schnittkohomologie von Polytopen, das ist die Schnittkohomologie der zum Polytop zugeordneten torischen Varietät. Die klassischen Dehn-Sommerville-Gleichungen für die Anzahlen d-dimensionaler Seiten des Polytops wurden hier von Stanley mittels Poincaré-Dualit\”at interpretiert. Für diese Schnittkohomologie bewies Peter McMullen 1993 die Existenz von Lefschetz-Paketen und vereinfachte damit Stanleys Beweis der g-Vermutung. (Die g-Vermutung formuliert Bedingungen für den f-Vektor, also den Vektor aus den Anzahlen d-dimensionaler Seiten eines Polytops für d=0,1,,…, für polytopale Sphären.) In ihrer allgemeinen Form für simpliziale Sphären (und sogar Homologiesphären) wurde die g-Vermutung Ende 2018 von Adiprasito bewiesen, wobei er für den Beweis des schweren Lefschetz-Satzes die Hodge-Riemann-Relationen durch eine noch stärkere Bedingung (Hall-Laman-Relationen) ersetzen mußte. Eine Anwendung war der Beweis der Grünbaum-Kalai-Sarkaria-Vermutung, die für den f-Vektor eines d-dimensionalen Simplizialkomplexes die Ungleichung
behauptete.
In der Konvexgeometrie kennt man seit dem Ende des 19. Jahrhunderts die Brunn-Minkowski-Ungleichung für das Volumen von Minkowski-Summen und als weitreichende Verallgemeinerung die Alexandrow-Fenchel-Ungleichungen, deren Beweis von 1938 einen elementaren Fall von Hodge-Riemann-Relationen verwendet. Aus den Alexandrow-Fenchel-Ungleichungen folgt, dass die gemischten Volumina konvexer Körper eine log-konkave (und damit unimodale) Folge bilden. Stanley hatte das in den 1980er Jahren benutzt, um die Log-Konkavität von in der Kombinatorik vorkommenden Folgen zu beweisen. Das kann man als Vorläufer der Arbeit von Huh sehen, die die Log-Konkavität des chromatischen Polynoms von Graphen auf die Alexandrow-Fenchel-Ungleichungen für die gemischten Volumina zugeordneter Gitterpolytope zurückführt. Es war dann die Erkenntnis von Adiprasito, dass man für den Beweis neben den Hodge-Riemann-Relationen auch kombinatorische Versionen des schweren Lefschetz-Satzes und der Poincaré-Dualität formulieren sollte, also ein Analogon des Lefschetz-Pakets, und dass ein kombinatorischer Beweis von McMullens schwerem Lefschetz-Satz alle drei Eigenschaften beweisen und sich auf Matroide übertragen lassen sollte. (Mit einem ähnlichen Ansatz bewies Adiprasito dann auch die g-Vermutung.)
Diesen kombinatorisch formulierten schweren Lefschetz-Satz und die Hodge-Riemann-Relationen für Matroide bewiesen Adiprasito, Huh und Katz dann mit rein kombinatorischen Methoden, ohne noch (wie in Huhs Beweis der Unimodalität des chromatischen Polynoms) Bezug auf zu den Matroiden assoziierte Objekte der algebraischen Geometrie zu nehmen. Sie betrachteten Ordnungsfilter von Teilmengen eines Matroids und definierten einen „Flip“, mit dem sie den trivialen Fall des leeren Filters induktiv mit größeren Filtern in Beziehung setzen konnten. Damit konnten sie die Koeffizienten des charakteristischen Polynoms als Produkte von Klassen im Chow-Ring interpretieren und so den schweren Lefschetz-Satz und die Hodge-Riemann-Relationen beweisen – rein kombinatorisch, ohne Rückgriff auf Objekte der algebraischen Geometrie.
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