‘Mathematische’ Trommeln.

Letzte Woche hatten wir darüber geschrieben, wie die Form einer Trommel ihren Klang beeinflußt.
Eine Trommel war eine Fläche mit festem Rand, und man interessierte sich für die Eigenwerte des Laplace-Operators (die das Klangspektrum beeinflussen).

Dieselbe Frage läßt sich natürlich auch für Flächen ohne Rand (geschlossene Flächen) oder für höher-dimensionale Mannigfaltigkeiten stellen: ist die Form (die ‘Riemannsche Metrik’, s. TvF 51) festgelegt durch die Eigenwerte des Laplace-Operators?
(Can one hear the shape of a drum? fragte die Überschrift eines bekannten Artikels von Mark Kac.)

16- und 12-dimensionale Beispiele

Die grundsätzliche mathematische Frage, ob es gleiche Eigenwerte des Laplace-Operators bei unterschiedlichen Metriken geben kann, wurde schon kurz nach Kac Artikel von John Milnor beantwortet.

Milnor fand zwei unterschiedliche Metriken auf dem 16-dimensionalen Torus mit denselben Eigenwerten des Laplace-Operators.
(Milnors Arbeit “Eigenvalues of the Laplace operator on certain manifolds”, erschienen 1964 in den Proc. Nat. Acad. Sci. U.S.A., ist mit 24 Zeilen sicher eine der kürzesten je veröffentlichten mathematischen Arbeiten1.)

Kneser hat dann später ein ähnliches Beispielpaar 12-dimensionaler Tori angegeben.

Echte Trommeln

Die Frage nach ‘echten’ Trommeln (also Flächen mit Rand, die im 3-dimensionalen Raum liegen), die dieselben Eigenwerte des Laplace-Operators haben, wurde erst 1992 von Gordon-Webb-Wolpert gelöst. Sie fanden Beispiele von Flächen mit Rand, die nicht isometrisch sind, wo aber die Eigenwerte des Laplace-Operators bei beiden Flächen dieselben sind. (Bilder der beiden Flächen sind im Wikipedia-Artikel oder im letzten Absatz von TvF 76 vorige Woche.)

Diese Beispiele, ebenso wie die 16- bzw. 12-dimensionalen Tori im vorigen Absatz, sind alle flach (Krümmung 0), haben also nichts mit hyperbolischer Geometrie zu tun.

Hyperbolische Beispiele

Die ersten Beispiele unterschiedlicher geschlossener hyperbolischer Flächen mit den selben Laplace-Eigenwerten wurden 1980 von Vigneras gefunden, mittels zahlentheoretischer Konstruktionen und der Selbergschen Spurformel. Dazu nächste Woche.

1: Ein flacher 16-dimensionaler Torus ist von der Form R16/L für ein Gitter L.
Wenn für einen Vektor y gilt, daß das Skalarprodukt mit allen Gitter-Vektoren ganzzahlig ist, dann ist f(x)=e2πi(x,y) eine Eigenfunktion des Laplace-Operators mit Eigenwert 4π2y2. Auf diese Weise bekommt man alle Eigenwerte.
2r2 ist also genau dann ein Eigenwert, wenn es einen Vektor der Länge r gibt mit der Eigenschaft, daß das Skalarprodukt mit allen Gitter-Vektoren ganzzahlig ist.
Man muß also nur Gitter L1, L2 finden, die nicht äquivalent sind (sich nicht durch eine Matrix aus GL(16,Z) aufeinander abbilden lassen), für die aber die es aber (zu jedem r) gleich viele Vektoren der Länge r gibt mit der Eigenschaft, daß das Skalarprodukt mit allen Gitter-Vektoren ganzzahlig ist. Solche Gitter L1, L2 waren aber schon aus einer Arbeit von Witt bekannt und damit bekam Milnor dann also das gewünschte Beispiel.

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