Anscheinend sind ausgebildete Mathematiker und Physiker oft bessere Börsenprofis als Otto Normalspekulant, das berühmteste Beispiel ist sicher James Simons, Entdecker der Chern-Simons-Invariante und einer der erfolgreichsten Hedgefondsmanager aller Zeiten.

Da liegt es dann nahe, Kunden nicht nur mit den erworbenen Abschlüssen, sondern auch mit der direkten Anwendbarkeit des im Studium gelernten ködern zu wollen. Das ist natürlich leichter, wenn man schon Finanzmathematik oder zumindest Wahrscheinlichkeitstheorie studiert hat. Wie man aber auch mit Perkolationstheorie, dem Isingmodell und der Quantenmechanik die Börse erklären kann, zeigt die Investmentfirma AktienPrognose:

Wir entwickeln neuartige Aktien-Tools, die im Wesentlichen auf unseren Forschungsergebnissen aus der Quantenphysik basieren. Wir berechnen zum Beispiel Fourierspektren von Aktienkursen, analysieren Korrelationen zwischen Kursschwankungen und Volatilitäten und generieren daraus Risikoeinschätzungen und Prognosen für den Privatanleger. Darüber hinaus werten wir die von unseren Nutzern abgegebenen Erwartungen zu den Aktienkursen aus und entwickeln daraus eine Schwarmintelligenz, die die Prognosen weiter verbessern.

Unsere selbst entwickelten Modelle sind das Destillat mehrjähriger Forschung in der Quantenphysik.

Dezidierte Risikoanalyse-Tools und Prognosemodelle, die auf Quantenphysik basieren, finden auf den Trade-Floors großer Investmentbanken bereits jeden Tag ihre Anwendung; diese Tools und Modelle werden jedoch von den Banken nicht veröffentlicht — der Privatanleger bleibt außen vor.

Ja, die Quantenphysik, mit der man doch angeblich nur die Mikrowelt erklären kann …

Die beiden Theorien, die vorgeblich verwendet werden, sind dann das Ising-Modell und die Perkolationstheorie.

Das Ising-Modell (eines der meistuntersuchten Modelle der statistischen Physik) soll das selbstverstärkende irrationale Verhalten bei Kurszusammenbrüchen beschreiben:

Das Ising Modell ist eines der am meisten untersuchten Modelle in der statistischen Physik. Es wird verwendet um den Magnetismus innerhalb von Festkörpern zu beschreiben. Dafür wird angenommen, dass Atome oder Ionen in einem regelmäßigen Gitter angeordnet sind und einen Spin besitzen, der die Ausrichtung des magnetischen Momentes beschreibt. Die Orientierung des Spins, der im Modell nur die diskreten Werte +1 und -1 annehmen kann, hängt von der Ausrichtung der ihn umgebenden Spins, und dem, sofern vorhanden, äußeren Magnetfeld ab. Mit diesem einfachen Modell lässt sich nun die kritische Temperatur, die den Phasen-Übergang eines ferromagnetischen Festkörpers zu einem paramagnetischen berechnen. Ein solcher Kollaps besitzt mehrere Parallelen zu Crashs am Aktienmarkt.

Für den Finanzmarkt wird dieses Modell jetzt abgewandelt und uminterpretiert, um das Marktverhalten an der Börse näherungsweise zu beschreiben. Ein wichtiger Aspekt stellt das teilweise irrationale Verhalten von Aktienteilnehmern dar, das in Zeiten von Börsencrashs entsteht. Die sich aus dem Kursverfall ergebenden Verluste führen bei vielen Anlegern zur Panik, so dass sie ihr gesamtes Portfolio verkaufen. Die Verkaufswelle zieht wiederum einen weiteren Kursverfall nach sich. Diese selbstverstärkenden Effekte brechen nach einiger Zeit zusammen. In dem Modell wird versucht dieses Verhalten nachzuvollziehen, um so realistisches Anlegerverhalten als “Quanten-Herdentrieb” zu simulieren.

Und mit der Perkolationstheorie (einem der aktivsten mathematischen Forschungsgebiete der letzten 20 Jahre) kann man Zusammenbrüche der Aktienkurse angeblich bereits frühzeitig erkennen:

Die Perkolationstheorie beschreibt die Bildung von zusammenhängenden Netzwerken (Clustern) in zufällige Netzwerkstrukturen. Die entscheidende Größe ist hierbei die Wahrscheinlichkeit mit der zwei Teilnehmer miteinander verbunden sind.
Hierbei gibt es zwei fundamental unterschiedliche Phasen. Die unter-kritische Phase in der sich viele kleine, voneinander unabhängige Cluster ausbilden und die über-kritische globale Phase, in der es ein Gesamtnetzwerk gibt und praktisch keine eigenständigen Einheiten.
In Agenten-basierten Modellen des Finanzmarktes beschreibt dieser Phasenübergang den Übergang von der normalen Marktsituation, in der einzelne Agenten unabhängig oder in kleinen Gruppen agieren, zu den kollektive Extremsituationen, in der der Markt von teils unbegründeten kollektiven Ängsten bzw. von euphorischem Optimismus getrieben wird und praktisch alle Agenten als eine einzelne Einheit handeln. Das frühzeitige Erkennen eines solchen Perkolations-Verhaltens ist von entscheidender Bedeutung, um Crash Situationen frühzeitig zu erkennen und analysieren zu können. In physikalischen Systemen beschreibt dieser Phasenübergang z.B. den Übergang von (supra)leitenden Materialien zum Normalzustand. In der Quanten-Statistik sind solche Systeme ausgiebig untersucht und eine Vielzahl von Analysewerkzeugen basierend auf Quantenkorrelationen entwickelt worden.

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Kommentare (18)

  1. #1 Stephan
    Dresden
    13. Januar 2017

    Klingt echt cool. Aber was ich mich schon immer bei solchen Themen gefragt habe: Gibt es auch umgekehrt mathematische Methoden aus der Soziologie, Wirtschaft etc, die Eingang in die Physik gefunden haben? Bis jetzt scheint dies immer eine EInbahnstraße gewesen zu sein…

  2. #2 tomtoo
    13. Januar 2017

    @Thilo

    Überlege mir gerade was die Konsequens wäre man könnte diese chaotischen Systeme tatsächlich im Detail vorhersagen. Dann wären sie ja nicht mehr chaotisch ??

  3. #3 Karl Mistelberger
    13. Januar 2017

    Analogien waren immer schon beliebte, weil nützliche Werkzeuge. Dabei ist es komplett egal, ob sie auch nur im Entferntesten mit der Wirklichkeit zu tun haben: https://en.wikipedia.org/wiki/Analogical_models#Practical_uses

  4. #4 anderer Michael
    13. Januar 2017

    Ich glaube, das ist mit kritischer Distanz zu lesen . Auffallend auf der verlinkten Seite ein Werbebanner der EU und eine “Förderung des Wirtschaftsministeriums”. Das kann ich mir nicht vorstellen. Desweiteren Europäischer Sozialfonds und LMU München bzw Max-Planckgesellschaft als Partner für Risikoaktiengeschäfte?

  5. #5 MartinB
    13. Januar 2017

    Über genau diese Fragestellung wurde bei uns am Institut zu meinen Promotionszeiten nachgedacht.
    Das Ganze ist nicht so weit hergeholt, wie es auf den ersten Blick aussieht, weil die statistische Physik und die Quantenmechanik (bzw. Quantenfeldtheorie) formal ineinander überführt werden können (dazu muss man “nur” die Zeit ins Imaginäre rotieren…).
    Eine Analogie zu Schrödingers katze gibt es insofern, als alle Tools der statistischen Physik eben nur Wahrscheinlichkeiten vorhersagen können; was dann tatsächlich passiert, ist Zufall.
    Und der Aktienmarkt ist formal gesehen einem System der statistischen Physik durchaus ähnlich.

  6. #6 Bjoern
    14. Januar 2017

    Der Zusammenhang mit der “ins Imaginäre rotierten Zeit” ist mir zwar bekannt, ich denke aber nicht, dass der Autor das gemeint hat… er scheint schlicht ein statistisches Modell, das auf ein Problem der Quantenphysik angewendet wird, mit der Quantenphysik selbst zu verwechseln.

    Insbesondere sehe ich nicht, was Interferenzen / Superpositionen, die in der Quantenphysik ja ganz zentral wichtig sind, mit der Finanzphysik zu tun haben sollen. Ich sehe da noch nicht einmal komplexe Phasenfaktoren.

  7. #7 rolak
    14. Januar 2017

    durchaus ähnlich

    Um MartinBs generelle Bejahung auf die Titelfrage zu konkretisieren: So wie bei der Katze mit bekannter Verteilung (lebt|stirbt) erst beim Karton-Öffnen bekannt wird, ob sie verstorben oder quicklebendig ist, so wird bei einer einer Option mit prognostizierter Verteilung (steigt|fällt) erst am FälligkeitsTermin klar, ob das Geld verbrannt oder vermehrt wurde.

  8. #8 MartinB
    14. Januar 2017

    @Bjoern
    Ich wollte nur drauf hinweisen, dass das nicht so abwegig sein muss, wie es auf den ersten Blick klingt (was nicht heißt, dass es nicht im Einzelfall abwegig ist…).

  9. #9 tomtoo
    14. Januar 2017

    Eine Frage.
    Ich habe ein Chaotisches Feedback System wie die Börse , könnte aber vorhersagen wie sie sich im Detail verhält. Würde da nicht so eine Art Zeitparadoxon entstehen ?

  10. #10 Thilo
    15. Januar 2017

    Weiß nicht. Bei Wikipedia steht “Eine Zeitreise kann in der Vergangenheit dazu führen, dass die Zeitreise selbst nicht erfolgt. Nach einer erfolgreichen Zeitkorrektur in der Vergangenheit entfällt zum Beispiel in der geänderten Gegenwart der Anlass für die Zeitreise.”

  11. #11 tomtoo
    15. Januar 2017

    @Thilo
    Danke die Erklärung gefällt mir. : )

  12. #12 biotec4u
    17. Januar 2017

    … BOB der STREUNER – ist jetzt Schrödingers Filmkatze und sammelt mit seinem armen Strassemusikant das Spielgeld auf der Strasse des Lebens ein.

    … jetzt im Kino – biotec4u

  13. #13 biotec4u
    17. Januar 2017

    … aber bei TOM und Jerry aufpassen – da spielt man dich aus – Weiss auch der Udo Jürgens mit Titelsong …

    Vielen Dank für die Blumen – biotec4u

  14. #14 biotec4u
    17. Januar 2017

    … DER ALTE borsenguru kostelany – mit seinen Weisheiten von Einstein und Geld – der ALTE Würfelt wohl doch – konnte mit sein Zyklen – von BULLE und BÄR – wunderbar die Welt DER FUGGER erklären – trotz allem Geld gabs eine Wohltätigkeitsiedlung für Arme.

    Quantenphysik und Quadratmeter für Arme gehören zusammen – biotec4u

  15. #15 biotec4u
    24. Januar 2017

    … und Quantenphysik mit Börse – ein QUANTUM (Päckchen) Butter beim Kaufmann besorgen – ist älter Ausdruck. Und das AKTIENPAKET ist dann das Päckchen oder QUANTUM mit den Wertpapieren – die an Qualität oder Wert zunehmen – was ja Ziel des Spekulanten ist. Und BorsenGURUS empfehlen oft gegen den Trend zu spekulieren – eben spekulANT.

    … mit dem Trend gehen ist Mode – biotec4u

  16. #16 biotec4u
    24. Januar 2017

    … und bei JESUS gibts auch die TALENTE – vom Herr und seinen Knechten – wer dem HERR seine TALENTE vermehrt hat – DOPPELT und mehr wird gelobt – der der NICHTS vermehrt hat sollte doch sein Geld auf die Bank bringen – da hätten seine TALENTE wenigstens Zinsen gewonnen …

    … gehe zur PAXBANK mit Jesus – biotec4u

  17. #17 erik||e oder wie auch immer . . . ..
    26. Januar 2017

    Ich verstehe die Ähnlichkeiten zwischen der Finanzwelt und der Quantenphysik in folgendem Unterschied: die Quantenkatze ist an der Messung nicht beteiligt. Würde sie Miauen, dann zerstört sie den erhofften Versuchsaufbau Schrödingers. Die Messung wäre beendet, bevor Schrödinger gemessen hätte.

    Anders in der Finanzwelt: Sie stellt eine sachlich-materielle Ebene und eine informelle Ebene in einem überlagerten Zustand dar. Eine Realität wo Menschen die Position der Quantenkatze und die Position des messenden Schrödingers gemeinsam einnehmen. Das Denken der Menschen (Miauen der Quantenkatze) und das Gedankengebäude Schrödingers fallen aufeinander und bilden die informelle Ebene.
    Jeder einzelne Mensch, welcher in die Finanzwelt eingebunden ist, erhält das Resultat der Messung (DAX oder anderes) und entscheidet, welchen Input (±) er der Finanzwelt überträgt. Es entstehen Messungen von steigenden und fallenden Preisen: ein “lebender” gemessener Zustand. Jetzt kann es aber passieren, das einer in der Finanzwelt so laut Miaut, das ein Zustand entsteht, das die Finanzwelt im Chaos unter geht und sich neu ordnen muss: gemessener Zustand “Tod” . . . ..

    Vielleicht hilft es auch den Menschen oder die Quantenkatze als atomare, kohlenwasserstoffliche Struktur im Universum zu betrachten. Dann reduziere ich jede lebende Struktur (Evolution) auf Physik und Mathematik und komme auf einen gleichen Nenner mit der Physik im Universum. Physik ist dann die sachlich-materielle Ebene und Mathematik die informelle Ebene. Dann ist es für mich einfacher zu verfolgen, das Information Teilchen bewegt und Teilchen Information transportieren, welche wiederum . . . ..

  18. #18 H. Lehmann
    Frankfurt(M)
    29. Januar 2019

    Die Approximation von Erscheinungen und Prozessen der unbelebten Materie auf gesellschaftliche Teilprozesse (wie Börsenkursentwicklung) ist für die Analyse interessant. Das Geschehene lässt sich modellieren. Gewünscht ist aber die Prognose. Diese zu erstellen, ohne die Kenntnis konkreter situativer Handlungsweisen der agierenden Menschen, ergibt nur grobe Anhalte bzw. versagt dort, wo es ggf. auf eine präzise Voraussage ankommt (Vgl. z.B. die Methode der Empirischen Bandzerlegung – EMD).