In Österreich finden in zwei Wochen Nationalratswahlen statt. Auf der Liste Kurz (aka ÖVP) kandidiert dabei ein Mathematiker als Sprecher für Wissenschaft und Forschung.

Ich habe mir letzten Sonntag ein (von musikalischen Pausen unterbrochenes) 2-stündiges Interview mit Rudolf Taschner auf Bayern 1 angehört. In dem Interview ging es nun explizit nicht um seine Kandidatur (die überhaupt nicht erwähnt wurde), sondern um Mathematik. Irgendwie klang alles, was er dort erzählte, auch ganz hervorragend – nur dass er auf Nachfragen der (ihn die meiste Zeit sehr umschmeichelnden) Moderatorin selten eine konkrete Antwort gab, sondern sich stets in charmantem Tonfall in irgendwelche offenbar vorbereiteten mehr oder weniger interessanten (aber stets Bildung zur Schau stellenden) Anekdoten flüchtete.
Auch in seinem Vorstellungsvideo zur Wahl bleibt er seltsam unkonkret:

“ich glaube, dass wir jetzt in eine Zeit des Umbruchs hineingeraten und es ganz wichtig ist, neue Gedanken wirklich genau zu formulieren und sich zu überlegen, was man tun wird”. Na ja, das kann erstmal alles oder nichts bedeuten. (Aus anderen Verlautbarungen wird immerhin deutlich, dass es um Digitalisierung und lebenslanges Lernen gehen soll – aus diesem Vorstellungsvideo ist selbst das nicht erkennbar.)

Wenn man seine lange vor der Kandidatur in zahlreichen Pressekolumnen veröffentlichten Beiträge anschaut, so wurden auch in diesen vordergründig von Mathematik handelnden Texten oft politische Botschaften transportiert. (Übrigens sehr viel deutlichere als er es jetzt im Wahlkampf tut.) Die vertretenen Ansichten waren die, die in vielen Ländern von Parteien rechts der Mitte vertreten werden: gegen die Einheitsschule, gegen die Energiewende, gehen NGOs und “Weltverbesserer” etc.pp. Natürlich sind das alles Ansichten, die man vertreten darf. Was aber etwas nervt ist die in seinen Kolumnen regelmäßig vorgetragene Attitüde, die eigenen Ansichten als Ergebnis einer rationalen, wissenschaftlichen Herangehensweise darzustellen und denen der anderen ebendies abzusprechen – wobei natürlich meist im Unkonkreten bleibt, auf welchen rationalen und wissenschaftlichen Erkenntnissen seine Ansichten denn eigentlich beruhen.
Man darf gespannt sein, was ein Wissenschaftsminister Taschner für Bildung und Forschung in Österreich bedeuten wird.

Kommentare (11)

  1. #1 cero
    2. Oktober 2017

    Ich finde tatsächlich, dass manche Positionen von “NGOs und Weltverbesserern” den wissenschaftlichen Grundlagen widersprechen, bestes Beispiel ist das Thema Gentechnik.

    Daraus eine allgemeine Ablehnung zu fordern ist dagegen etwas weit hergeholt. Auch ist mir unklar, inwiefern man auf wissenschaftlicher Basis grundsätzlich gegen die Energiewende sein kann.

    Ansonsten kann ich aber das Problem mit einigen linken und grünen Positionen gut nachvollziehen, weshalb ich jetzt (aus der linken Ecke kommend) meine Hoffnungen in die Partei der Humanisten setze, die eben zusätzlich zu einer sozialliberalen Ausrichtung ihre Politik grundsätzlich auf wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbauen möchte.

    Wenn man sich den Science-o-mat so ansieht, dann vertreten leider momentan die CDU/FDP die am wenigsten antiwissenschaftlichen Positionen. Eine etablierte Alternative im sozialliberalen Spektrum gibt es leider sonst nicht.

  2. #2 Lercherl
    2. Oktober 2017

    ich glaube, dass wir jetzt in eine Zeit des Umbruchs hineingeraten und es ganz wichtig ist, neue Gedanken wirklich genau zu formulieren und sich zu überlegen, was man tun wird

    Ich wusste gar nicht, dass es den Bullshit-Generator auch auf deutsch gibt!

    Bei irgendeiner Veranstaltung habe ich vor ein paar Jahren einen Vortrag von ihm gehört. Vortragen kann er wirklich ausgezeichnet, auch wenn er gelegentlich Stuß redet. Damals phantasierte er von einem Dialog zwischen Gerbert von Aurillac (Papst Sylvester II) und Leonardo von Pisa (Fibonacci). Dass Leonardo 200 Jahre nach Gerbert lebte, ist ihm anscheinend nicht aufgefallen.

    Ich habe gelegentlich seine Kolumnen gelesen und finde, manches hat Hand und Fuß, anderes ist vollkommen abgehoben.

    Taschner hat sich für Atomkraft ausgesprochen. Das ist nun prinzipiell nicht schlecht, diese Meinung muss man repektieren, auch wenn man sie nicht teilt. Er hat sie allerdings sehr seltsam quasi-mystisch begründet (Details weiß ich nicht mehr). Wenn in Österreich ein Politiker Drogenpartys mit minderjährigen Prostituierten feiert, kann er das vielleicht noch politisch überleben; wenn er sich positiv zu Atomkraft äußert, dann ist er sicher weg vom Fenster. Wenn jemand seine Äußerungen zur Atomkraft ausgräbt und im Wahlkampf zur Sprache bringt, wird ihm das schwer schaden.

  3. #3 Kai
    2. Oktober 2017

    @Cero: ich bin auch gegen Gentechnik in der Landwirtschaft (zumindest so wie sie bisher praktiziert wird) und kann das gerne auch rational begründen.
    Das es bei den Gentechnik-Gegnern viele Spinner gibt ist richtig. Die gibts bei den Beführwortern aber genauso. Sie können nicht rationale Argumente für Gentechnik mit den “Kein Gift in unsere Nahrung” Spinnern auf der anderen Seite vergleichen. Man kann über das Thema sehr wohl trefflich streiten und es gibt viele Pro- und Kontra-Argumente.

    Erinnert mich etwas an einen Artikel im Guardian, wo ein englischer Journalist sich gewundert hat, wie Merkel gegen Atomkraft ist. Sie ist doch schließlich Physikerin und muss wissen das Atomkraft absolut sicher ist und keinerlei Nachteile hat.

    Die meisten politischen Themen sind zu komplex als das es für sie eine einzige, rationale Wahrheit gäbe. Schlimm finde ich es daher, wenn immer wieder Menschen so tun als würden nur sie allein zum rationalen Denken in der Lage sein.

  4. #4 cero
    2. Oktober 2017

    @Kai: Da hast du natürlich komplett Recht, wissenschaftliche Erkenntnisse können immer nur Grundlagen für eine politische Meinungsbildung sein.
    Allerdings ist eine Fundamentalopposition gegenüber der Gentechnik – aus wissenschaftlicher Sicht – durchaus einfach unbegründet.
    Und die wird von den aktuellen Parteien im linken Spektrum so gefahren.

  5. #5 Laie
    4. Oktober 2017

    Ha, ha,

    Ich glaube, dass wir jetzt in eine Zeit des Umbruchs hineingeraten und es ganz wichtig ist, neue Gedanken wirklich genau zu formulieren und sich zu überlegen, was man tun wird.

    das hört sich ganz nach A. Murk sel an! 🙂

    Haben die sich gegenseitig “beraten” ?

  6. #6 ralph
    4. Oktober 2017

    Wenn jemand rhetorisch gut drauf ist, gut ankommt, und dazu noch eitel, besteht immer die Gefahr, dass er seine eigene Meinung, die er ja bestens verkaufen kann, grandios überschätzt. Solange er mühelos Gegenargumente und Zweifel elegant wegwischen kann, muss er sich nicht die Mühe machen den Dingen auf den Grund zu gehen. Der Applaus seiner Zielgruppe oder der weniger informierten ist ihm sicher.

  7. #7 ralph
    4. Oktober 2017

    @Kai
    Warum bist du gegen Gentechnik in der Landwirtschaft, wie sie ZB in den USA seit Jahren betrieben wird? Welche wissenschaftlichen Gründe sprechen für dich dagegen?

  8. #8 Thilo
    16. Oktober 2017

    https://derstandard.at/2000064302141/Bildungspolitische-Watschn-fuer-die-Regierung (Der Artikel ist schon vier Wochen alt, at nichts mit der heutigen Wahl zu tun.)

  9. #9 LC
    Der typische
    18. Oktober 2017

    Politwissenschafter !