Das Studium (damals noch prä-Bachelor/Master) begann mit vier Semestern Grundstudium. Da biss man sich einmal quer durch alle Bereiche der Biologie und die anderen MINTs, damit eine gewisse Grundlage für die Entscheidung bestand, was man ab dem fünften Semester im Hauptstudium denn gerne vertiefen möchte.

Eigentlich ging ich einst mit dem Entschluss in das Bio-Studium, mich genauer mit Biochemie zu beschäftigen…was ich aber nach wenigen Stunden Biochemie schnell verworfen habe^^. Da mir auch Genetik Spaß gemacht hat, wollte ich dann das gerne als Hauptfach wählen, aber auch da war mir schnell klar, dass die Materie für mich etwas zu “trocken” war. Also habe ich nebenher noch ein paar freiwillige Praktika in der Humangenetik eingeworfen, wo es mir deutlich besser gefiel. Diagnostik und Forschung für konkrete Fragestellungen, die Patienten helfen, fand ich viel besser als Grundlagenforschung oder abstrakte Forschungsvorhaben. Aber da Humangenetik ein medizinisches Fach ist und ich als Biologe zuerst mal einen Abschluss vorweisen muss, damit ich dort quereinsteigen kann, half das bei der Entscheidung auch nicht weiter. Zumindest hatte ich neben den Pflichtfächern auch noch genug Zeit für Vorlesungen und Praktika anderer Fachbereiche, die mich einfach nur interessiert haben. Wie sich aber über die Jahre gezeigt hat, lohnt es sich wirklich, den Kopf auch mal aus dem eigenen (Fach-)Schneckenhaus zu stecken und sich inspirieren zu lassen. Ob es nun Geologie, Astrophysik oder Notfallmedizin ist, man kann später von diesem Wissen zehren und es auch konkret anwenden. Wobei die Möglichkeiten eines solchen “Studium generale” wohl heutzutage arg beschränkt sind. Leider.

Dennoch blieb mir also die Frage nach dem Hauptfach. Entwicklungsbiologie fand ich auch total interessant…aber der Professor war ein schrecklicher Choleriker und hat schon in der Vorlesung ständig Leute zusammengefaltet. Bei dem wollte ich nun auch nicht die nächsten Jahre verbringen. Rein zufällig begleitete ich eine Kommilitonin zu einer Vorlesung in die Anthropologie. Dazu gab es zwar im Grundstudium eine Vorlesung, die mich aber nicht so mitgerissen hatte. Aber jetzt wurde es interessant: In Göttingen liegt einer der Schwerpunkte auf der molekulargenetischen Analyse von alter DNA (aDNA) aus Knochen in alten Grabzusammenhängen. Damit konnten dann Fragestellungen zu Verwandtschaften geklärt werden, die bei der rein anthropologischen Begutachtung nur vermutet werden können. Also Genetik…und Knochen…und konkrete Fragestellungen! Genau meins. 🙂 So kam ich zu meinem Hauptfach. Als Nebenfach habe ich mir dann Humangenetik anerkennen lassen und als nicht-biologisches Nebenfach Physik.

Neben der Genetik wurden im Hauptstudium natürlich auch die klassischen anthropologischen Bereiche abgehakt. Ich habe also Skelette wieder zusammengesetzt und deren Alter, Geschlecht und sonstige Körpermerkmale abgeschätzt (Osteologie), einiges über unsere frühen Vorfahren gelernt (Paläoanthropologie) und Affen beobachtet und deren Verhalten analysiert (Verhaltensforschung). Hängengeblieben bin ich allerdings bei der Genetik und anderen Analysen im Labor. Und weil der Weg von der aDNA aus mittelalterlichen Knochen nicht weit ist zur nicht ganz so alten DNA aus Knochen oder anderen Geweben, war das Labor schon damals in die GEDNAP(German DNA Profiling)-Ringversuche der Spurenkommission eingebunden.

Und weil die nicht weit entfernt lag und mir das Thema irgendwie interessant vorkam, habe ich während der Hauptstudiums auch noch diverse Vorlesungen in der Rechtsmedizin angehört. So war ich dann tief drin im forensischen Sumpf und kam irgendwie auch nicht mehr heraus^^

Nach Abschluss des Studiums bin ich dann wieder in den Norden zurück und habe in Hamburg nach einer Stelle gesucht. Leider war die Anthropologie in Hamburg nicht sehr DNA-affin und in der Rechtsmedizin gab es keine Stelle, weshalb es mich zuerst einmal in die medizinische DNA-Diagnostik verschlagen hat. Bei einer privaten Firma, die für niedergelassene Ärzte DNA-Analysen für diverse genetisch bedingte Erkrankungen angeboten hat, sollte ich eine neue Methode zur SNP-Analyse etablieren.

In dieser Zeit habe ich mir wieder einmal Vorlesungen in der Rechtsmedizin angehört und das Thema erschien mir immer interessanter. Zumal ich mit der Zeit etwas verärgert darüber war, dass in der Privatwirtschaft die Wissenschaft dem Profit untergeordnet wird. Irgendwann habe ich dann einfach gewechselt (in die Rechtsmedizin, Anm. CC) . Weil es immer noch keine Stelle gab, habe ich erst ein paar Monate als Praktikant meinen Fuß in die Tür gesetzt und danach einige Jahre als HiWi gearbeitet. Wie üblich mit vielen unbezahlten Überstunden.

flattr this!

1 / 2 / 3 / 4 / 5 / 6 / 7 / 8

Kommentare (6)

  1. #1 H. Auwärter
    08/08/2021

    Hammer! Vielen Dank an Sie alle, dass Sie Ihre Geschichte aufgeschrieben haben und viel Glück an die, die noch nicht angekommen sind!

  2. #2 Dr. Webbaer
    08/08/2021

    Ischt sicherlich “Hardcore”, naturwissenschaftliche Anwendung meinend, auch nicht immer appetitlich, Dr. Webbaer mag auch Einschätzungen wie gleich ganz oben beigebracht : ‘Die Arbeit ist zutiefst sinnerfüllt, weil er keinen diffusen, sondern sehr konkreten und hohen Anliegen wie beispielsweise der Aufklärung von Straftaten oder der Identifizierung von Verstorbenen dient.’
    Allen viel Erfolg!

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Webbaer

  3. #3 Aspirant
    09/08/2021

    von mir auch großes Dankeschön.
    Ganz schwer, über diesen Beruf was zu finden, hier an der Uni weiss kaum einer was und ein Praktikum zu bekommen ist ziemlich schwer.
    Hat auf jeden Fall geholfen, mir ein Bild zu machen und über Möglichkeiten nachzudenken!

  4. #4 Aspirant
    09/08/2021

    P.S.: grüsse gehen raus an den Olli – voll sympathischer Kerl 🙂

  5. #5 Cornelius Courts
    11/08/2021

    Es gibt noch einen Nachtrag: ich habe noch die Geschichte von Eva, meiner ersten Doktorandin, eingefügt. Danke Eva, für’s Teilen!

  6. #6 Gasterosteus
    12/08/2021

    Yey, den Beitrag von Eva hatte ich schon vermisst.
    Schön, die vielen Beiträge zu lesen.