Worum geht es bei “Geometrisierung”?

Der Begriff “Geometrisierung” wird in Physik und Mathematik in verschiedenen Bedeutungen verwendet. In der Topologie meint man mit Geometrisierung den Versuch, Räume (oder Flächen) in eine besonders regelmäßige Form zu bringen.

Zum Beispiel sollte man sicherlich davon ausgehen, daß das Weltall regelmäßige Form hat, also “homogen” ist. (Man weiß bis heute nicht, wie die topologische Gestalt des Weltalls aussieht.) Auch viele in der Natur vorkommende Formen sind natürlich homogen.

Aus Sicht der Topologie haben regelmäßige Formen den Vorteil, daß man ‘leichter erkennen kann, um welchen Raum es sich handelt’.

In der Topologie will man Methoden entwickeln, um Räume unterscheiden zu können. Räume haben die gleiche Form (d.h. sind “homöomorph” oder topologisch gleich), wenn sie sich ‘ohne Reißen und Kleben’ eineindeutig aufeinander abbilden lassen. (vgl. Teil 9 ) Zum Beispiel sind der Donut und die Kaffeetasse topologisch gleich:

i-98d98e013ce2708e3286a0d68fc895bb-Mug_and_Torus_morph.gif

Wenn man zwei Räume oder Flächen hat, kann man sie z.B. durch Berechnung von Euler-Charakteristik oder Fundamentalgruppe unterscheiden. Aber was, wenn dies keine Unterscheidung liefert? Wie kann man zum Beispiel entscheiden, was die topologische Form (d.h. die Anzahl der Löcher) der Fläche im Bild unten ist?


c: BernhardH

(In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser Fläche einfach um eine Sphäre, sie hat also gar keine Löcher.)

Geometrisierung in der Topologie, um das schon mal vorwegzunehmen, heißt, evtl. unregelmäßige Räume in eine regelmäßige Form zu bringen, ohne ihre eigentliche Gestalt zu verändern (anschaulich: eine zerknitterte Fläche glattzuziehen). Um die Räume danach besser zu unterscheiden (bzw. ggf. ihre Gleichheit nachweisen) zu können.

Im Fall von Flächen heißt “besonders regelmäßige Form”: eine Form, so daß in jedem Punkt der Fläche die Krümmung gleich groß ist.

Zur genauen Definition von Krümmung kommen wir nächste Woche, heute nur eine Veranschaulichung:

– eine Ebene hat natürlich keine Krümmung, d.h. die Krümmung ist in jedem Punkt 0
– eine runde Sphäre hat in jedem Punkt positive Krümmung
i-162beb0e2ae777659a972c471cb7ea60-Triangle_on_spherical_plane.png
– eine Sattelfläche hat im Sattelpunkt negative Krümmung
i-a7d1360678e773542d2b73c6836b3e81-HyperbolicParaboloid.png

Also anschaulich: die Krümmung (an einem Punkt der Fläche) ist positiv, wenn die Fläche in beiden Richtungen nach außen gekrümmt ist; die Krümmung ist negativ, wenn die Fläche in einer Richtung nach innen, in der anderen nach außen gekrümmt ist.

Auch ohne die präzise mathematische Definition gesehen zu haben ist klar, daß die Krümmung einer Fläche an verschiedenen Punkten unterschiedlich sein kann. Eine verkrumpelte Sphäre hat z.B. in vielen Punkten positive, in manchen aber negative Krümmung.

Und ein im Raum liegender Torus hat, selbst wenn wir ihn möglichst “regelmäßig” legen, in ‘äußeren’ Punkten positive und in ‘inneren’ Punkten negative Krümmung.

Was schon mal zeigt, daß es nicht so einfach sein dürfte, einen Torus (oder eine Fläche mit mehreren Henkeln) in eine Form mit konstanter Krümmung zu bringen. Darum geht es dann letztlich bei Geometrisierung.

Hier für heute noch ein Bild von drei im Raum liegenden Flächen mit negativer, null und positiver Krümmung.

i-8cf53d6d275d95cf8a065e346fdcfe8c-Gaussian_curvature.PNG

Wie immer: alle Bilder aus der Wikipedia.

Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5, Teil 6, Teil 7 , Teil 8, Teil 9 , Teil 10 ,Teil 11, Teil 12, Teil 13, Teil 14, Teil 15, Teil 16, Teil 17, Teil 18, Teil 19, Teil 20, Teil 21, Teil 22, Teil 23, Teil 24, Teil 25, Teil 26, Teil 27, Teil 28, Teil 29, Teil 30, Teil 31, Teil 32, Teil 33, Teil 34, Teil 35, Teil 36, Teil 37, Teil 38, Teil 39, Teil 40, Teil 41, Teil 42, Teil 43, Teil 44, Teil 45