Spitzen und Kegelsingularitäten.

Letzte Woche ging es schon um die Wirkung der modularen Gruppe SL(2,Z) auf der hyperbolischen Ebene (der oberen Halbebene, d.h. den komplexen Zahlen z mit Imaginärteil Im(z)>0).
SL(2,Z) ist die Gruppe der ganzzahligen 2×2-Matrizen und sie wirkt durch

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Wie letzte Woche gesehen, läßt sich die hyperbolische Ebene so in ‘Dreiecke’ (mit jeweils einem Punkt im Unendlichen) zerlegen, daß jedes Dreieck aus dem grauen Dreieck durch die Wirkung einer Matrix aus SL(2,Z) entsteht:

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Ähnliche Bilder hatten wir schon im Zusammenhang mit hyperbolischen Flächen wie der Brezelfläche:

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Quelle: Mathworld

Die Fundamentalgruppe der Brezelfläche wirkt auf der hyperbolischen Ebene. (Wir benutzen hier das Kreisscheibenmodell statt des Halbebenenmodells im Bild oben. Beide Modelle sind aber isometrisch, s. TvF 55.)
Statt der Dreiecke im 1. Bild haben wir im 2. Bild eine Pflasterung in Achtecke.
So wie im 1. Bild jedes Dreieck durch Wirkung eines Elements von SL(2,Z) aus dem grauen Dreieck entsteht, entsteht im 2.Bild jedes Achteck durch Wirkung eines (eindeutigen) Elements der Brezel-Fundamentalgruppe aus dem zentralen Achteck.
Als “Quotient” (wenn man Punkte identifiziert, die sich mit der Gruppenwirkung aufeinander abbilden lassen) bekommt man im unteren Bild die Brezelfläche. (Die Brezelfläche ist also hyperbolisch.)

Genau so kann man sich natürlich anschauen, was man im oberen Bild als “Quotient” der oberen Halbebene für die Wirkung von SL(2,Z) bekommt. Dabei werden die beiden gegenüberliegenden Seiten des Dreiecks (die mit der ‘Ecke im Unendlichen’) miteinander verklebt, außerdem werden die beiden Hälften der dritten Seite mittels einer Drehung verklebt. (Eigentlich handelt es sich also um ein 4-Eck, dessen Kanten verklebt werden.)
Man bekommt wieder eine hyperbolische Fläche – aber
– es gibt einen Punkt im Unendlichen und
– die Winkel um die Eckpunkte addieren sich nicht zu 360o, sondern zu 120o bzw. 180o.

Den Punkt im Unendlichen bezechnet man als ‘Spitze’ (engl.:’cusp’);

Punkte, um die der Winkel nicht 360o ist, bezeichnet man als ‘Kegelpunkte’ oder Kegelsingularitäten. Das Bild sollte klarmachen, warum – die Fläche sieht dort aus wie der Kreiskegel über einem Kreis mit Radius 1, dessen Umfang aber nicht 2π, sondern der Winkel an diesem Punkt ist.

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© Euchiasmus

Also: die Wirkung von SL(2,Z) auf der hyperbolischen Ebene gibt zwar als ‘Quotienten’ keine “richtige” hyperbolische Fläche, aber zumindest eine mit Singularitäten. Genauer: eine Sphäre, in der ein Punkt (der ‘Punkt’ im Unendlichen) weggelassen ist, und wo man in zwei Punkten Kegelsingularitäten mit Winkel π bzw. 2π/3 hat.

Diese sogenanne Modul-Fläche spielt eine wichtige Rolle bei der Klassifikation elliptischer Kurven – dazu nächste Woche.

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