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Rezension zu
“Foliations and the Geometry of 3-Manifolds”
, Clarendon Press Oxford Mathematical Monographs.
(Die englische Übersetzung einer ausführlicheren Version dieser Buchbesprechung erscheint in Mathematical Reviews)

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Hyperbolische Metrik auf einer Fläche (Quelle)

Die Wechselwirkung zwischen Topologie und hyperbolischer Geometrie hat sich als ein zentrales Thema in der Theorie der 3-Mannigfaltigkeiten erwiesen. Einerseits gab es (schon vor Perelman) Beweise des Hyperbolisierungssatzes für 3-Mannigfaltigkeiten mit speziellen topologischen Eigenschaften (Haken-Mannigfaltigkeiten, Abbildungstori), andererseits wird hyperbolische Geometrie benutzt, um die Topologie hyperbolischer Mannigfaltigkeiten zu verstehen.

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Anosov-Abbildung (Quelle)

Ein besonders schönes Beispiel ist die Theorie 3-dimensionaler Abildungstori. Wenn M der Abbildungstorus eines Pseudo-Anosov-Diffeomorphismus φ ist, dann ist M hyperbolisch und die Wechselwirkung zwischen der hyperbolischen Geometrie von M und der Dynamik von φ (beschrieben durch die Cannon-Thurston-Theorie) ist wie folgt:

Die Inklusion i:S–>M der Faser S hebt sich zu einer Abbildung I zwischen den universellen Überlagerungen. Wenn wir hyperbolische Metriken gewählt haben entspricht I einer (nicht-isometrischen) Einbettung I:H2–>H3 der hyperbolischen Ebene in den hyperbolischen Raum, und man erhält eine Abbildung zwischen den Rändern im Unendlichen δI:S1–>S2, die sich als Peano-Kurve erweist. Zwei Laminierungen Λ+, Λ des Kreises sind gegeben durch die Bedingung, daß Punkte p, q in S1 zum selben Blatt von Λ+ (bzw. Λ) gehören, wenn sie auf denselben Punkt in S2 abgebildet werden und dieser Bildpunkt durch beliebig kurze Wege auf der positiven (bzw. negativen) Seite der Bildkurve approximiert werden kann.

Diese beiden Laminierungen von S1 geben π1S-invariante Laminierungen von H2 und damit geodätische Laminierungen der Fläche S, die gerade der stabilen bzw. instabilen Laminierung von φ entsprechen.

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Laminierung der hyperbolischen Ebene (Quelle)

Noch eine andere Sichtweise aus der Dynamik ist es, den Suspensions-Fluß von φ zu betrachten. Dieser ist quasigeodätisch und ist ein Pseudo-Anosov-Fluß. Die Suspensionen der beiden Laminierungen geben natürlich die stabile bzw. instabile Laminierung des Suspensionsflusses. (Man kann zeigen, daß sie echte Laminierungen mit trivialem Guts sind, und transversal zu den Fasern.)

Ein Ziel des Buches ist eine analoge Pseudo-Anosov-Theorie für allgemeinere 3-Mannigfaltigkeiten, also eine Verallgemeinerung der für Abbildungstori von Pseudo-Anosov-Diffeomeorphismen bekannten Theorie auf eine viel größere Klasse von 3-Mannigfaltigkeiten, nämlich atoroidale 3-Mannigfaltigkeiten mit straffen Blätterungen (oder mit quasigeodätischen Flüssen). Eine der ursprünglichen Motivationen für die Entwicklung einer solchen Theorie war Thurstons Programm, die Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten auf 3-Mannigfaltigkeiten mit straffen Blätterungen (oder allgemeiner mit wesentlichen Laminierungen) zu erweitern. Auch wenn diese Ansatz jetzt von Perelmans Arbeit übertroffen wurde, bleibt die Beziehung zwischen Blätterungen und hyperbolischen Strukturen ein sehr interessantes Thema.
Ein weiteres Ziel des Buches ist die Darstellung der Idee des ‘universellen Kreises im Unendlichen’ für straffe Blätterungen und andere dynamische Systeme auf 3-Mannigfaltigkeiten, insbesondere die Präsentation der Resultate des Autors in “Promoting essential laminations”. Das Buch ist aber (wie der Autor im Vorwort sagt) nicht aus einer einzelnen, kohärenten Perspektive geschrieben, sondern erklärt viele Ansätze und Konstruktionen der niedrig-dimensionalen Geometrie, oft durch Beispiele. Ein neugieriger Topologe kann das Buch auf einer beliebigen Seite aufschlagen und wird höchstwahrscheinlich immer irgendeinen ihn interessierenden Pubkt finden.

Kapitel 1 behandelt den Fall von Flächenbündeln, d.h. Abbildungstori. Nebenbei erklärt werden Dehn-Nielsen-Theorie und die Abbildungsklassengruppe, die Grobgeometrie der hyperbolischen Ebene, Teichmüller-Theorie und der Raum der gemessenen Laminierungen, und Thurstons Klassifikation der Homöomorphismen von Flächen.

Kapitel 2 mit dem harmlos klingenden Titel “The Topology of S1” ist das längste Kapitel und sein Inhalt sollte auch für Geometer interessant sein, die mit Blätterungen nichts zu tun haben. Insbesondere die Fülle an Beispielen sollte jedem an irgendeinem Aspekt diskreter Gruppen Interessierten irgendetwas neues liefern. Das Kapitel beginnt mit den Ergebnissen über monotone Abbildungen und Laminierungen von S1 aus “Promoting essential laminations” (die dann in Kapitel 8 benutzt werden), diskutiert dann links-geordnete bzw. zirkulär geordnete Gruppen und beweist, daß diese gerade die Untergruppen von Homeo+(R1) bzw. Homeo+(S1) sind. In diesem Kontext werden die Euler-Klasse, beschränkte Kohomologie und die Milnor-Wood-Ungleichung eingeführt. Es werden in diesem Kapitel viele weitere geometrische und dynamische Eigenschaften von Gruppen diskutiert, von Bavards Satz über uniform perfekte Gruppen, über laminare Gruppen, über Konvergenzgruppen, bis zu Eigenschaft T, um nur ein paar Schlagworte zu erwähnen.

Kapitel 3 behandelt Minimalflächen, alles wird von den grundlegenden Definitionen entwickelt bis zum Schoen-Yau-Existenzsatz und einigen Kompaktheitssätzen.

Kapitel 4 ist über die Grundlagen der Theorie straffer Blätterungen von 3-Mannigfaltigkeiten. Es beginnt mit dem Satz von Frobenius, geblätterten Bündeln und Holonomie, Reeb-Stabilität und vielen interessanten Konstruktionsmethoden, geht weiter mit dem Satz von Novikov (straffe Blätterungen gibt es nur auf Prim-Mannigfaltigkeiten M, die Blätter straffer Blätterungen sind inkompressibel), dem Satz von Palmeira, aus dem folgt, daß der Raum der Blätter (für die induzierte Blätterung der universellen Überlegerung von M) eine einfach zusammenhängende 1-Mannigfaltigkeit ist, und mit Ergebnissen über Verzweigung und Distortion (zum Beispiel: die Blätter der universellen Überlagerung sind uniform eigentlich eingebettet gdw. der Raum der Blätter Hausdorffsch ist). Zum Schluß werden noch einige Ergebnisse über straffe Blätterungen auf Seifert-Faserungen beschrieben.

Kapitel 5 diskutiert eine reichhaltige Beispiel-Klasse straffer Blätterungen, nämlich Blätterungen endlicher Tiefe. Es beschreibt Thurstons Konstruktion einer Norm auf der Homologie von 3-Mannigfaltigkeiten und, mit Beweisskizze, Gabais Konstruktion von straffen Blätterungen auf Prim-Mannigfaltigkeiten mit nichttrivialer Homologie H2. Anwendungen auf die Komplexität der Berechnung norm-minimierender Zykel und auf die Faserbarkeit von Links werden dargestellt.

Kapitel 6 führt wesentliche Laminierungen ein. Es präsentiert eine Menge inspirierender Beispiele, erklärt den Zusammenhang mit verzweigten Flächen und verschiedene Ergebnisse über Pseudo-Anosov-Flüsse. Viele weitere Sätze werden diskutiert, wie der Satz von Britenham über normale Laminierungen, die Ergebnisse von Gabai-Kazez über schwache Hyperbolisierung atoroidaler Mannigfaltigkeiten mit echten Laminierungen und (Nicht-)Existenzsätze für wesentliche Laminierungen auf hyperbolischen Mannigfaltigkeiten kleinen Volumens.

Kapitel 7 beweist die Existenz eines universellen Kreises für straffe Blätterungen nach “Laminations and groups of homeomorphisms of the circle”. Ein universeller Kreis ist ein Kreis mit einer π1M-Wirkung, so daß man zu jedem Blatt λ (der Blätterung der universellen Überlagerung) eine monotone Abbildung φλ vom universellen Kreis zum ‘Rand im Unendlichen von λ’ (was ja ebenfalls ein Kreis ist) hat, die mit der π1M-Wirkung kommutiert und gewisse technische Axiome erfüllt.
Kapitel 7 enthält noch mehr Material aus “Laminations and groups of homeomorphisms of the circle”, z.B. einen Beweis von Candels Theorem über die Existenz einer blattweise hyperbolischen Metrik.

Kapitel 8 ist das technischste Kapitel, es erklärt mit vollständigen Beweisen die Resultate aus “Promoting essential laminations”: Wenn M atoroidal ist und man eine in beiden Richtungen verzweigte Blätterung hat, dann erhält man (aus den Axiomen des universellen Kreises) ein Paar wesentlicher Laminierungen transversal zur gegebenen Blätterung.

Kapitel 9 präsentiert eine unveröffentlichte Arbeit von Thurston “Three-manifolds, foliations and circles. I’ über ‘slitherings’, d.h. 3-Mannigfaltigkeiten M, deren universelle Überlagerung π1M-äquivariant über dem Kreis fasert. (Äquivalent: 3-Mannigfaltigkeiten mit einer straffen Blätterung, deren Blätter endlichen Hausdorff-Abstand voneinander haben.) Der Autor hat in “R-covered foliations of hyperbolic 3-manifolds” gezeigt, daß nicht jede unverzweigte Blätterung diese Bedingung erfüllt, trotzdem kann man auch für unverzweigte Blätterungen (atoroidaler 3-Mannigfaltigkeiten) einen ‘universellen Kreis’ und ein Paar transversaler Laminierungen konstruieren – das wurde vom Autor in “The geometry of R-covered foliations” und unabhängig von Fenley bewiesen.
Diese Ergebnisse sind komplementär zu denen aus Kapitel 8 und sie werden in Kapitel 9 in etwas verkürzter Form dargestellt. Die Existenz echter Laminierungen impliziert mit dem Gabai-Kazez-Theorem dann die Hyperbolizität von π1M, ein Ergebnis, das man jetzt natürlich auch aus Perelmans Arbeit folgern kann.

Kapitel 10 diskutiert mögliche Ansätze zu einer analytischen Theorie von Quasikreisen, sowie Verallgemeinerungen der Ergebnisse aus Kapitel 7 und 8 auf hyperbolische 3-Mannigfaltigkeiten mit quasigeodätischen Flüssen, und endet mit einem Ausblick auf noch nicht veröffentlichte Arbeiten von Fenley.

Das Buch gibt nicht immer formal vollständige Beweise, sondern richtet sich (wie es der Autor im Vorwort formuliert) an Leser, die “want to understand why a theorem is true, beyond being able to verify that some argument proves it. […] sometimes subtle issues are better treated by giving examples (or counterexamples) than by general nonsense.” Das Buch ist tatsächlich so geschrieben, daß vermutlich jeder geometrisch interessierte Mathematiker etwas ihn interessierendes finden wird.“The ideal reader is […] having a little bit of familiarity with Riemann surfaces and cut-and-paste topology […]. There are very few technical prerequisites: one can draw pictures which accurately represent mathematical objects, and one can do experiments and calculations which are guided by physical and spatial intuitions.”

Die englische Übersetzung (einer ausführlicheren Version) dieser Buchbesprechung erscheint in Mathematical Reviews.
Der Autor hat eine Webseite zum Buch, auf der man eine pdf-Version des Buches herunterladen kann.

Foliations and the Geometry of 3-Manifolds
Danny Calegari
Clarendon Press Oxford Mathematical Monographs
384 pages | several black and white images | 234x156mm
978-0-19-857008-0 | Hardback | 17 May 2007

weitere Literatur:
William P. Thurston (1997). Three-manifolds, Foliations and Circles, I arxiv DOI: https://arxiv.org/abs/math/9712268
Dunfield, N., & Calegari, D. (2003). Laminations and groups of homeomorphisms of the circle Inventiones Mathematicae, 152 (1), 149-204 DOI: 10.1007/s00222-002-0271-6
Calegari, D. (2006). Promoting essential laminations Inventiones mathematicae, 166 (3), 583-643 DOI: 10.1007/s00222-006-0004-3

Kommentare (2)

  1. #1 s3absti8n
    27. Dezember 2010

    mit katzenbildern finden das sogar frauen interessant : ) ,aber wenn die katze dann zerstückelt ist. na ich weiß ja nicht.

    frohes fest, mmh gehabt?