Aufgeweichte Nüsse knacken (wieder mal): Eulers Polyederformel beweisen mit Homologiegruppen.

Letzte Woche hatten wir angefangen über die Eulersche Polyederformel und ihre Verallgemeinerung (für beliebige Flächen) zu schreiben.

Worum ging es bei der Eulerschen Polyederformel?
Wir zerlegen eine Fläche in Polygone und zählen dann die Ecken, Kanten und Polygone, diese Anzahlen nennen wir E,K,F.

Für eine Zerlegung der Sphäre in Polygone ist immer E-K+F=2.

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E-K+F=60-90+32=2.

Für eine Zerlegung des Torus in Polygone hat man immer E-K+F=0.

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E-K+F=160-320+160=0.

Wenn man eine Fläche mit g Henkeln (zum Beispiel eine Brezel: g=2) in Polygone zerlegt, bekommt man immer

E-K+F=2-2g .

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Viele Beweise der Eulerschen Polyederformel

Für die Sphäre hatten wir in TvF 4 mal einen geometrischen Beweis gegeben, der die Innenwinkelsumme sphärischer Dreiecke benutzte. (Und man kann dann, wie in TvF 6 angedeutet, den allgemeinen Fall auf die Sphäre zurückführen.) Für die Sphäre gibt es auch noch viele andere Beweise, unter anderem einen elementaren Induktionsbeweis, der allerdings (ebenso wie verschiedene andere Beweise) den Jordanschen Kurvensatz voraussetzt, den man am besten (TvF 171) ebenfalls mit Homologiegruppen beweist.

Der kürzeste Beweis der Eulerschen Polyederformel geht aber wieder mit Homologiegruppen und geht auf Hopfs Arbeit Eine Verallgemeinerung der Euler-Poincaréschen Formel zurück.
(Hopf hatte den Beweis in A new proof of the Lefschetz formula on invariant formula dann noch zu einem allgemeinen Beweis der Lefschetzschen Fixpunktformel verallgemeinert. Die Eulersche Polyederformel ist der Spezialfall der Lefschetzschen Fixpunktformel für f=id.)

Beweis mit Gruppentheorie

Letzte Woche hatten wir schon gesehen, wie man die Eulersche Polyederformel topologisch interpretieren kann. In Kürze:
Für eine gegebene Triangulierung1 eines Raumes X betrachten wir die “n-te Kettengruppe” Cn(X), das ist die Gruppe der formalen Summen von Simplizes in X, d.h. die Elemente aus Cn(X) sind Summen a1σ1+…+ akσk mit ganzen Zahlen a1,…,ak und n-Simplizes σ1,…,σk.
1 Man kann Polygone in Dreiecke zerlegen, und offensichtlich ändert sich E-K+F dabei nicht. Deshalb brauchen wir die Polyederformel nur für “Triangulierungen” (Zerlegungen in Dreiecke) zu beweisen.

0-Simplizes sind Ecken, 1-Simplizes sind Kanten, 2-Simplizes sind Dreiecke. Man hat also rank (C0(X))-rank (C1(X))+rank (C2(X))=E-K+F.

In TvF170 hatten wir die Homologiegrupen Hi(X) definiert als Hi(X)=ker(δi)/im(δi+1), wobei (für i=1,2,…) δi:Ci(X)—>Ci-1(X) die Randabbildung ist: der Rand des Dreiecks (abc) ist die Summe seiner drei Kanten: δ2(abc)=(bc)-(ac)+(ab), der Rand der Kante (ab) ist δ1(ab)=b-a.

Wir hatten letzte Woche gesehen, daß für Flächen rank (H0(X))-rank (H1(X))+rank (H2(X))=2-2g ist, die Aussage der Eulerschen Polyederformel sich also in folgende zu beweisende Gleichung übersetzt:

rank (C0(X))-rank (C1(X))+rank (C2(X))=rank (H0(X))-rank (H1(X))+rank (H2(X))

Und diese Gleichung ist nun aber (selbst in der allgemeinen Fassung für k>2) eine einfache gruppetheoretische Übungsaufgabe, für deren Beweis man nur die Definition Hi(X)=ker(δi)/im(δi+1) und den Homomorphiesatz der Gruppentheorie (genauer: die aus dem Homomorphiesatz folgende Rangformel rank(Ci)-rank(ker δi)=rank(δi)) benötigt:

Die erste Gleichung folgt aus der Definition und der Rangformel, die zweite Gleichung ist einfach eine Teleskopsumme, in der sich alles weghebt. Beide Gleichungen zusammen ergeben die Behauptung. Also wieder mal ein eigentlich schwieriger Satz, der sich mittels Homologietheorie zu einer einfachen Übungsaufgabe verwandelt (aufweicht).


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