In seinem Vortrag auf dem ICM in Helsinki entwarf Gromov ein ganzes Programm synthetischer Geometrie, vor allem mit dem Ziel Cheegers Endlichkeitssatz (für Mannigfaltigkeiten mit Schranken für Krümmung, Durchmesser und Volumen) besser zu verstehen. Sein Ansatz war völlig elementar. Er griff die alte Idee Felix Hausdorffs auf, der einen Abstand zwischen Teilmengen eines festen topologischen Raumes definiert hatte. Gromov definierte einen Abstand zwischen beliebigen topologischen Räumen als Infimum dieses Abstandes über alle isometrischen Einbettungen in irgendwelche topologischen Räume. Cheegers Endlichkeitssatz verallgemeinerte sich dann zu einem Präkompaktheitssatz im Raum aller metrischen Räume. Gromov hielt die Argumente für ziemlich offensichtlich, aber die Leute wollten dann doch Beweise sehen. Mit Lafontaine und Pansu schrieb er deshalb das Buch “Metric Structures for Riemannian and Non-Riemannian Spaces”. Das spektakulärste Resultat war ein Kompaktheitssatz nur mit den Voraussetzungen Ric ≥ k und diam ≤ D. Gromov schrieb eine Reihe weiterer Arbeiten zur synthetischen Geometrie, zum Beispiel über fast-flache Mannigfaltigkeiten, von denen er bewies, dass sie von einer Nil-Mannigfaltigkeit endlich überlagert werden, oder über eine isoperimetrische Ungleichung für Mannigfaltigkeiten mit Ric ≥ k, mit der er dann auch universelle Abschätzungen für das Spektrum der Mannigfaltigkeit bekam. Er führte zahlreiche neue Konzepte ein, die in späteren Würdigungen als “coarsening” oder “softening” der Geometrie charakterisiert wurden.

Bild: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Shing-Tung_Yau_at_Harvard.jpg

1 / 2 / 3

Kommentare (7)

  1. #1 Joachim
    8. Mai 2021

    Meine Frau meinte, mit einem Blick auf den Text, dazu dass ich das lese: “Jetzt geht es aber mit dir durch”.

    Aber Stringtheorie, “gekräuselte” Dimensionen und “sowas” haben mich schon (fast) immer interessiert. Mit 14(?) habe ich meinen ersten Hypercube gelötet (natürlich das 3d-Abbild aus einem wohl gewähltem Blickwinkel). Natürlich hat das nichts mit Mannigfaltigkeit, noch nicht einmal mit riemannschen Flächen zu tun. Nun hat Tilo es also geschafft, dass ich da mal (wieder) genauer nachschaue.

    Ich melde mich dann so cirka in einem halben Jahr mal wieder. Wenn nichts dazwischen kommt. Bis dann 😉

    Echt man, das hast du alles im Kopf? Respekt. Ist ja wie Rock’n’Roll.

  2. #2 Johannes
    9. Mai 2021

    Wie kommt man auf die kanonische Metrik für eine algebraische Varietät? Gibt es eine Möglichkeit diese rein aus den algebraischen “Zutaten” zu bestimmen?

  3. #3 Thilo
    9. Mai 2021

    Die kanonische Metrik ist die mit konstanter Ricci-Krümmung, deren Existenz Yau bewiesen hat. (Projektive Varietäten haben als Untermannigfaltigkeiten des CP^n eine Kähler-Metrik, aber die ist erstmal nicht kanonisch, weil man dieselbe Varietät auf unterschiedliche Weisen in den CP^n einbetten kann.) Yaus kanonische Metriken bekommt man als Lösungen einer partiellen Differentialgleichung, insofern wird die Konstruktion aus der algebraischen Definition vielleicht nicht so einfach sein, vermute ich mal.

  4. #4 Johannes
    11. Mai 2021

    @Thilo
    danke. Hast du eine Referenz für die Differentialgleichung die auftritt?

  5. #5 Thilo
    11. Mai 2021

    Das ist Gleichung 0.4. in Yaus Arbeit (online in https://jasonpayne.webs.com/Math5339/On%20the%20Ricci%20Curvature%20of%20a%20Compact%20Kahler%20Manifold%20and%20the%20Complex%20Monge-Ampere%20Equation%20I,%20S.T.%20Yau.pdf )
    Man geht von einer Kähler-Metrik g_ij aus (durch die Einbettung der Varietät in CP^n gegeben) und hat dann diese Differentialgleichung für eine Funktion phi, so dass g_{ij}+\frac{\partial^2\phi}{\partial z_i\partial\overline{z}_j} die gesuchte Metrik ist.

  6. #6 Johannes
    11. Mai 2021

    @thilo vielen Dank.

  7. […] zum Hardy-Raum Die LBB-Bedingung Die Weil-Vermutungen Der Superstarrheitssatz Der Vier-Farben-Satz Die Calabi-Vermutung Thurstons Satz über hyperbolische Dehn-Chirurgie Irrationalität von Zeta(3) Shelahs Main Gap Die […]